Formel 1: Abschied in der Unterhose

John Watson zu Niki Lauda: «Mein Freund, mein Gegner»

Von Rob La Salle
​Der Nordire John Watson (73) ist jahrelang an der Seite von Niki Lauda gefahren, zunächst bei Brabham-Alfa Romeo, später bei McLaren. Der fünffache GP-Sieger erzählt von «meinem Gegner, meinem Freund».

John Watson hat etwas geschafft, was unter Formel-1-Fahrern selten ist: Er ist neben einem absoluten Spitzenpiloten angetreten und hat es geschafft, mit ihm dennoch in Freundschaft verbunden zu bleiben. Der Nordire, heute 73 Jahre alt, hat vier seiner fünf Siege als Stallgefährte von Niki Lauda bei McLaren errungen und bringt sein Verhältnis mit dem Wiener so auf den Punkt: «Wir sind für die gleichen Teams gefahren, wir sind gegeneinander gefahren, aber wir sind bis zu seinem Tod Freunde geblieben.»

Der WM-Dritte von 1982 hat Lauda immer bewundert. «Seine Qualitäten, Fähigkeiten und Errungenschaften werden völlig zu Recht gerühmt, ich würde noch gedankliche Klarheit und Pragmatismus hinzufügen», so John Watson im Guardian. «Niki war mit einer ausgeprägten Bauernschläue ausgerüstet, und ich halte sein Comeback nach dem Feuerunfall vom Nürburgring für eine der mutigsten Taten, die je ein Sportler vollbracht hat.»

«Wir haben uns im Rahmen der Formel-2-WM 1971 kennengelernt, damals fuhr Niki für March. Es gab das berühmte Lauda-Kapperl bereits, damals mit dem Schriftzug einer Bank, und wenn er mit einem Porsche 911S samt bildschöner Freundin ins Fahrerlager gerauscht kam, dann war das eine Schau.»

«Es wurde bald klar: Der Kerl kann nicht nur sauschnell autofahren, er weiss auch, wie man einen Rennwagen abstimmt, und das wiederum lag zu einem grossen Teil daran, dass er sich mit den Technikern auf Augenhöhe traf. Dazu kam: Den Platz bei March erhielt er, weil er sich in Österreich das Geld dazu beschafft hatte, er wusste also auch, wie man die finanziellen Mittel aufbringt, um sein Talent zeigen zu können.»

«Im Grunde war es klar, dass er früher oder später bei einem Top-Team landen würde, und das war 1974 Ferrari. Ein Jahr später war er Weltmeister. Es war fast so, als hätte er sich das alles in einem grandiosen Plan zurechtgelegt und hakt nun ein Ziel nach dem anderen ab. Es schien immer, als wüsste er ganz genau, was er als nächstes machen wird.»

«Der Feuerunfall 1976 auf dem Nürburgring: Ich kam kurz nach dem Crash zur Unfallstelle. Einige Fahrerkollegen hatten ihn zum Glück aus dem Wagen holen können, nun lag er da im Gras, wenige Meter entfernt schwelte der zerschmolzene Ferrari vor sich hin. Ich legte seinen Kopf in meinen Schoss. Er war hellwach und ansprechbar, ich wollte, dass das auch so bleibt. Was uns nicht klar war: Die Verbrennungen waren nicht das Lebensgefährliche, sondern die giftige, heisse Luft, die Niki eingeatmet hatte, seine Lungen waren schwer beschädigt.»

«Typisch Lauda, dass er sich vom Unfall und den Folgen nicht aufhalten liess. Er hat später gesagt, er könne nicht beeinflussen, was der Körper macht, aber er könne sehr wohl beeinflussen, was der Geist tut, also sagte er sich: ‚Rappel dich gefälligst auf!’»

«Nach nur zwei Rennen wieder im Renncockpit zu erscheinen, das war einfach unfassbar. Ich meine, es war eines, die körperlichen Verletzungen wegzustecken, aber wie er das mental verarbeitet hat, war mir schleierhaft. Es war eine Herkules-Leistung, so bald nach dem Unfall wieder in einen Rennwagen zu klettern. Nikis Kopf war noch immer geschwollen, er musste eine grössere Helmnummer wählen, um überhaupt einen Kopfschutz aufsetzen zu können, und er blutete noch immer.»

«Während der ganzen Zeit blieb sein Verstand messerscharf. Ich weiss noch, wie er mit 1976 zu meinem ersten GP-Triumph gratuliert hat, auf dem alten Österreichring, ‚denn du hast James Hunt am Siegen gehindert’.»

«Wir sind 1978 zum ersten Mal im gleichen Team gefahren, das war bei Brabham. Er hat genau gewusst, wie man sich in einem Team das beste Material sichert. Sein Talent hinter dem Lenkrad war nur eine der Qualitäten, die ein Formel-1-Rennfahrer braucht, um Weltmeister zu werden. Niki hat meine Ansicht aufs Rennfahren verändert. Ich hatte immer gedacht, es gehe um das Duell von Athleten, Mann gegen Mann, Rad an Rad. Er zeigte mir: Um sich wirklich von den Anderen abzuheben, musst du viel mehr Qualitäten in die Waagschale legen. Kommunikation, Schärfe, um die Dinge beim Namen zu nennen, Aufmerksamkeit für technische Details.»

«Gleichzeitig hat es wahnsinnigen Spass gemacht, in seiner Nähe zu sein. Ich musste immer ein wenig schmunzeln, wenn die Menschen ihn als kalt beschrieben haben, als roboterhaft, als Rechner. Das stimmte überhaupt nicht. Wenn wir zusammen essen gegangen sind mit dem damaligen Brabham-Chef Bernie Ecclestone, dann hat Niki von uns allen am meisten gelacht. Er hatte einen riesigen Sinn für Humor. Und er war herrlich indiskret.»

«Wir sind dann noch einmal im gleichen Rennstall gefahren, das war 1982 und 1983 bei McLaren, 1984 hat er im McLaren seinen dritten Titel erobert. Sein erster Titel war eine wichtige Bestätigung, aber wenn du drei WM-Titel erkämpfst, dann ist auch dem Letzten klar – Zufall war das keiner.»

«Ich besuche nicht mehr so viele Rennen. Aber wenn ich in den letzten Jahren zu einem WM-Lauf gekommen bin, dann war Niki immer eine Anlaufstation. Wir haben uns dann auf einen Kaffee hingesetzt. Niki liebte seinen Kaffee, und er war auch einem Whisky nicht abgeneigt. Dann haben wir getratscht. Das sind schöne Momente gewesen, die ich im Herzen trage wie einen Schatz. Ich habe ihn sehr gemocht, und ich habe gewusst, er mag auch mich. Ich werde ihn sehr vermissen.»

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