Williams 2020: Endlich ein Weg aus der Krise?
Williams will in Australien konkurrenzfähiger sein als 2019
Endlich wieder einmal eine gute Nachricht vom krisengeschüttelten Williams-Rennstall: Unter den Augen von Teamgründer Sir Frank Williams ist im Rennwagenwerk von Grove der Motor des 2020er Renners angelassen worden. Am 17. Februar wird das neue Auto von George Russell und Nicholas Latifi im Internet präsentiert, zwei Tage später soll es auf den Circuit de Barcelona-Catalunya hinausrollen.
Die neunfachen Sieger des Konstrukteur-Pokals profitierten zu Beginn der Turbohybrid-Ära vom Bonus durch den bärenstarken Mercedes-Motor: 2014 und 2015 wurde der Rennstall jeweils WM-Dritter, dann begann der Absturz – nach den Rängen 5 in den Jahren 2016 und 2017 wurde Williams zwei Mal Letzter, 2019 konnte in 21 Rennen eben mal ein kümmerlicher Punkt eingefahren werden.
Vor einem Jahr blamierte sich das stolze Williams schon zu Beginn der Wintertests bis auf die Knochen. Teamchefin Claire Williams musste zugeben – der neue Wagen wird nicht rechtzeitig fertig!
Wie tief ist dieses Williams gefallen. Als GP-Neuling George Russell mit zwei Tagen Verspätung zur ersten Runde im neuen Williams FW42-Mercedes auf die Barcelona-Bahn ging, brandete spärlicher Applaus durch den Mediensaal – schwer zu sagen, ob es Zeichen des Respekts war oder des Mitleids.
Teamchefin Claire Williams: «Das Auto ist da, das ist für uns eine gewaltige Erleichterung. Furchtbare Tage wäre eine Untertreibung dessen, was wir erleben. Der FW42 hatte eine sehr schwierige Geburt aber endlich ist der Wagen auf die Bahn, und wir können mit der Arbeit beginnen.»
Mercedes-Zögling George Russell fuhr eine Installationsrunde, dann verschwand das neue Auto wieder in der Box. Vielleicht passte es, dass zur Premiere ausgerechnet Formel-2-Fahrer Russell am Lenkrad sass, denn gemessen an der ausgeklügelten Aerodynamik der gegnerischen Fahrzeuge sah der neue Williams wie ein F2-Auto aus. Mit einer so hemdsärmeligen Aerodynamik ausgerüstet hatten die Briten so viele Chancen wie eine Kreisliga-Elf gegen Bayern München.
Williams geniesst als Traditions-Team grossen Respekt. Niemand will Williams am Boden sehen. Es kommt mir vor, als würde ein alternder Boxer im Ring stehen, ein früherer Weltmeister, jetzt aber mit grauem Haar und müdem Blick. Kein echter Sportfan möchte, dass dieser Mann vermöbelt wird.
Es wurde in Katalonien viel gemunkelt, bis hin zum verblüffenden Gerücht, der Rennstall habe kurz vor einer ausgewachsenen Meuterei der Mitarbeiter gestanden. In Spanien nahm Claire Williams dazu Stellung: «Ich habe nicht besonders auf all diese Spekulationen geachtet, die über uns verbreitet werden. In einer solchen Situation ist es naheliegend, dass gemutmasst wird. Bei uns selber gibt es keine Schuldzuweisungen. Wir wollen keine Energie mit so etwas vergeuden. Jetzt ist vielmehr die Zeit, um noch näher zu rücken. Natürlich sind wir dabei, besser zu verstehen, wieso wir mit Verspätung beginnen mussten. Wir werden das ergründen und aus diesem Fehler lernen.»
Jeder Formel-1-Fan würde an dieser Stelle einwerfen: Und woran lag’s denn nun? Versemmelter Crash-Test? Fehlerhaft konstruierte Bremsen? Säumige Lieferanten?
Claire Williams verperrte den Blick hinter die Kulissen wie die Formel-1-Teams, welche diese jämmerlichen spanischen Wände vor die offenen Boxen rollen: «Es handelt sich wahrscheinlich um eine Kombination von Dingen. Wir wollen da nicht ins Detail gehen. Wichtig ist, dass wir hier sind. Wir kennen die Hauptschuldigen, hm, nicht die Hauptschuldigen, das ist das falsche Wort, eher die Hauptgründe, warum es zu dieser Verzögerung gekommen ist. Aber wir wollen das nicht breit treten. Wir waschen schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit. Das wäre nicht angemessen.»
Um Williams wurde kolportiert, und das Team bestätigte oder dementierte das nicht: Der Grund für die Verzögerung seien Probleme mit dem Crash-Test des Chassis gewesen. Es habe Schwierigkeiten mit Lieferanten gegeben. Der Produktionsplan sei schlampig entworfen gewesen. Es wird im Fahrerlager der katalanischen Piste auch kolportiert – die Daten aus dem Windkanal seien erschreckend. Es wird erzählt, falsch entworfene Teile hätten beim Zusammenbau nicht gepasst und mussten neu produziert werden.
Technikchef und Teilhaber Paddy Lowe wurde noch vor dem Saisonbeginn 2019 beurlaubt, im Juni war die Trennung vollzogen. Seine Mitarbeiter konnten den letzten WM-Schlussrang nicht verhindern.