Patrick Head (Williams): Rückschritt als Fortschritt
Patrick Head mit seiner Ehefrau bei den Autosport Awards
Für Formel-1-Sportchef Ross Brawn steht fest: «Ganz elementar für die Königsklasse wird sein, wie gut die Piloten gegeneinander kämpfen können.» Grundlage dazu ist die neue Aerodynamik. «Wenn wir die Weichen zu einer besseren Zukunft der Formel 1 stellen wollen, dann ist das nur möglich, indem wir elementare Probleme anpacken und sie lösen.» Und diese Probleme umriss der Brite so:
Rennfähigkeit: Die Autos müssen ermöglichen, dass Fahrer einander dichtauf folgen und angreifen können.
Leistungsdichte: Der Abstand vom Ersten bis zum Letzten muss kleiner werden.
Finanzielle Nachhaltigkeit: Der Sport muss finanziell gesünder werden, die Kosten müssen dazu runter, ein Rennstall muss überleben können.
Umwelt: Die Formel 1 soll ein Technik-Turbo für Strassenauto-relevante Bereiche sein.
Ästhetik und Leidenschaft: Die Rennwagen sollen schon im Stillstand schnell und aggressiv aussehen.
Ross Brawn weiter: «Beim Thema Überholen steht und fällt alles mit der Aerodynamik. Uns war klar, dass wir es schaffen müssen, die Autos aerodynamisch weniger sensibel zu machen. Der ganze Wagen soll entrümpelt werden, also ohne diese ganzen Zusatzflügel überall.»
Erzielt wird das mit diesen vier Schlüsselpunkten:
Vereinfachter Frontflügel, der weniger Luftwirbel erzeugt.
Keine seitlichen Luftleit-Elemente mehr.
Das Auto ist als Flügelauto ausgelegt, will heissen: Abtrieb wird vorwiegend über den Unterboden erzeugt, mit einem langen Diffusor, nicht mehr wie zuvor vorwiegend über die Flügel.
In aerodynamisch sensiblen Bereichen werden Teile vereinheitlicht.
Eine Grafik der Formel 1 zeigt: Eine Wagenlänge hinter dem Gegner verliert ein Auto heute fast die Hälfte des Abtriebs, mit dem neuen Reglement sind das laut F1-Berechnung noch 14 Prozent.
Bei drei Wagenlängen verliert heute ein Auto gut ein Drittel des Abtriebs, 2021 werden es 6 Prozent sein.
Formel-1-Urgestein Sir Patrick Head hat früher mit dem jungen Ross Brawn gearbeitet. Der inzwischen 73jährige Head hat sich das alles in Ruhe angeschaut, was Brawn und seine Spezialisten aufgegleist haben. Auf der Bühne der Preisverleihung «Autosport Awards» sagte er dazu in London: «In gewisser Weise ist das alles rückschrittlich, wenn wir uns die Situation aus der Perspektive des Ingenieurs anschauen. Das ist bedauerlich. Aber es war gleichzeitig auch unvermeidlich. Denn der Motorsport ist zu teuer geworden. Der Unterschied zwischen den Top-Teams und allen Anderen ist zu gross. Wir müssen den Rennsport verbessern, und dabei haben die entsprechenden Leute einen guten Job gemacht.»
«Ein Rückschritt aus Sicht des Technikers wird für den Sport ein Fortschritt sein. Ich finde es nicht unfair zu behaupten, das Niveau flache ab. Aber die ein wenig schlaueren Ingenieure werden immer Mittel und Wege finden, etwas besser zu machen als ihre Arbeitskollegen. Leider geht das alles auf Kosten von Freiheiten, die wir noch hatten, als ich Technikchef war.»