MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Robert Kubica: Rückkehr nach 3046 Tagen, seine Chance

Kolumne von Mathias Brunner
​​Am 17. März 2019 wird Robert Kubica in Australien sein Comeback als Grand-Prix-Fahrer geben und den ersten WM-Lauf seit Abu Dhabi 2010 bestreiten. Verblüffend: Die GP-Pause von 3046 Tagen ist kein Rekord.

«They never come back», sie kommen nie zurück, so lautete einst ein geflügeltes Wort im Boxsport. Wer einmal im Ring geschlagen wurde, der bleibt draussen. Aber grosse Comebacks gehören nicht nur zum Boxen, sondern auch zum Motorsport. Für Robert Kubica wird am 17. März 2019 eine scheinbar endlose Wartezeit zu Ende gehen: Seinen bislang letzten Formel-1-WM-Lauf bestritt der Pole am 14. November 2010 in Abu Dhabi, damals als Renault-Werksfahrer (er wurde Fünfter). Einschliesslich des 17. März 2019 muss der WM-Vierte von 2008 damit unfassbare 3046 Tage oder 8 Jahre, 4 Monate und 3 Tage auf seine Rückkehr warten. Das Verblüffende an dieser immensen Zeitspanne – sie ist kein Formel-1-Rekord!

Denn die grösste Zeitspanne zwischen zwei Einsätzen betrug 10 Jahre und 114 Tage. So lange dauerte es, bis der Niederländer Jan Lammers wieder zu einem Grand Prix antreten konnte – von den Niederlanden 1982 (im Theodore-Rennwagen) bis Japan 1992 (im March). Aber mit beiden Autos war kein Blumentopf zu gewinnen. Beim Heimrennen in den Niederlanden schied Lammers aus (Motorschaden), bei der Rückkehr in Japan wurde er von der Kupplung seines Autos im Stich gelassen.

Fast zehn Jahre dauerte es, bis der Italiener Luca Badoer wieder eine GP-Chance erhielt. Der einstige Minardi-Fahrer hatte einen schönen Rentenplatz als Ferrari-Testfahrer ergattert, aber als er für Felipe Massa einspringen musste, versagte er jämmerlich – Rang 17 beim Grand Prix von Europa in Valencia, Platz 14 in Belgien, danach musste er sein Cockpit räumen. Seinem Nachfolger Giancarlo Fisichella erging es übrigens nicht besser: Bei fünf Einsätzen in Rot blieb auch er ohne Punkte.

Der US-Amerikaner Pete Lovely machte von Riverside 1960 (USA) bis Mosport 1969 (Kanada) eine Pause von fast neun Jahren. Immerhin wurde er bei der Rückkehr Siebter, doch damals gab es nur für die ersten Sechs Punkte.

Das alles lässt Robert Kubica kalt. Er ist fest davon überzeugt, dass er trotz seiner schweren Verletzung aus dem Rallye-Unfall im Februar 2011 wieder gute Ergebnisse einfahren kann. Die Formel-1-WM-Geschichte zeigt – nicht alle Fahrer haben nach einer Verletzungspause an frühere Leistungen anknüpfen können. Und für Kubica wird es gleich doppelt schwierig. Denn Williams muss fast bei null beginnen, kein Team hat 2018 ein schlechteres Auto gebaut.

Alex Zanardi ist für alle Menschen ein leuchtendes Vorbild dafür, was Wille alles bewegen kann. Der 15. September 2001 hat das Leben von Alex Zanardi komplett verändert: Bei einem IndyCar-Unfall auf dem Lausitzring wäre der Italiener fast verblutet, die Ärzte konnten sein Leben, nicht aber seine Beine retten. Zanardi, von 1991 bis 1999 in der Formel 1 unterwegs, vorher und nachher im IndyCar-Sport, geniesst seit seinem schlimmen Unfall 2001 in der Lausitz weit über Motorsportkreise hinaus Heldenstatus: Wie er mit seinem Schicksal fertig wurde und trotz seiner verlorenen Beine sein Leben meistert, ist nicht nur für behinderte Menschen ein leuchtendes Vorbild. Er ist Goldmedaillen-Gewinner bei den Olympischen Spielen im Handrad, er ist erfolgreicher Triathlet. Und Autorennen fährt er auch wieder.

«Kino am See» in Zürich 2014, eine sommerliche Traditionsveranstaltung. Gezeigt wurde unter freiem Himmel der Film «Rush», das Formel-1-WM-Duell 1976 zwischen Niki Lauda und James Hunt, packend verfilmt von US-Regisseur Ron Howard. Als der Abspann lief, brandete spontan Applaus auf, die Zuschauer waren sichtlich beeindruckt. Vor mir sagte eine Frau zu ihrem Begleiter: «Ich kann es nicht fassen, dass Lauda so kurz nach seinem schweren Unfall wieder gefahren ist.» Tatsächlich ist Laudas Rückkehr nach dem Feuerunfall vom Nürburgring 1976 eines der grössten Comebacks der Sportgeschichte – und das, passenderweise, auf einer Strecke, die selber ein Mythos ist, in Monza. Die Willensleistung von Niki Lauda, knapp 40 Tage nach dem Höllenritt auf dem Nürburgring mit offensichtlichen Verletzungen wieder in den Ferrari zu klettern, um den schnell schwindenden Vorsprung gegen James Hunt zu verteidigen, das ist bis heute unfassbar. Später eroberte Lauda mit Ferrari seinen zweiten Titel (1977), ging zu Brabham, trat vom Rennsport zurück, dann ein Rücktritt vom Rücktritt, um mit McLaren 1984 noch einmal Weltmeister zu werden. Dazu noch erfolgreicher Flug-Unternehmer und Aufsichtsrats-Chef des Mercedes-Rennstalls. Was für eine Karriere!

