Dieter Quester: Der Nimmermüde wird 80
Ich fragte ihn, wie er seinen «runden» Geburtstag feiern werde. Dieter antwortete: «Unsere nächsten Rennprojekte sind...» Das war vor 20 Jahren – vor seinem 60er. Und das ist jetzt auch nicht anders. Dieter Quester, Rennsport-Legende, die einzige mit Erfolgen zu Wasser und zu Land mit zwei und vier Rädern, wird am heutigen Donnerstag, 30. Mai, 80. ACHTZIG!!!
Quester wird in Salzburg feiern (gefeiert werden), das (historische) Gaisbergrennen hat auch Geburtstag an diesem Wochenende. Es ist nur zehn Jahre älter als Dieter. Unglaublich. Wir unterhielten uns mit dem Nimmermüden über gestern, heute und morgen.
Stimmt die legendäre Geschichte um das Rennen als Baron von Münchhausen?
Ja. Das war noch in der Motorradzeit, eines meiner allerersten Rennen in den frühen 1960ern auf dem Seiberer in der Wachau. Meine Eltern waren auch dort, was ich wusste, darauf fiel mir nichts anderes ein, als unter Pseudonym anzutreten. Die Lizenz für den «Baron» wollten sie mir bei der OSK (Sportbehörde, Anm.) gar nicht ausstellen. Ich hatte Riesenprobleme damit, aber es ging irgendwie. Ich hab mir diese Unterlagen bis heute aufgehoben!
Was waren die Gründe für den Umstieg von Motorboot auf Motorrad und dann auf Autos?
Im Motorboot konnte ich fast alles gewinnen, war zwei Mal Europameister in mehreren Klassen. Das Interesse liess bald nach. Zum Leidwesen meines Vaters, der wollte mich weiter im Boot sehen, er betrachtete diese als sicherer als Motorräder oder Autos, obwohl es damals genug Tote auch im Rennboot gab. Das Drama vieler Unfälle damals war, wenn du in der Spitze lagst und einen Sturz hattest, konntest du wegen der Schwimmweste nicht untertauchen und liefst Gefahr, von den Nachkommenden erfasst zu werden. Ich fuhr am Ende der Boot-Karriere sogar noch einige Weltrekorde für BMW auf dem Comer See. Bei den Motorrädern fuhr ich NSU, Norton und mehr, aber ich wusste bald, das macht zwar Spass, aber mich reizten vier Räder. Motorradrennen waren ein Interregnum.
Was löste die Automobilkarriere aus?
Ein Rennen, vor dem ich einen ziemlich kaputten Porsche kaufte. Ein Spezialist bei Porsche Wr. Neustadt baute den Spyder wieder auf, ich fuhr in Aspern 1965 und konnte einige Arrivierte schlagen. Das war die Initialzündung. Später verkaufte ich den Porsche in die USA, mit dem Erlös kaufte ich mir einen Vorjahres-Werk-BMW TiSA, mit dem ich die österreichische Meisterschaft bestritt. Damit waren die Verbindung zu BMW und der erste Autotitel da. Dazu kam die Formel V, in der ich einige wichtige Rennen für Kurt Bergmann gewinnen konnte. Diese Zeit möchte ich nicht missen, denn sie eröffnete mir den Zugang in den Formelsport.
Wie ging es dann weiter?
Mit Tourenwagen. Ab 1967 war ich über 20 Jahre BMW-Werksfahrer, länger als jeder andere. In München kursierte der Witz, sie wollten einen ausgestopften Quester vor dem Vierzylinder (Konzernzentrale, Anm.) aufstellen, der bei jedem Besucher die Hand hebt und grüsst... Gleichzeitig begann 1969 die Formel-2-Zeit.
Du hattest kaum schwere oder folgenschwere Unfälle. Hattest du einfach Glück?
Zwei Mal ja, sehr viel. Das eine Mal in Le Mans im Osella als Partner von Tom Walkinshaw. Wir hatten schon drei Reifenschäden mit den Pirelli, der vierte war ein Reifenplatzer rechts hinten bei über 300 auf der Hunaudières. Ich flog links auf die Leitschiene, das Auto wurde auseinandergerissen, ich schlitterte im Vorderteil dahin. Der Motor und das Getriebe flogen über die Leitplanken in den Wald. Ich hatte nur Brustkorb-Prellungen.
