Neues Rätsel Racing-Raritäten: Der Sohn des Windes
Meist aus dem Archiv unserer Partner der britischen Foto-Agentur LAT stellen wir bekanntlich jede Woche ein kleines Stück Motorsporthistorie vor. Das Vorgehen ist kinderleicht – sagen Sie uns, wer zu erkennen ist, wo und wann das Bild entstand (Beispiel: Jo Siffert, Monza, 1970) und gewinnen Sie mit etwas Glück einen kleinen Preis. Bitte Namen, Adresse, Geburtsjahr und Telefonnummer nicht vergessen. Schicken Sie Ihre Lösung an: mathias.brunner@speedweek.com. Einsendeschluss ist jeweils Sonntag der laufenden Woche, 24.00 Uhr.
Die Lösung vom letzten Mal: Wir sehen den Lotus 96, der Mitte der 80er Jahre für die IndyCar-Serie gebaut wurde, aber nie zum Renneinsatz gekommen ist. Jahre später zeigte Lotus selber den Wagen am Firmensitz Hethel (zu Anlass von 50 Jahren Lotus), wieder aufgetaucht ist der grüne Renner aus seinem Dornröschen-Schlaf im Rahmen des «Goodwood Festival of Speed» von 2012, wo er von vielen Fans bestaunt wurde.
Ausgeheckt wurde das IndyCar-Projekt 96 vom früheren Formel-2-Teamchef Roy Winkelmann (2011 im Alter von 81 Jahren verstorben). Winkelmann hatte sich im Rennsport einen Namen mit privat eingesetzten Brabham-Rennern gemacht, die – vor allem mit Jochen Rindt – Ende der 60er Jahre zahlreiche Erfolge einfuhren. Als einige Mitarbeiter 1969 das Team verliessen, um den neuen March-Rennstall zu gründen, wanderte Winkelmann nach Amerika aus.
In den USA beobachtete der clevere Geschäftsmann Winkelmann, wie sich die CART-Serie formierte (Championship Auto Racing Teams). Schnell entwickelt sich CART zur angesagten und populären Einsitzerserie (später ChampCars und IndyCars). Viele Rennställe setzten damals Kundenrenner von March oder Lola ein, aber Winkelmann dachte sich, er hätte als Werksteam bessere Chancen.
Ein erstes Projekt, um für Motorenbauer Cosworth ein Chassis anzufertigen und einzusetzen, scheiterte. Die Cosworth-Kunden fürchteten, dass Winkelmann eine Sonderbehandlung erhalten würde.
Bei Lotus fielen die Pläne von Winkelmann auf fruchtbareren Boden. Unter der Leitung von Gérard Ducarouge baute Lotus den 96 (oft auch 96T genannt). Ducarouge leitete viel von seinen Formel-1-Rennern ab, allerdings mit erheblich verstärktem Chassis, weil bei Rennen wie in Indianapolis die Gefahr besteht, dass ein Auto mit 300 km/h auf eine Betonmauer trifft. Die Kohlefaser/Kevlar-Sandwich-Konstruktion des GP-Lotus 95T wurde geändert, indem eine Alu-Honigwaben-Struktur ins Sandwich eingearbeitet wurde. Das war konstruktiver Grundstein für spätere Formel-1-Lotus.
Die CART-Teamchefs waren gar nicht begeistert, dass ein Werks-Platzhirsch in ihr Gehege kommen sollte, sie begannen, Druck auszuüben. Winkelmann tat sich schwer, Geldgeber zu finden. Fahrer waren zögerlich, auf die im IndyCar-Sport Unbekannte namens Lotus zu setzen. Ein Prototyp wurde bei Lotus gebaut, kam aber nie zum Einsatz.
Der Australier Gene Varnier meldet sich zum Projekt 96 in einem Forum unserer Kollegen von Autosport mit folgenden Worten: «Die Haupt-Designer des Wagens waren Martin Ogilvie und ich. Wir erledigten die Konstruktion in der ersten Saisonhälfte 1984, während wir uns gleichzeitig um den Lotus 97 für die Formel-1-Saison 1985 kümmerten. Der 96 war das erste komplette Composite-Chassis. Die Amerikaner hatten jedoch Bedenken ins Sachen Zweitaufprall und erklärten solche Chassis zur Saison 1985 hin für illegal.»
«Der Wagen wurde in einem schönen British Racing Green lackiert, an der Seite kamen gelbe Team-Lotus-Buchstaben, ganz im Stile der Lotus-Renner in den 60er Jahren. Der einzige Test mit dem 96 bestand darin, dass wir ihn in den Windkanal stellten. Ein Cosworth-Motor im Heck wurde nie angelassen, nicht mal im Rennwagenwerk, geschweige denn gab es Testfahrten. Der Rennwagen blieb im Besitz von Classic Team Lotus.»
Der damalige Lotus-GP-Fahrer Ayrton Senna wurde angesprochen, ob er dieses Auto fahren würde. Der spätere Weltmeister meinte zu Varnier: «Keine Chance, die Jungs da drüben sind alle verrückt.»
Anfang der 90er Jahre testete Senna dann tatsächlich ein IndyCar, auf Empfehlung des Penske-Stars Emerson Fittipaldi. Aber IndyCar-Rennen ist der legendäre Senna nie gefahren.
Schlusswort von Gene Varnier: «Schade, dass aus diesem Projekt nie etwas geworden ist, das war eine feine Sache.»
Damit zum neuen Rätsel: In Jahren vor und nach dem Einsatz mit diesem Auto wurde der gezeigte Fahrer Weltmeister, an diesem Wochenende jedoch stand diesem Sohn des Windes das Glück auf ganz andere Weise zur Seite.
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