Mika Häkkinen ist im vergangenen September 50 Jahre alt geworden. Der Finne bestritt zwischen 1991 und 2001 insgesamt 161 GP-Einsätze, 20 WM-Läufe konnte er gewinnen. In dieser Zeitspanne stand der Finne 51 Mal auf dem GP-Podest, 26 Mal durfte er von der ersten Startposition losfahren. Der Widersacher von Rekord-Weltmeister Michael Schumacher glänzte nicht nur auf der Strecke. Abseits der GP-Pisten machte der Gentlemen im Silberpfeil eine gute Figur – und kam bei den Fans entsprechend gut an. Häkkinen, das stand für Speed, für Fairness, für einen gewissen Schalk.

Leicht hätte diese Karriere 1995 enden können, nach einem Horror-Unfall im Zeit-Training in Adelaide (Australien). Damals zog sich Häkkinen einen Schädelbasisbruch zu. «Es ist das Schlimmste, was dir im Leben passieren kann. Man merkt, wie zerbrechlich ein Leben ist. In diesen Momenten wird alles andere, was normalerweise deinen Alltag bestimmt, völlig uninteressant. Das einzig Wichtige ist, die Hand des anderen halten zu können und den Worten der Ärzte zu vertrauen. Man sitzt dort und hofft, dass alles gut ausgeht, aber man weiss nicht, was am nächsten Morgen sein wird. Man kann selbst nichts tun – und das ist das Schlimmste», sagte Häkkinen später. Häkkinen war damals blutend aus dem Wrack gezogen worden. Für die Familie, die zunächst nur diese Bilder sah, der absolute Horror.

Was waren denn seine ersten Gedanken, nachdem er aus dem Koma erwachte? «An die wesentlichen Dinge: Kann ich richtig sehen? Kann ich meine Beine bewegen? Meine Arme? Ich habe mich auch gefragt, ob es ein Fahrfehler war oder ob ein mechanisches Problem zu dem Unfall führte. Ich musste das verstehen.»

Mika wurde nach kompletter Erholung zum 20fachen GP-Sieger und zweifachen Weltmeister (1998 und 1999).

2009 rettete der Schuberth-Helm dem Brasilianer Felipe Massa auf dem Hungaroring in Ungarn das Leben. Im Qualifying wurde der damalige Ferrari-Piloten bei rund 270 km/h von einer 800 Gramm schweren Metallfeder am Helm getroffen, die aus dem Heck von Rubens Barrichellos BrawnGP-Renner gefallen war. Massa hat seinen beschädigten Helm noch heute in seinem Wohnzimmer stehen. Felipe kehrte auf die Rennstrecken zurück, zunächst mit Ferrari, später mit Williams, er gewann aber nie wieder ein Rennen.

Martin Brundle und Johnny Herbert, Marc Surer und Olivier Panis zogen sich beide bei Unfällen schwere Fuss- und Beinverletzungen zu, die alle kehrten ins Rennauto zurück, Herbert gewann sogar drei Grands Prix, Brundle wurde Sportwagen-Weltmeister. Graham Hills Beine waren nach einem Unfall in Watkins Glen 1969 zu zerschmettert, dass die Ärzte meinten, er würde nie wieder gehen können. Hill pfiff darauf und sass beim WM-Auftakt 1970 im Rennauto. 1972 gewann er Le Mans.

Die Liste ist lang von Piloten, die sich Verletzungen zuzogen und später erfolgreich waren: Michael Schumachers Titelhoffnungen 1999 etwa endeten in einem Reifenstapel von Silverstone, von 2000 bis 2004 gewann er mit Ferrari fünf WM-Titel. Die Liste ist auch lang von Fahrern, die nie wieder an frühere Leistungen anknüpfen konnten.

Robert Kubica selber überstand 2007 in Montreal einen fürchterlichen Crash, angesichts dessen wir uns alle im Pressesaal fassungslos anschauten und einer sagte, was alle dachten: «Er ist tot.» Tatsächlich standen dem Polen schon damals viele Schutzengel zur Seite, abgesehen von leichten Fussverletzungen und einer Gehirnerschütterung blieb er unversehrt. Ein Jahr später gewann er auf der gleichen Rennstrecke seinen einzigen Grand Prix.

Die 10 geduldigsten Formel-1-Fahrer

Jan Lammers (NL)
Niederlande 1982 (Theodore) bis Japan 1992 (March)
10 Jahre und 114 Tage

Luca Badoer (I)
Japan 1999 (Minardi) bis Valencia 2009 (Ferrari)
9 Jahre und 296 Tage

Pete Lovely (USA)
USA 1960 (Cooper) bis Kanada 1969 (Lotus)
8 Jahre und 304 Tage

Robert Kubica (PL)
Abu Dhabi 2010 (Renault) bis Australien 2019 (Williams)
8 Jahre und 123 Tage

André Pilette (B)
Frankreich 1956 (Gordini) bis Belgien 1964 (Scirocco)
7 Jahre und 349 Tage

Peter Revson (USA)
Italien 1964 (Lotus) bis USA 1971 (Tyrrell)
7 Jahre und 27 Tage

Eppie Wietzes (CDN)
Kanada 1967 (Lotus) bis Kanada 1974 (Brabham)
7 Jahre und 26 Tage

Mike Hailwood (GB)
Monaco 1965 (Lotus) bis Italien 1971 (Surtees)
6 Jahre und 98 Tage

Narain Karthikeyan (IND)
China 2005 (Jordan) bis Malaysia 2011 (HRT)
5 Jahre und 176 Tage

Hans Herrmann (D)
Deutschland 1961 (Porsche) bis Deutschland 1966 (Brabham)
5 Jahre und 1 Tag

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