Dr. Helmut Marko: «Das war Niki Laudas Genugtuung»
Gute Freunde: Niki Lauda und Dr. Helmut Marko
Dr. Helmut Marko war einer der Ersten, der von Niki Laudas Ableben erfuhr. Der Red Bull-Motorsportberater, der sich zu den Freunden des dreifachen Weltmeisters zählen darf, bestätigte im ORF-Interview: «Ich glaube, ich habe es ziemlich unmittelbar erfahren, so um halb Elf herum. Ich wusste auch, dass die Vorzeichen nicht gut stehen. Trotzdem hat mich das dann umgeworfen und ich hab dann nicht mehr schlafen können. Dann sind mir diese vielen gemeinsamen Jahre wieder in Erinnerung gekommen. Da wurde mir nochmals bewusst, welch’ aussergewöhnlicher Mensch der Niki Lauda war.»
Der 76-jährige Österreicher blieb bis zum Schluss mit Lauda in Kontakt – wenn auch zum Ende hin nur noch indirekt. «Ich habe ihn einmal im November im AKH besucht», erklärte er. «Ich bin ja kein Mediziner, aber er hatte einen relativ guten Eindruck gemacht, seine Stimme war stark. Dann haben wir noch mehrmals telefoniert, zuletzt irgendwann zu Jahresanfang, da war die Stimme schon relativ schwach. Man merkte, er konnte kaum sprechen, längere Aussagen oder auch nur schon ein ganzer Satz war schwierig. Danach war nunmehr indirekt ein Kontakt vorhanden.»
Dr. Marko erzählte auch eine Anekdote aus Laudas Leben: «Als Ferrari Niki anrief, hat er mich gefragt, ob ich mit ihm mitkomme. Wir sind dann in irgendeinem Auto nach Modena gefahren und vom ORF hat mir irgendjemand ein Aufnahmegerät in die Hand gedrückt, mit der Bitte, eine Aufnahme vom Gespräch mit Enzo Ferrari zu machen. Wir haben dann die ganze Fahrt geübt, wie wir das machen und welche Knöpfe wir drücken müssen. Schliesslich sind wir dann angekommen und man führte uns in die geheiligten Hallen, in denen alles gruftartig abgedunkelt war.»
«Und dann kam der berühmte Enzo Ferrari, der uns mit seiner ganz rauchigen Stimme begrüsst hat. Wir haben uns vorgestellt, dass wir die Vertragsbedingungen besprechen werden. Das war aber überhaupt nicht der Fall. Er hat uns gesagt: Das ist es, und so passiert’s», schilderte Marko. «Danach haben wir noch gefragt, ob wir eine Aufnahme von diesem Gespräch machen dürfen. Wir schalten das Gerät ein und die Batterien waren leer vor lauter üben! Normalerweise flippt Ferrari ja aus, er war sehr cholerisch. Aber er war sehr nett, wir haben dann die Batterien gewechselt, und alles aufgenommen, das war der Beginn der Ferrari-Zeit.»
Auch beim Ende der Ferrari-Karriere von Lauda war Marko dabei. «Niki rief mich an und sagte, dass er zu Ferrari fliegen und kündigen würde. Und weil ich schon beim Anfang dabei war, fragte er mich, ob ich auch beim Ende mitkommen würde. Diesmal reisten wir schon im Flugzeug an, die Zeiten hatten sich bereits geändert. Wir wurden herrschaftlich von irgendeinem grossen Fiat abgeholt und ins Zentrum gebracht. Da gibt es das berühmte Restaurant, in dem alle vorne sitzen und das Hinterzimmer dem Chef gehört. Niki sagte, er gehe jetzt mit ihm herein und werde ihm Bescheid sagen.»
«Zuerst war es ein richtiges italienisches Essen, mit viel Geräusch und Lustigkeit. Doch plötzlich wurde die Stimm des Commendatore immer lauter, kein Mensch hat mehr weitergegessen. Alles sass still und regungslos da und die Brüllerei wurde immer lauter und lauter. Es war von Verrat die Rede, und es wurde immer schlimmer. Ferrari kam mit hochrotem Kopf aus dem Hinterzimmer herausgeschossen und Niki folge danach und sagte: ‚So, gehen wir!’ Wir hatten keinen Fahrer mehr, wir durften nicht einmal ein Taxi anrufen von der Fabrik aus. Wir sind dann zu einer Telefonzelle herausgestürmt und weil Niki sehr populär war, konnte wir uns Lire borgen und fröhlich und voller Genugtuung nach Hause fahren», erzählte der Grazer weiter.
«Dass Niki so viel Genugtuung verspürte, hatte einen Grund. Denn Ferrari hat knapp nach Nikis Unfall auf dem Nürburgring sofort den Carlos Reutemann engagiert, ohne abzuwarten, wie die Unfallfolgen sind. Und ich glaube, das war einer der Gründe. Niki, der ja ein sehr loyaler und direkter Mensch war, das hat das dem Enzo Ferrari nie verziehen. Das war seine Genugtuung, denn normalerweise wird man bei Ferrari entlassen und kündigt nicht.»