Ross Brawn über Niki Lauda: «Unverblümt & heldenhaft»
Ross Brawn und Niki Lauda
Der Tod von Niki Lauda, der am Montagabend im Kreise seiner Familie im Unispital Zürich verstorben ist, hat auch Formel-1-Sportdirektor Ross Brawn tief getroffen. Der frühere Ferrari- und Mercedes-Technikchef erinnert sich an den dreifachen Champion, mit dem er zuletzt bei Mercedes zusammengearbeitet hat, und erklärt: «Niki Lauda war eine Ikone unseres Sports und ein Mann, dessen Leistungen ihm einen Platz in der Hall of Fame der Formel-1-Grössen sichern. Wenn ich auf seine Karriere als Fahrer zurückblicke, ist es Nikis einzigartiger Ansatz, der ihn auszeichnet – methodisch, kalkuliert, durchdacht und präzise.»
«In gewisser Weise könnte man sagen, dass er vielleicht kein derart grosses Naturtalent wie Ayrton Senna oder Michael Schumacher war, aber seine Herangehensweise – seine Intelligenz und unerbittliche Vorgehensweise – war hervorragend. Leute, die mit ihm als Fahrer gearbeitet haben, haben mir oft gesagt, wie gut er darin ist, ein Auto zu entwickeln und den Ingenieuren genau die richtigen Informationen zu liefern», erzählt der Brite. «Und den Beweis für diese seltene Fähigkeit, das Maximum aus dem vorliegenden Paket herauszuholen, liefern seine herausragenden Leistungen. Die Zahlen sprechen für sich – 171 Grand-Prix-Starts, 24 Pole-Positions, 54 Podiumsplätze, 25 Siege und drei WM-Titel.»
«Natürlich kann man das Ausmass von Nikis Leistungen nicht beurteilen, ohne die Ereignisse von 1976 zu berücksichtigen. Was er nach seinem Unfall auf dem Nürburgring erreicht hat, war absolut erstaunlich. Damals war die Medienberichterstattung über den Sport bei weitem nicht so umfassend wie heute, und wir hatten keine Möglichkeit, das Trauma zu kennen, das er in den Wochen nach seinem schrecklichen Unfall durchgemacht hatte», erinnert sich Brawn, der auch unumwunden gesteht: «Erst als ich mir den Film ‚Rush‘ ansah, verstand ich, wie heldenhaft Nikis Rückkehr ins Rennen war. Ohne Zweifel hat es meine Bewunderung für ihn vertieft. Er war ein wahrer Held und sein Comeback in Monza, nur 40 Tage nach seinem Unfall, ist eines der besten Beispiele für Mut und unbezwingbaren Willen im gesamten Sport.»
«Nachdem wir ihn viele Jahre aus der Ferne beobachtet hatten, arbeiteten wir schliesslich zusammen, als er Ende 2012 zu Mercedes kam. Die erste Aufgabe, die wir gemeinsam angegangen sind, war der Abschluss des Vertrags für Lewis Hamilton. Niki war massgeblich an diesem Prozess beteiligt. Ich hatte es geschafft, Lewis davon zu überzeugen, sich uns anzuschliessen, aber es war Niki, der den Mercedes-Vorstand überredete, uns das Geld für Lewis’ Vorschuss zu geben, was keine leichte Aufgabe war. Es sollte ein Meilenstein in der aktuellen Formel-1-Reise des Teams werden», stellt der 64-Jährige klar.
«Danach begann Niki, das Werk häufiger zu besuchen. Er musste es nicht tun, aber er wollte die Arbeitsabläufe des Teams verstehen, er wollte mit anpacken. Ich gebe zu, dass er eine sehr unverblümte Herangehensweise hatte und es gab viele Gelegenheiten, bei denen es Reibereien gab, aber ich denke, dass wir während unserer gemeinsamen Mercedes-Zeit eine gute Art der Zusammenarbeit gefunden haben, die letztlich dem Team zugute kam», erzählt Brawn auch. «Es war immer wertvoll, Nikis Rat zu haben, nicht in operativen Angelegenheiten, sondern mehr in Bezug auf den Gesamtkontext, und nach mehr als vier Jahrzehnten im Sport war die Perspektive Nikis grosses Geschenk – auch wenn er oft eindeutig in seiner Umsetzung dieser Vision war!»
«Sein Vermächtnis ist immens», so Brawn.
«Er war als Fahrer auf höchstem Niveau erfolgreich und brachte später seinen kompromisslos logischen Ansatz in seine unternehmerischen Abenteuer ein. Ich erinnere mich, dass er manchmal die Manager seiner Fluggesellschaft zu den Rennen mitgebracht und Parallelen zur Formel 1 genutzt hat, um sie zu grösseren Erfolgen zu führen. Er war ein wichtiger Teil der Entwicklung des Teams, das derzeit die Formel 1 dominiert und das wahrscheinlich am erfolgreichsten in der Geschichte des Sports werden wird.»
«Nikis Verlust ist für die Formel 1 von grosser Bedeutung. Unser Sport dreht sich um Persönlichkeiten, die grösser sind als das Leben, und Niki war einer der beachtlichsten Charaktere im Rennsport. Seine Anwesenheit im Fahrerlager erinnerte daran, dass die Formel 1 ein Heldensport ist, eine Arena für Athleten, die in Sachen Power und Ausdauer die Grenzen sprengen und einen überragenden Höhenflug hinlegen. Einfach gesagt, er war eine Legende», sagt der Ingenieur zum Schluss.