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Mercedes-Benz: Die Geheimnisse der Strategie

Von Rob La Salle
Vorne die Renningenieure Peter Bonnington (Hamilton) und Riccardo Musconi (Bottas), hinten warten die Mechaniker auf ihren Einsatz

Vorne die Renningenieure Peter Bonnington (Hamilton) und Riccardo Musconi (Bottas), hinten warten die Mechaniker auf ihren Einsatz

Voraussetzung für einen GP-Sieg ist nicht nur ein schnelles Auto oder eine fachkundige Hand am Lenkrad, sondern auch die richtige Strategie. Weltmeister Mercedes erlaubt einen Blick hinter die Kulissen.

Viele Formel-1-Fans haben diese Situation erlebt: Sie sitzen bequem auf dem Sofa, verfolgen ein Formel 1-Rennen im Fernsehen, und dann trifft ein Team eine Strategie-Entscheidung, die sofort angezweifelt wird. Von außen betrachtet wirkt immer alles so einfach, aber was die Zuschauer zuhause nicht sehen, ist die Menge an Daten und Analysen, die hinter diesem allseits bekannten Ruf zum Reifenwechsel stecken: «Box, Box, Box!»

Die meisten Fans verbinden mit dem Begriff Strategie vor allem den Moment, wenn ein Fahrer via Funk an die Box beordert wird, sowie die Entscheidung, welche Reifen aufgezogen werden. Doch um das Gesamtbild zu erkennen, braucht ein Rennstall wie Mercedes-Benz den Blick aufs grössere Bild.

Die Strategie-Mannschaft denkt mehrere Rennen voraus, um sicherzustellen, dass alle Vorbereitungen rechtzeitig erfolgen. Das Team nutzt sämtliche verfügbaren Daten, um ein detailliertes Bild von allen möglichen Szenarien und deren Auswirkungen auf die Strategie zu erhalten.

Vor einem Rennwochenende stehen der Strategie-Truppe eine Vielzahl an Daten und Informationen zur Verfügung. Angefangen von den Erkenntnissen zum Wetter über detaillierte Erfahrungen vom letzten Besuch auf der jeweiligen Strecke bis zur Belastbarkeit der Reifen. Gleichzeitig werden Leistungsmuster der Autos, Streckenentwicklung und Vieles mehr in Betracht gezogen. Auf Basis dieser Vorbereitung wird festgelegt, was vom Auto, der Konkurrenz und dem Verhalten der Reifen zu erwarten ist.

Während des Freitagstrainings liegt die Konzentration unter Anderem darauf, wie sich die Reifen verhalten und wie lange sie halten. Dabei werden nicht nur die Daten von den eigenen Autos verwendet, sondern vom gesamten Feld, um das Verständnis zu vertiefen.

Dafür stehen Rundenzeiten, GPS, Reifendaten und mehr zur Verfügung, sowohl der eigenen Fahrer als auch der Gegner. Die Strategen saugen diese Informationen auf, um danach die nötigen Entscheidungen zu treffen. Das Ziel besteht darin, bis zum Ende des zweiten Trainings zu wissen, welche Abstimmungsveränderungen nötig sind, und einen Plan fürs Qualifying aufzustellen. Die wichtigste Entscheidung ist jedoch: auf welchem Reifen das Rennen begonnen werden soll.

Am Samstag konzentriert sich das Team darauf, auf den vorliegenden Datensätzen aufzubauen und Versuche mit weniger Sprit im Tank zu fahren. Welche Reifen kommen wann zum Einsatz? Wann geht man am besten auf die Bahn? Wie sieht es mit Windschatten aus? Auf dieser Basis werden Benzinmengen, Rundenanzahlen und weitere grundlegende Dinge festgelegt, die im Laufe des Qualifyings auf Grundlage neuer Informationen (Streckenentwicklung, Performance der Konkurrenten, Unterschiede zwischen Reifenmischungen und Probleme) verfeinert werden. Zudem muss auf Einflüsse reagiert werden, die außerhalb der Kontrolle liegen, wie Wetter oder rote Flaggen.

Da nur eine bestimmte Anzahl Reifen zur Verfügung steht, bilden die Run-Pläne und die Auswahl der Reifen für die jeweiligen Versuche eine extrem wichtige strategische Entscheidung. Alles, was in im ersten Quali-Segment geschieht, hat einen Einfluss auf die folgenden beiden Abschnitte. Deshalb ist der korrekte Einsatz der Ressourcen auf die bestmögliche Art und Weise ein schwieriger Balanceakt.

Während des Rennens laufen jede Sekunde tausende Datensätze durch die Strategie-Werkzeuge. Das Team hat vor dem Grand Prix einen guten Ausgangswert für Elemente wie Reifenabbau, Zeitverlust bei Boxenstopps, Wettervorhersage oder Schwierigkeit von Überholmanövern.

Die Strategen beurteilen diese Informationen ständig neu und erkennen Elemente, welche zur Umstellung auf eine andere geplante Strategie führen oder die aktuelle beeinflussen. Auf den Funk-Kanälen herrschen strikte Protokolle vor, die zu klarer Kommunikation führen. So kann das Strategie-Team Fragen aufwerfen und darüber diskutieren, was gerade passiert, was die Vorhersage für das Rennen im Moment besagt und was in der Zukunft passieren könnte.

Die Teams legen vor dem Rennen unterschiedliche Szenarien fest, die sie ständig beobachten. Diese Vorausplanung ist unerlässlich, um schnell, aber ruhig auf unerwartete Ereignisse reagieren zu können, etwa bei Safety-Car-Phasen.

Selbst bei einer perfekten Vorbereitung und Vorausplanung ist es unvermeidlich, dass manche Entscheidungen spontan getroffen werden müssen. Das Wetter kann unberechenbar sein. Exakter Ort und Stärke eines Regenschauers können die Reifenwahl zur qualvollen Entscheidung machen.

Während eines Rennwochenendes werden tausende Entscheidungen getroffen, von denen die meisten für Außenstehende unsichtbar sind. Die Strategie in der Formel 1 ist ein mehrdimensionales Schachspiel bei Tempo 300.

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