Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Pierre Gasly (Red Bull-Honda): Wo ist die Startampel?

Von Mathias Brunner
Pierre Gasly (links) schnappt sich Giovinazzi

Pierre Gasly (links) schnappt sich Giovinazzi

​Red Bull Racing-Honda-Neuling Pierre Gasly erlebte von der Quali weg ein vermurkstes Wochenende. Der Franzose aus der früheren GP-Stadt Rouen stellt klar: «Mein Ziel heisst nicht Max Verstappen.»

Nach etwas mehr als einem Jahr Lehrzeit bei Toro Rosso hat Red Bull den Franzosen Pierre Gasly ins grössere GP-Team bugsiert, zu Red Bull Racing-Honda. Der frühere Grand-Prix-Fahrer Marc Surer sagt: «Für mich ist das Team-Duell bei Red Bull Racing an sich eine klare Sache zu Gunsten von Max Verstappen. Aber vielleicht wird Gasly allgemein unterschätzt. Ich sage immer – ob einer wirkliche Begabung hat, das zeigt sich früher oder später, vielleicht bei etwas verrückten Verhältnissen. Es gab 2018 ein paar Grands Prix, in welchen Gasly wirklich glänzen konnte, mit Rang 4 in Bahrain als Highlight. Da gibt es Potenzial. Jetzt muss er das regelmässig abrufen. Aber das wird trotzdem nicht reichen gegen Max Verstappen, der Niederländer ist ein Jahrzehnte-Talent.»

Im Training zum Australien-GP hatte sich gezeigt: Gasly lauert in der Nähe von Max Verstappen, dann aber leistete sich die Red Bull Racing-Truppe einen folgenschweren Fehler. Am RBR-Kommandostand wurde unterschätzt, wie rapide sich die Pistenbedingungen verbessern, Pierre wurde nicht mehr auf die Bahn geschickt und schied prompt nach dem ersten Quali-Segment aus, auf den 15. Platz zum Weiterkommen fehlten lächerliche 54 Tausendstelsekunden. Während es sich Verstappen in der zweiten Startreihe gemütlich machte, musste Gasly vom 17. Platz losfahren.

Damit war ein schwieriges Rennen programmiert. Red-Bull-Rennchef Dr. Helmut Marko hatte vor dem WM-Auftakt richtig vermutet: «Wir können zufrieden sein, wenn Pierre in die Top-10 vorstösst.» Aber dieses Ziel wurde verpasst, Pierre landete auf dem undankbaren elften Rang.

Gasly nach dem Grand Prix: «Im Grunde war mein Rennen von der Quali kompromittiert. Bis zum Abschlusstraining war alles gut gelaufen, mein Speed stimmte. Dann schied ich leider im ersten Segment aus und musste von weit hinten losfahren. Auf so einer Bahn weisst du: Die Hoffnung auf Punkte ist gering. Wegen der neuen, grösseren Heckflügel konnte ich auf meinem Platz die Startampel nicht sehen. Ich fuhr einfach los, als die Anderen losfuhren.»

«Dann blieb ich im Verkehr hängen, und selbst mit dem wirkungsvolleren verstellbaren Heckflügel kam ich nicht an den Leuten vorbei. Zudem steckte ein Trümmerteil in meinem Frontflügel, das hat auch nicht geholfen. Ich fand, dass ich die meiste Zeit hinter einem Gegner hing, ich rutschte nur herum. Ich fuhr mir die Seele aus dem Leib, aber es hat nicht für einen Punkt gereicht.»

Nun freut sich Pierre auf Bahrain, wo er 2018 mit dem Toro Rosso-Honda sein bestes Formel-1-Ergebnis errungen hat: Rang 4. «Ich fliege mit dem tröstenden Gedanken nach Arabien, dass in Australien mein Tempo gestimmt hat. Das Ausscheiden im ersten Quali-Teil war Pech. In Bahrain sollten wir bei der Musik sein, Melbourne hake ich ab und blicke nach vorne.»

Die alte Motorsportregel hat noch immer Gültigkeit: Der erste Gegner ist der Stallgefährte. Pierre Gasly relativiert: «Ich muss noch so viel lernen, mein Ziel heisst nicht Max Verstappen. Max hat viel mehr Erfahrung als ich, in der Formel 1 im Allgemeinen und bei Red Bull Racing im Besonderen. Ich konzentriere mich derzeit auf ganz Anderes als auf Verstappen.»

«Ich will mir aber so viel als möglich von ihm abgucken, um meinen Lernprozess zu beschleunigen. Und ich muss beim Lernen unheimlich Gas geben, um dem Team meinen Speed beweisen zu können. Ich würde mir gerne vorstellen: Der Pierre Gasly am Ende der Saison 2019 wird ein ganz anderer Fahrer sein als der Gasly hier in Australien.»

«Zum Glück kann ich auf das gewaltige Know-how eines Rennstalls zurückgreifen, der vier Mal Weltmeister geworden ist. Ich möchte dem Team eine solide Lernkurve zeigen und im Laufe der Saison mein volles Potenzial ausschöpfen.»

Hand aufs Herz: Hatte das Selbstvertrauen von Pierre durch den Testunfall in Barcelona eine Delle bekommen? Gasly meint: «Nein. Das war ja nicht mein erster Crash als Rennfahrer, und in aller Wahrscheinlichkeit war es auch nicht der letzte. So etwas passiert halt im Rennsport. Du musst aus so etwas lernen und dann weitermachen. Ich sehe die Wintertests als positiv, trotz des Ausrutschers, denn ich bin viel zum Fahren gekommen. Ich habe sehr viel lernen können. Wenn von 438 Runden zwei nicht gut sind, darf man sich nicht alles madig machen lassen.»

«Aber es wird wohl noch einen Moment dauern, bis ich mich bei Red Bull Racing so behaglich fühle wie zuvor bei Toro Rosso – neues Auto, anderer Ingenieur, neues Team, da gibt es sehr viel zu verinnerlichen.»

Gasly ist jener Pilot, der den direkten Vergleich hat zwischen dem 2018er Motor von Honda und dem 2019er Aggregat. «Die neue Antriebs-Einheit ist in jeder Hinsicht besser. Als Fahrer willst du einfach einen Motor, der dir aus jeder Kurve heraus tüchtig in den Hintern tritt. Und einen solchen Tritt spüre ich, das ist ermutigend. Die Japaner haben aber nicht nur bei der Power zugelegt, sondern auch bei der Standfestigkeit. So muss es weitergehen.»

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