Mika Häkkinen: Erinnerungen an Michael Schumacher
Auf den Tag genau vor 19 Jahren trat Mika Häkkinen einem exklusiven Kreis bei: Nur zehn Formel-1-Rennfahrer haben es geschafft, zwei Mal in Folge Weltmeister zu werden – Juan Manuel Fangio, Alberto Ascari, Jack Brabham, Alain Prost, Ayrton Senna, Michael Schumacher und dann eben Häkkinen. Später gelang das auch Fernando Alonso, Sebastian Vettel und Lewis Hamilton.
Für Michael Schumacher gab es nur einen Formel-1-Piloten, den er auf Augenhöhe sah: Mika Häkkinen. Es ist nicht so, dass sich Schumi abfällig über seine Gegner geäussert hätte. Es ging mehr darum, was zwischen seinen Worten zu spüren war. Die Williams-Fahrer Damon Hill und Jacques Villeneuve konnten ihn lediglich dank überlegenen Materials schlagen. Ayrton Senna haben wir verloren, bevor es 1994 zum wahren Duell zwischen dem Brasilianer und Schumacher kommen konnte. Nein, Michael Schumacher fürchtete nur einen – den fliegenden Finnen.
Noch heute reden die Fans über den atemberaubenden Rad-an-Rad-Kampf zwischen Michael Schumacher (Ferrari) und Mika Häkkinen (McLaren-Mercedes) in Spa-Francorchamps 2000. Mika nahm damals einen ersten Anlauf, Schumacher die Führung zu entreissen, Michael machte seinen Ferrari seeeehr breit, später begann Häkkinen eine neue Attacke und griff an der Fahrt zu Les Combes innen an, während die beiden Superstars gleichzeitig am BAR-Fahrer Ricardo Zonta vorbeischossen, der Brasilianer wundert sich noch heute, wie das gehen konnte. Häkkinen ging in Führung und gewann, eine Sekunde vor seinem Widersacher.
Noch im Parc fermé ging der Finne auf seinen Rivalen zu und sprach ihm gestenreich ins Gewissen. Als wir damals Mika nachher fragten, was er zu Schumi gesagt habe, meinte Häkkinen: «Das bleibt unter uns.» Bis zum Sommer 2017. Denn im Rahmen einer Videoreihe für den Wettanbieter Unibet verriet Mika Häkkinen endlich, was er damals zu Michael Schumacher gesagt hat.
Der Weltmeister von 1998 und 1999 blickt zurück: «Es war mir sofort klar, dass ich nach dem Rennen mit Michael sprechen musste. Ich sagte zu ihm: „Du kannst nicht einen Gegner bei 300 Sachen aufs Gras drücken. Hier geht es um Leben und Tod, benutz’ doch ein wenig gesunden Menschenverstand!“ Er legte seinen Kopf zur Seite und schaute mich an, dann sagte er: „Was habe ich falsch gemacht?“ Er hat sich nicht entschuldigt, er sagte nicht: „Tut mir leid, da war ich wohl ein wenig zu aggressiv.“ So fuhr er halt.»
Häkkinen sagt im Video weiter, er fand das Pistenverhalten von Schumacher «inakzeptabel. Wenn ein grenzwertiges Manöver in einer langsamen Kurve passiert, dann kann ich das noch halbwegs tolerieren, ich hatte ja auch meine Trickkiste. Aber 300 km/h ist so verdammt schnell. Wenn du dann in Belgien auf dem Gras bist, bei einer Bodenfreiheit von 15 Millimetern auf der Vorderachse, dann reicht der kleinste Erdhügel, um das Auto auszuhebeln, und Gott weiss, wo du dann hinsegelst. Daher wollte ich Michael klarmachen: „Jetzt mal ehrlich – denk nach!“»
«Michael hat nicht gefallen, wie ich dann an Zonta und ihm vorbeigegangen bin. Er konnte aber wertschätzen, dass wir ein tolles Duell hatten und nichts passiert ist. Mit jedem anderen Fahrer wäre früher oder später ein Frontflügel davongeflattert.»
«Michael konnte unfassbar autofahren. Er gab immer alles, als Fahrer und auch bei der Zusammenarbeit mit dem Team. Es gibt so viele Aspekte seiner Arbeit, die ich grenzenlos bewundere. Er liess nie locker. Aufgeben gehörte nicht zu seinem Wortschatz. Er war immer am Limit, mit rotglühenden Bremsscheiben, unglaublich.»
«Was die Zweikämpfe angeht, so konnte er sich extrem verteidigen, besonders wenn es Richtung Zielflagge ging. Zur Mitte eines Grand Prix liess er immer ein wenig Luft zum Gegner zwischen den Reifen. Zum Ende eines WM-Laufs scheute er sich aber nicht vor Wagenkontakt.»