Der zweite schwere Unfall war bei F2-Tests in Thruxton. Wir hatten ein neues Gurtsystem mit Drehknopf zum Öffnen. Ich hatte einen Überschlag in einen Graben hinein, blieb kopfüber liegen und brachte den Gurt nicht auf! Gleichzeitig lief Sprit aus. Hätte sich der entzündet, wäre es letal geworden. Die Mechaniker kamen nach ein paar Minuten, Streckenposten waren keine da. Ein dritter schwerer Crash war auf der Nordschleife ein mehrfacher Überschlag in Breidscheid, aber der Tourenwagen war schon damals ziemlich sicher, es passierte mir nichts.
Du hast also keinerlei Erfahrung in Rennspitälern?
Doch, einmal, als ich den Journalisten Helmut Zwickl in Daytona ins Spital begleitete, der war ausgerutscht und wurde genäht. Ich liess mir bei dieser Gelegenheit Nähte entfernen, aber die waren von einem Unfall ausserhalb des Rennsports. Ein Rettungsauto sah ich nie von innen.
Du giltst immer noch als Fitnesswunder. Wie kam es dazu?
Ich dachte mir schon lang bevor ich Willi Dungl kennenlernte: Du musst etwas tun. Das war nicht ausgesprochen für den Motorsport, sondern aus allgemeiner Freude am Sport. Ich merkte aber, dass mir Sport für die Rennen gut täte. Da war aber kein System dahinter, alles autodidaktisch. Anfang der 1980er lernte ich Willi kennen und steigerte mich auf ein Niveau, das für viele andere Motorsportler Vorbild wurde, von Stuck bis Laffite. Der Willi arbeitete ja auch mit Niki (Lauda), er wurde die Anlaufstelle für Motorsportler. Mit mir war er oft in Le Mans, da war er irgendwie eine Versicherung für mich.
Du feierst den Achtziger, Niki Lauda wurde heuer 70, Dietrich Mateschitz 75, Walter Lechner wird 70 und Gerhard Berger 60. Ein Jubiläumsjahr, zuletzt aber mit traurigem Ereignis...
Es war irgendwie nicht unerwartet, dass diese traurige Nachricht über Niki kommen würde, und dennoch war es für mich wie ein Hammer. Für mich war Niki nicht nur Österreichs grösster Motorsportler, sondern der grösste Österreicher der Gegenwart überhaupt. Der Niki ist für immer unersetzbar. Was er alles erreichte, in ganz unterschiedlichen Bereichen, ist einzigartig. Ich muss jetzt anfügen: Am unwirklichsten, unglaublichsten ist für mich, dass der Gerhard 60 wird. Wir sind ja einige Rennen gemeinsam gefahren, aber dass das so lang her ist, das kann ich fast nicht glauben.
Aus eigner Sicht: Was waren deine besten Rennen?
In jedem Fall das Hockenheimrennen in der Formel 2 1970, der Sieg gegen Regazzoni und Cevert, den ich dank Reaktionsschnelligkeit gewann. In der EM wurde ich dann Dritter, weil ich im Finale in Vallelunga einen Dreher hatte, sonst wäre ich Vize geworden. Ich schätze danach jene Rennen am höchsten ein, die ich im Alter von 50 und darüber gewann, einige 24-Stunden-Marathons, vor allem die Siege in Spa-Francorchamps. Auch Platz 3 in Sebring 1985 im Porsche 962 mit Pete Halsmer und Rick Knoop war sehr gut.
Führst du eine Rennstatistik?
Wir haben einmal versucht aufzulisten, hundertprozentig kamen wir nicht hin. Aber es werden so um die 1300 ohne Motorboot sein. Stolz bin ich auf meine 24-Stunden-Rennen, das waren mit den historischen so um die 70... Die machten mir am meisten Freude, weil der Fahrer viel mehr Anteil am Erfolg hatte als bei Sprintrennen.
