Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

WM-Start Australien: Die 10 wichtigsten Erkenntnisse

Kolumne von Mathias Brunner
Start zum Grossen Preis von Australien in Melbourne

Start zum Grossen Preis von Australien in Melbourne

​So viel war nach den Wintertests gemutmasst worden, was wir beim WM-Beginn in Melbourne erleben würden. Unsere zehn Erkenntnisse zeigen, in welcher Weise wir in Australien schlauer geworden sind.

Der Formel-1-Tross reiste mit einigen Erkenntnissen aus Melbourne ab, aber wir sind zu lange im Geschäft, um das Rennen in Australien für bare 2019er Münze zu nehmen. Und damit sind wir schon mittendrin in unseren zehn wichtigsten Erkenntnissen vom WM-Auftakt «down under».

Melbourne ist nicht Bahrain
Was wir in Australien erlebt haben, ist eine Momentaufnahme. Der wellige Strassenkurs mit den kurzen Geraden erzeugt andere Rennverläufe als die glatte Bahrain-Bahn mit guten Überholmöglichkeiten. Gewiss, wir hätten uns jetzt auch einen spannenderen WM-Beginn gewünscht, aber wenn wir zurückblicken, dann waren die Grands Prix von Australien nicht immer der klassische Hitchcock-Thriller. Was uns zu Punkt 2 führt.

Flügelkonzept gescheitert?
Andere Frontflügel, grösserer Effekt des verstellbaren Heckflügels, theoretisch hätten wir beim WM-Beginn besseren Sport erleben müssen. Renault-Fahrer Nico Hülkenberg sagt: «Die Geraden in Melbourne sind einfach zu wenig lang, um die Vorteile der Flügel nutzen zu können, und die Bremszonen sind zu knackig, um dich an die Seite des Gegners zu ellbögeln. Hier in Australien haben die Änderungen wenig gebracht. Aber wartet mal die nächsten Rennen ab, um euch ein Urteil zu bilden.»

Das ist nicht das wahre Ferrari
Ratlose Tifosi: Was nur ist aus dem dominanten Ferrari der Wintertests geworden? Ferrari-Teamchef Mattia Binotto gibt zu: «Das war nicht, was wir erwartet hatten. Seit dem ersten Training haben wir nie eine gute Balance gefunden, die unpassende Abstimmung führte dazu, dass wir die Reifen nicht ideal nutzen konnten. Wir müssen im Werk in Ruhe analysieren, was hier passiert ist. Ich bleibe aber überzeugt davon, dass wir ein gutes Fahrzeug haben. Barcelona ist eine ganz andere Rennstrecke als der Albert Park Circuit. Barcelona ist glatt, die Bahn hier ist wellig, zudem haben wir ganz andere Temperaturen gehabt, es ist auch viel windiger gewesen als in Spanien. Das spielt alles eine Rolle. Das wahre Potenzial des Ferrari haben wir nicht gesehen.» Auch hier gilt also: Fortsetzung Bahrain.

Der neue Bottas
Valtteri Bottas will nicht mehr der liebe, knuffige Team-Player sein mit dem Verlierer-Image. «Nach der Saison 2018 war ich sehr verärgert über mich selber. Ich wollte Einiges anders machen. Ich habe nur eine Formel-1-Karriere, und ich habe mir geschworen – ich werde alles daransetzen, 2019 den besten Bottas zu zeigen.» In Austrailen hat Bottas das im Rennen geschafft. Zum neuen Bottas passt nicht nur der Bart, sondern auch der knackige Spruch an seine Kritiker, den der Finne nach seiner Siegesfahrt in den Funk knurrte. «Wenn immer es betrifft – fickt euch!»

Ferrari-Stallorder zieht
Ferrari-Teamchef Mattia Binotto hat im Winter gleich mal Druck vom Kessel genommen und die Rollen klar verteilt – wenn es hart auf hart geht, wird Sebastian Vettel Vorfahrt erhalten, und der junge Charles Leclerc muss vom Gas. Genau das ist im Australien-GP passiert: Der junge Monegasse rückte im zweiten Teil des Rennens Vettel immer näher, der mit seinen Reifen nicht klarkam. Dann kam ein Befehl vom Ferrari-Kommandostand, und Leclerc liess sich folgsam zurückfallen. Aber machen Sie sich keine Illusionen: Leclerc ist kein naiver Hinterherfahrer.

