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Graf Berghe von Trips: Der verlorene Weltmeister

Von Jürgen Schneider
Wolfgang Graf Berghe von Trips hat Einmaliges geschafft: Werksfahrer bei Mercedes, bei Porsche, bei Ferrari. Zeitzeuge Herbert Linge erinnert sich an den 1961 in Monza verstorbenen Adligen.

Wolfgang Graf Berghe von Trips hat eine unvergleichliche Karriere erlebt. Das Charisma des Deutschen hat viele Menschen berührt, und noch heute trauern sie um den 1961 in Monza zu Tode gestürzten Adeligen – auch Porsche-Urgestein Herbert Linge.

Der 93-Jährige sagt: «Ich sah von Trips das erste Mal 1951 auf dem Motorrad. Wir sind bei der sehr schwierigen ‘Schwäbischen Geländefahrt’ auf einer 500er BMW gegeneinander gefahren. Aber wir haben uns da noch nicht persönlich gekannt. Das kam erst später, als Porsche ihn als Versuchsfahrer zu Trainingsfahrten im Formel 2 auf den Nürburgring eingeladen hat. Dort stellten wir verwundert fest, dass wir schon einmal vor Jahren gegeneinander gefahren sind.»

«Wir haben uns sofort sehr gut verstanden, aber dann ist die Verbindung unterbrochen worden. 1952 wurde ich von Porsche nach Amerika geschickt, um den Kundendienst aufzubauen. Da war ich praktisch drei Jahre weg. Seine weitere Entwicklung habe ich natürlich verfolgt. Er war ganz klar einer der Top-Nachwuchsleute. Er ist ja auch bei Bergrennen angetreten und war sehr schnell, 1958 gewann er die Europa-Bergmeisterschaft.»

«Wolfgang Graf Berghe von Trips und Hans Herrmann waren 1955 Nachwuchsfahrer bei Mercedes. Die beiden wurden in der Öffentlichkeit damals sehr beachtet. Es war nicht selbstverständlich, dass so junge Fahrer ins Werksteam von Mercedes aufgenommen wurden. Sein fahrerisches Talent und die Freundschaft, die er zu anderen Kollegen gepflegt hat, die war natürlich auch groß.»

«Porsche fuhr damals mit von Trips in der Formel 2. Der Aufstieg in die Formel 1 war nicht sicher, denn Herr Porsche war eigentlich dagegen. Er sagte immer: ‘Unser Aushängeschild ist der Sportwagen und nicht die Formel 1.’ Aber für von Trips war klar, dass er dann zu Ferrari geht.»

Herbert Linge war tief beeindruckt vom Charakter des Grafen: «Er hat sich nie etwas auf seine Namen und seine Herkunft eingebildet. Er sich mit allen unterhalten, mit Mechanikern genauso wie mit seinen Rennfahrer-Kollegen. Es gab schon damals viele Rennfahrer, die sich abgeschottet haben. Ich kann mich an ein Rennen auf der Solitude erinnern. Da ist Trips auf Ferrari gegen Hans Herrmann gefahren. Die hatten als Konkurrenten mehr Spaß zusammen, als wenn sie im gleichen Team gefahren wären. Herrmann und Trips waren damals die Top-Nachwuchsleute.»

«Von Trips hat sich auch nie gescheut, in Autos zu steigen, mit denen man nicht das Klassement gewinnen konnte. Er hat jede Gelegenheit genutzt, um zu fahren. Einige Leute haben ihm geholfen, haben Fahrzeuge bereitgestellt, damit er zeigen kann, was er drauf hat. Wir waren ja damals eine relativ große Truppe von deutschen Rennfahrern, die international im Einsatz waren. Huschke von Hanstein lud immer zur Jahresabschlussfeier ein, wir hatten untereinander immer viel Kontakt.»

Herbert Linge ist davon überzeugt: Wäre das Schicksal nicht dazwischengekommen, wäre von Trips zum ersten deutschen Formel-1-Champion geworden. «Ferrari war überlegen. Trips hat sich schwer getan gegenüber den etablierten Italienern. Man darf nicht vergessen: Deutsche Fahrer waren damals zweite Garnitur, das lag auch vielleicht an den Kriegsgeschehen. Ich kann mich noch gut entsinnen: Als wir 1955 das erste Mal nach Sebring zum 12-Stunden-Rennen fuhren, sind wir sehr zurückhaltend empfangen worden. Das hat sich dann im Laufe der Zeit geändert, als wir weltweit mit der Porsche-Mannschaft bei Weltmeisterschaftsläufen antraten. Damals sind viele Formel-1-Fahrer auch Sportwagen gefahren, was ja heute gar nicht mehr üblich ist.»

«Ich kann mich noch daran erinnern, dass von Trips viele Angebote bekommen hat. Seine fahrerische Qualität und seine persönliche Einstellung zum Sport und zu den Kollegen waren einmalig.»


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