Sportchef Ross Brawn über Motor 2021: Zu ehrgeizig
Ross Brawn
Als die Formel 1 Anfang 2014 in die neue Turbo-Hybrid-Ära ging, sprach Sebastian Vettel vielen Fans aus dem Herzen: «Das hört sich an, als würde der Staubsauger nebenher laufen, aber nicht wie ein Rennauto auf der Strecke.» Die Akustik war für viele Fans eine komplette Enttäuschung, nicht wenige wandten sich vom Sport ab. Das neue Motorreglement war damals ein Kind des Gedankens, dass F1-Triebwerke mehr Serienrelevanz haben sollen, hinter dem kleinvolumigen Turbomotor mit Mehrfach-Energierückgewinnung steckten FIA-Präsident Jean Todt und die Autohersteller.
Seit 2014 haben wir nun diese 1,6-Liter-V6-Aggregate, sie klingen inzwischen ein bisschen Formel-1-würdiger, aber gemessen am früheren Sauger haben sie keine Chance. Jedes Mal, wenn der F1-Zweiplätzer auf die Bahn geht, recken sich sofort die Hälse der Fans und auch vieler Insider im Fahrerlager – SO muss ein Rennmotor klingen! Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner: «Den besten Sound der modernen Formel 1 bietet ausgerechnet ein uraltes Auto – der Zweisitzer mit dem V10-Saugmotor im Heck. Wenn du die Gesichter der Fans siehst, dann weisst du, was das Heulen für sie bedeutet.»
2021 erhalten wir ein neues Formel-1-Reglement, das wäre eine prima Chance gewesen auf einen Neuanfang in Sachen Motor. Formel-1-Sportchef Ross Brawn gibt zu: Er hätte gerne etwas ganz Anderes gemacht. Denn die drei Vorgaben zu den GP-Aggregaten ab 2021 lauteten – kostengünstiger, einfacher, lauter. Viele Fans hofften, mit einem anderen Reglement würde sich beispielsweise ein Hersteller wie Porsche anlocken lassen.
Doch die vier heutigen Formel-1-Motorenhersteller Renault, Ferrari, Mercedes-Benz und Honda lobbyierten dafür, alles beim Alten zu lassen. Das ist nachvollziehbar, denn sie haben viele Millionen in die Entwickung dieser Motoren investiert. Und sie besitzen einen Wissensvorsprung, den sie sich nicht nehmen lassen wollen.
Der 64jährige Brawn hat in der Vergangenheit mehrfach betont, dass er die Enttäuschung der Fans verstehen kann. Er sagt jetzt aber auch: «Vielleicht war ich zu ehrgeizig, was das neue Motorreglement angeht. Die Beteiligten haben ihre Argumente sehr gut vorgebracht. Wir werden zwar kostengünstiger, einfacher, lauter erhalten, es ist einfach eine Frage des Masses. Es wird Änderungen geben, welche in die korrekte Richtung gehen.»
«Es ist ein starkes Argument zu sagen: Wir haben vier gute, verlässliche Motorhersteller im Grand-Prix-Sport. Lasst uns lieber sicherstellen, dass die der Formel 1 verbunden bleiben. Wir hatten zwar Interessenten, aber ihre Hingabe ist nicht so wie jene der heutigen Motorlieferanten. Die Energie-Rückgewinnung am Lader mit der so genannten MGU-H war ein grosses Thema. Aber wenn ein Hersteller sagt, er kommt nur dann, wenn die MGU-H verschwindet, dann finde ich das ein wenig flatterhaft.»
Gleichzeitig ist sich der frühere Teamchef von Benetton, Ferrari, BrawnGP und Mercedes-Benz bewusst: «Die Motoren sind ein heikles Thema, ein heikleres sogar als ein Team. Wir wollen keinen Rennstall verlieren, aber wenn dem so wäre, dann sollten wir als Sport attraktiv genug sein, einen Ersatz zu finden. Verlieren wir jedoch einen Motorhersteller, dann hätte eine Firma als Nachfolger eine enorme Aufgabe. Verlieren wir einen Motorhersteller, dann geht das zwei oder gar drei Rennställe etwas an.»