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Formel 1 im Juli? Reines Wunschdenken der FIA

Von Günther Wiesinger
FIA-Chef Jean Todt

FIA-Chef Jean Todt

FIA-Präsident Jean Todt spricht davon, dass die Formel 1 im Sommer vielleicht wieder rollen könnte. Der Franzose träumt sogar von Grands Prix mit Fans. Das ist aus heutiger Sicht reines Wunschdenken.

Am 16. April haben die Formel-1-Teamchefs per Videokonferenz mit FIA-Chef Jean Todt, Formel-1-CEO Chase Carey und F1-Sportdirektor Ross Brawn verhandelt. Es ging vor allem um die Senkung der Budgetobergrenze.

Aber nicht nur. Angeschnitten wurde auch das Thema, wann sich in der Formel 1 wieder die Räder drehen könnten. Der 74-jährige Jean Todt, Präsident des Autosport-Weltverbands FIA, erweist sich dabei als überaus optimistisch, wie er in verschiedenen Interviews zum Besten gegeben hat. «Sollte die Saison im Sommer starten und bis Dezember dauern, dann haben wir fünf bis sechs Monate, in denen bis zu drei Rennen im Monat stattfinden könnten», gab er zu Protokoll. Der frühere Ferrari-Direktor sprach sogar von 2020er Rennen vor Zuschauern.

Derzeit steht noch immer der Große Preis von Frankreich vom 28. Juni im WM-Programm, aber er wird natürlich nicht statfinden. Sogar die Tour de France vom Juli wurde bereits verschoben! Denn der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat verkündet – keine öffentlichen Veranstaltungen bis Mitte Juli. In Belgien sind Grossveranstaltungen bis Ende August untersagt.

Als Szenario ist den Teamchefs bei der erwähnten Sitzung präsentiert worden: Rennen ohne Zuschauer, mit der Option, auf dem gleichen Kurs zwei Mal in Folge zu fahren. Die Rede war dabei vom Red Bull Ring und von Silverstone.

McLaren-CEO Zak Brown hat bei der BBC bestätigt: «Alles ist noch sehr vage. Aber wir reden darüber, dass wir in Österreich fahren würden und dann zwei Mal in Silverstone. Und dass alle europäischen Läufe als Geisterrennen durchgeführt würden. Um möglichst viele Rennen absolvieren zu können, macht es logistisch Sinn, auf dem gleichen Kurs zwei Mal zu fahren. Silverstone ist einer jener Kurse, die dafür im Gespräch sind.»
 
Mit Verlaub: Wie, bitteschön, soll das gehen? Das sind ja alles schöne Theorien, die einer nüchternen Betrachtung nicht standhalten, zumal allein in Großbritannien gestern wieder 861 Corona-Todesopfer gemeldet wurden. Und keiner weiß, ob Landesgrenzen bis dahin geöffnet werden und welche; oder ob Einreisende in bestimmten Ländern gleich mal als erstes für 14 Tage in Quarantäne müssen. Wenn die sieben britischen F1-Teams nach Spielberg reisen wollen, müssen sie drei Landesgrenzen überwinden. Und welches Land lässt die Briten im Juni einreisen, wenn dort die Herden-Immunität sorglos als weise Strategie verkündet wird?
 
Niemand kann sagen, ob Tests für 2000 bis 4000 symptomfreie Fachkräfte zur Austragung eines WM-Laufs zur Verfügung stünden, wie rasch sie ausgewertet werden können und ob überhaupt Versammlungen von mehreren Hundert Menschen bis dann erlaubt sein werden. «Social distancing» – auf dem Rennplatz und in den Boxen schwierig.

Die Frage, ob im Juni schon wieder Flugzeuge starten dürfen, ist auch bisher nicht beantwortet.
 
Wer will im kommenden Juli italienische Staatsbürger einreisen lassen, aus einem Land, in dem Mitte April mehr als 500 Menschen am Tag an der Lungenkrankheit Covid-19 sterben? Wie wollen die Teams von Ferrari und AlphaTauri oder von Zubehörfirmen wie Brembo und Pirelli nach Österreich oder England reisen?
  
Der österreichische Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen hat treuherzig erklärt, einem Geisterrennen Anfang Juli auf dem Red Bull Ring stünde nichts im Wege. Pardon, aber hat der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht öffentlich erklärt, dass es in Österreich und im restlichen Europa keine Reisefreiheit geben werde, so lange keine wirksamen Impfstoffe oder Therapien gegen Covid-19 vorhanden seien?