Mit welchen Konkurrenten entwickelte sich eine echte Freundschaft?
Eigentlich nur wenige: Toine Hezemans, Strietzel (Stuck), Derek Bell, John Fitzpatrick.
Der Krach mit John Surtees nach dem Formel-1-Debüt auf dem Österreichring, der auch schon das Ende der F1-Karriere auslöste, war wohl auch ein Glücksfall...
Das Zünglein an der Waage war Ernie Huppert, ein Österreicher, der für Surtees arbeitete. Mit John war nach dem neunten Platz auf dem Österreichring 1974 alles abgesprochen für die drei restlichen Saisonrennen. Ich wurde in einem TV-Interview über die Situation bei Surtees befragt, und ich sagte, er sei schon ein Schlitzohr, weil er nicht alles, was er zugesagt hatte, gehalten hatte, drei Autos statt zwei zum Beispiel, und keine Ersatzteile. Huppert erzählte ihm dies. Ich war out, Surtees und Huppert holten Helmut Koinigg, der dann in Watkins Glen tödlich verunglückte, in dem Auto, in dem ich hätte fahren sollen. Koinigg war einer der sympathischsten Kollegen.
Was hatte damals der F1-Einsatz auf dem Österreichring bei Surtees gekostet?
350.000 Schilling. Das waren noch Zeiten.
Hast du dich später mit Surtees ausgesprochen?
Ja. Bei einer FIA-Feier in England. Wir hatten danach ein sehr gutes Verhältnis.
Was waren deine Lieblingsstrecken – und Lieblingsautos?
Bei den Strecken. Daytona! Dann Sebring. Ich fuhr einfach gern in den USA, weil es ganz anders war als bei uns. Viel mehr Fan-Nähe, mehr Begeisterung. In Europa die Nordschleife und der alte Österreichring – der eigentlich sehr gefährlich war. Und bei den Autos die BMW im Tourenwagensport, aber auch die Le-Mans-Sportwagen.
Welche Erinnerungen hast du an den Gaisberg?
Vor allem ein Schlüsselerlebnis. Mein grösster Konkurrent im Tourenwagen war damals, ich glaube 1966, Josef Schnitzer. Der hatte ein perfektes Auto. Ich musste Gewicht sparen, Sprit rausnehmen, alles versuchen. Da ging mir nach der Zistelalm der Sprit aus. Die gravierenden Erlebnisse waren die mit den «Papierautos». Bergspyder mit 400 Kilogramm, Porsche gegen BMW, der Porsche war bei rund 370 Kilogramm, in drei Sekunden auf 100 km/h, dünnste Rohrrahmenkonstruktionen.
Mitter, Stommelen, Scarfiotti, und wie sie alle hiessen, keiner machte sich Gedanken, was bei einem Unfall passieren würde. Von der Zistel bis zur Spitzkehre war links die Felsmauer und rechts der Abgrund, wir erreichten dort rund 200 km/h. Auch ich dachte mir erst viel später, ja warst du denn verrückt? Das Wettrüsten war ein Wahnsinn damals. Ich konnte mich zwischen Stommelen und Mitter schieben, aber Porsche hatte eigentlich immer die Nase vorn. 1969 bei Pelizzonis Todessturz war ich nicht mehr dabei. Insgesamt waren diese Bergrennen immens gefährlich – keine Sicherheit, weder an der Strecke noch in den Autos.
Abschliessende Frage: Ist die Karriere beendet?
Nein. Im November fahren wir die historischen 24 Stunden von Daytona. Wir bereiten den Porsche schon vor. Das ist ein 911er, mit dem wir Anfang 2000 noch «modern» fuhren. Jetzt ist das schon ein «Historischer». Mein Partner ist wieder mein alter Spezi Luca Riccitelli. Der wurde auch ein Freund von mir. Mir macht schon der Weg, also die Vorbereitung viel Freude. Der Wagen wird von Porsche USA betreut, und mit Thomas Überall (Red Bull, Anm.) muss ich noch das Sponsoring aushandeln. Dann werde ich noch einige historische Events bestreiten, die Ennstal Classic und die Trofeo Nuvolari.