Charles Leclerc sehr clever
Wir wiederholen es gerne: Dieser Charles Leclerc wird uns noch viel Freude machen. Wir wagen jetzt mal die Ansage – der 21jährige Monegasse wird in dieser Saison der 108. Grand-Prix-Sieger der WM-Historie (und damit der erste seit Valtteri Bottas in Sotschi 2017). Er wird auch der jüngste GP-Sieger als Ferrari-Werkspilot. Jacky Ickx hält diesen Rekord, seit er 1968 mit 23 Jahren, 6 Monaten und 6 Tagen den Grand Prix von Frankreich gewann. Leclerc war in Sachen Speed ein Australien-Wochenende lang auf Augenhöhe mit Vettel, kurz nach dem Start ging er klug vom Gas, um Fahrzeugkontakt mit Seb zu vermeiden. Gegen jeden anderen Piloten wäre Leclerc auf dem Gas geblieben.

Red Bull Racing mit Honda auf Kurs
Erster Formel-1-Podestplatz für Honda seit Silverstone 2008: Rubens Barrichello wurde damals Dritter, Dritter ist nun auch Max Verstappen in Australien geworden. Der Auftakt der neuen Seilschaft Red Bull Racing und Honda ist gelungen. Red-Bull-Rennchef Dr. Helmut Marko und GP-Sieger Verstappen loben den japanischen Partner für Fortschritte und Hingabe. Besser hätte das nicht beginnen können. Es birgt eine gewisse Ironie, dass Ex-Honda-Partner McLaren zu Renault wechselte und Carlos Sainz in Melbourne wegen Motorschadens ausfiel.

Renault: Ziel verpasst
Die Franzosen wollten die Saison als Mittelfeld-Leader beginnen und vielleicht schon den drei Top-Teams auf die Nerven gehen. Das ist in Australien nicht passiert. Stattdessen fährt Haas auf Augenhöhe mit Renault, und die Autos von Alfa Romeo-Sauber, Toro Rosso-Honda und Racing Point sind ebenfalls voll bei der Musik. Das Mittelfeld ist noch umkämpfter. Renault-Teamchef Cyril Abiteboul: «Wir blicken nicht zurück, wir richten uns ganz auf die besten Teams aus.» Aber vielleicht könnte ein Blick in den Rückspiegel nicht schaden, denn die Konkurrenz ist siedend heiss.

Williams bleibt Schlusslicht
Fans des Traditionsrennstalls Williams hatten auf ein Rennwunder gehofft, aber das ist ausgeblieben. Robert Kubica und George Russell sprechen von einem fundamentalen Problem mit dem neuen Wagen, ihrer Meinung zufolge wird es Monate dauern, diese Schwierigkeiten zu lösen. Na denn gute Nacht.

Lewis Hamilton, der schlafende Tiger
Die Fans rieben sich ein wenig verwundert die Augen: Lewis Hamilton hatte im ersten Rennen der Saison gegen Valtteri Bottas nicht den Hauch einer Chance. Der Engländer konnte sogar noch froh sein, Rang 2 vor dem starken Verstappen uns Ziel gerettet zu haben. Aber Hamilton kämpfte wie ein Boxer, der vor dem Fight eine Hand hinter den Rücken gebunden wurde – der Unterboden vor dem linken Hinterrad war beschädigt, Abtrieb ging verloren. Es bleibt unklar, ob die Beschädigung durch Trümmerteile verursacht wurden oder durch einen kecken Ritt Hamiltons über einen Randstein. Wie oft in solchen Situationen begann Lewis am Funk zu wehklagen und spulte den Rest des Rennens als Pflichtübung herunter. Doch aufgepasst: Hamilton ist ein schlafender Tiger. Und er hat mit Rang 2 trotz Problemen erneut einen Spitzenplatz eingefahren. Das ist die Qualität eines Weltmeisters.

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