Außerdem will der österreichische Gesundheitsminister Rudi Anschober von den Grünen zuerst einmal vorrangig 130.000 besonders gefährdete Personen aus Alters- und Pflegeheimen testen lassen. Das wird mindestens zwei Monate beanspruchen.
 
Auch McLaren-Teamchef Andreas Seidl weiß: Am guten Willen aller Beteiligten mangelt es nicht. Aber die Virus wird nicht dadurch gebannt, dass FIA-Chef Jean Todt verkündet: «Wir wollen Rennen, wir brauchen Rennen.» 

Risikosportarten gelten vorläufig als verpönt, die Krankenhausbetten werden eventuell für eine zweite Infektionswelle benötigt.
 
Andreas Seidl sagt: «Was die Anzahl Läufe angeht, so sage ich einfach – so viele wie möglich, damit wir Einkünfte für die Teams generieren können. Wann das alles passieren kann? Da spielen verschiedene Faktoren mit hinein. Es müsste möglich sein, aus unseren Heimatländern aus- und auch wieder einreisen zu dürfen. Dann müssen in den Ländern mit Grands Prix solche Veranstaltungen überhaupt wieder erlaubt sein. Es stellt sich die Frage, wie wir in solche Länder hineinkommen sollen. Im Zentrum muss die Sicherheit und die Gesundheit der Menschen stehen. Die ist nur dann gegeben, wenn die Regierungen solche Anlässe erlauben.»
 
«Ich finde es auch wichtig, dass eine gewisse Akzeptanz da ist. Wir können doch nicht mit unserem Zirkus und Tausenden Leuten um die Welt ziehen, unter strengsten Sicherheitsmaßnahmen, und dann vielleicht im entsprechenden Land medizinische Kapazitäten binden, die dort für die eigene Bevölkerung gebraucht würden, Stichwort Corona-Tests. Das sind alles sehr viele offene Fragen. Daher ist  aus heutiger Sicht nicht zu sagen, wann die Formel 1 wieder rollen kann. Ich glaube, dass nach diesen Wochen des Lockdowns unter den Fans ein großer Appetit nach Sportveranstaltungen entsteht, aber letztlich dienen wir nur der Unterhaltung.»

Und für die Regierungen steht die schrittweise Ankurbelung der Wirtschaft natürlich völlig im Vordergrund.
 
Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko hat gegenüber dem ORF erklärt: Wenn in absehbarer Zeit überhaupt an ein Autorennen gedacht werden könne, dann nur unter Einhaltung strengster Auflagen. «Es muss entweder alle vier Tage ein Test da sein, der negativ ist, oder die Leute müssen 14 Tage in Quarantäne gehen. Ein Rennen in Österreich wäre das erste internationale Großereignis, das nicht digital stattfinden und entsprechende Resonanz finden würde. Gleichzeitig wäre es für die Formel 1 sehr wichtig. Weil auch sonst nichts los ist, würden die Bilder aus Spielberg und Österreich als Tourismusland um die Welt gehen. Das wäre ein unbezahlbarer Werbeeffekt.»
 
Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sagt: «Selbstverständlich begrüße ich es, wenn die Formel 1 auch in diesem Jahr am Red Bull Ring in der Steiermark ausgetragen wird. Auch in Zeiten der aktuellen Coronakrise dürfen wir die Zuversicht nicht verlieren», so Schützenhöfer gegenüber der APA.
 
Aber selbst die größten Träumer werden beispielsweise vom deutschen Außenminister Heiko Maas geerdet. Der 53-jährige SPD-Politiker sagt bei Bild-Live: «Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich überhaupt keinen Grund, die Reisewarnungen aufzuheben. In den meisten Ländern bestehen Einreisebeschränkungen, und selbst dort, wo eine Einreise möglich ist, muss man davon ausgehen, dass die Infektionen weiter ansteigen.»
 
Maas weiter: «Wir können die Reisewarnungen nur dann aufheben, wenn wir auch sicher sind, dass man da hin und von dort wieder weg kommt. Große Hoffnungen sollten sich die Menschen nicht machen. Derzeit gibt es da keine Hinweise auf eine Besserung.»
 
Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (53) rechnet nicht damit, dass die Menschen im kommenden Sommer fröhlich die Koffer packen können. «Reisen nach in Italien, Spanien und Frankreich halte ich für sehr unwahrscheinlich», erklärte der CSU-Chef.

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