Formel 1: Abschied in der Unterhose

Pietro Fittipaldi: Wenn der Name verpflichtet

Von Andreas Reiners
Pietro Fittipaldi

Pietro Fittipaldi

In der DTM ist mal wieder ein großer Name unterwegs. Und Pietro Fittipaldi hat sich im Tourenwagen schnell eingelebt. Das große Ziel ist aber die Formel 1.

Emerson Fittipaldi erinnerte sich sofort. So lange ist sein DTM-Einsatz ja auch noch gar nicht her: 2005 war es, als der zweimalige Formel-1-Weltmeister in einem Legendenrennen selbst im Mercedes, Audi und Opel saß. Im Alter von 58 Jahren. 14 Jahre später erobert nun sein Enkel Pietro die Tourenwagenserie.

Und klar: Ein paar Tipps gab es für den Enkel auch mit auf den Weg, wie der 22-Jährige SPEEDWEEK.com verriet. «Das waren allgemeine Dinge. Was den Ansatz mit dem Rennteam betrifft, wie man ein Wochenende angeht, ein Rennen, das Setup. Das hilft.»

Er ist in seiner noch jungen Karriere zwar schon herumgekommen, saß im IndyCar, im Formel-E-Auto, fuhr in der WEC, Super Formula oder als Haas-Testfahrer in einem Formel-1-Boliden.

Doch DTM ist wieder etwas anderes, der Tourenwagen bedeutet eine ganz neue Herausforderung. Die ganzen Abläufe, mal wieder ein geschlossenes Rennauto, die Hitze, das Reifenmanagement, Rad-an-Rad-Duelle, dich hintereinander her.

Aber auch das kurze Qualifying, die diversen Strategien, die harte Konkurrenz, es ist alles eng zusammen. «Das alles zu verstehen, zusammenzubringen und zu maximieren ist die Herausforderung», sagte er: «In der DTM sind die Rennen unglaublich. Das ist echt geil, Seite an Seite, man kann sich berühren, direkt hintereinander fahren. Das ist cool.»

Der Brasilianer hat sich schnell eingelebt im Audi-Kundenteam WRT. Hat von Anfang an Gas gegeben, zum Auftakt in Hockenheim einen und in Zolder zwei Punkte geholt. «Wir haben das Potenzial für mehr», stellt er klar.

«Dann will er zu schnell zu viel»

«Manchmal muss man ihn aber noch etwas einfangen», sagt Audis Motorsportchef Dieter Gass SPEEDWEEK.com: «Dann will er zu schnell zu viel.» Fittipaldi weiß das, auf der einen Seite zählt er es zu seinen guten Eigenschaften, dass er extrem ehrgeizig ist. «Auf der anderen Seite bin ich aber extrem schnell frustriert, wenn es nicht läuft. Und dabei geht es nicht immer nur um Racing.»

Aber klar: Fittipaldi und sein Teamkollege Jonathan Aberdein können sich empfehlen, sind theoretisch die ersten Kandidaten, wenn ein Werkscockpit frei werden sollte. Wenn er es denn überhaupt will.

Denn keine Frage: Pietro hat die Formel 1 im Visier, fuhr zuletzt in Barcelona mal wieder Testrunden, am kommenden Wochenende lässt er die DTM in Misano sausen, weil er in Kanada beim Haas-Team sein muss.

Ein Vergleich der beiden Autos «wäre nicht fair, ein Tourenwagen ist zum Beispiel viel schwerer. Die Power in einem DTM-Auto ist gut, die Beschleunigung ist aber nicht so groß. Dafür muss man etwas geschmeidiger mit dem Auto umgehen.»

Spaß machen beide, auf ihre Art. «Das Formel-1-Auto ist unglaublich, es hat so viel Grip, das Bremsen, der Speed, auch in den Kurven. Aber in der DTM sind die Rennen unglaublich. Das ist echt geil, Seite an Seite, man kann sich berühren, direkt hintereinander fahren. Das ist cool.»

Für ihn ist der große Name keine Bürde, sondern Berufung. Antrieb. Hilfe. Ein Privileg. «Natürlich hat mich mein Großvater inspiriert», sagt Pietro: «Es ist eine Ehre für mich, diesen großen Namen zurückzubringen.»

Zum Motorsport kam er vor allem durch die zweite Generation. Während er aufwuchs, schaute er Christian Fittipaldi (Sohn von Emersons Bruder Wilson) und Onkel Max Papis beim Rennen fahren zu, bei den 24 Stunden von Daytona zum Beispiel. Da war Pietro vier Jahre alt. Zu dem Zeitpunkt bekam er sein erstes Go-Kart. Was bedeutete: Feuer frei. Feuer frei für einen etwas ungewöhnlicheren Weg. Unorthodox. Dafür nicht weniger erfolgreich.

Pietro, Sohn von Emerson Fittipaldis Tochter Juliane, suchte sein Glück in den USA, bevor er nach Europa kam. Bis 2012 war er im Kartsport unterwegs, ehe er sich in diversen Formelserien versuchte und erste Erfolge feierte. 2014 gewann er die Protyre Formula Renault Championship, 2015/16 die MRF Challenge Formula 2000, 2017 dann die World Series Formula V8 3.5.

Nach einem Test im Langstrecken-Porsche im November 2017 in Bahrain wechselte er als Teilzeit-IndyCar-Fahrer zu Dale Coyne wieder nach Amerika, dazu trat er für Dragon Speed in der Langstrecken-WM an.

Heftiger Crash

Im Mai 2018 dann der Rückschlag. Horrorcrash beim WEC-Qualifying in Spa in der berühmt-berüchtigten Eau Rouge, beide Beine gebrochen. Ohne Frage war das der heftigste Moment seiner Karriere. «Wie ich da im Auto saß, an mir herunterschaute und meine Beine, die Knochen gesehen habe», erinnert er sich.

Anschließend die mühselige Reha. Schmerzen. Quälerei. Comeback. Im Auto spürt er die Verletzung nicht mehr, beim Joggen schon. Doch auch das wird, Fittipaldi ist ein Kämpfer. Denn seitdem hat er es zum Formel-1-Testfahrer und DTM-Stammpiloten geschafft.

Spürt er keinen Druck? Die Erwartungen? Die gestiegene Aufmerksamkeit? «Ich fühle keinen Druck. Druck ist immer da. Es gibt niemanden, der mehr Druck auf mich ausüben könnte, als ich es selbst tue.» Auch der große Name nicht.

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