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Clay Regazzoni: Erinnerungen an den Unzerstörbaren

Von Mathias Brunner
​An diesem 5. September 2024 wäre Gian-Claudio «Clay» Regazzoni 85 Jahre alt geworden. Wir erinnern an den legendären Tessiner Vollblut-Racer, der 1970 und 1975 in Monza triumphieren konnte.

Die Tifosi sind treue Seelen. Wen die Ferrari-Fans ins Herz geschlossen haben, den vergessen sie nicht. Am vergangenen GP-Wochenende in Monza haben wir Fan-Banner für zahlreiche frühere Ferrari-Asse gesehen, für Michael Schumacher, für Gilles Villeneuve, für Jean Alesi, für Michele Alboreto – und für Clay Regazzoni.

An diesem 5. September 2024 wäre der erfolgreichste Schweizer Formel-1-Fahrer 85 Jahre alt geworden. Wir möchten an diesem Tag an den legendären Tessiner erinnern.

Der Unzerstörbare
Die englischen Journalisten hatten ihn aufgrund seiner scheinbaren Unverwundbarkeit in vielen Unfällen den «Unzerstörbaren» getauft. Jahrelang hatte der Mann mit dem Gesicht eines verwegenen Seeräubers schlimmste Unfälle meist unverletzt überstanden.

Regazzoni war nach seinem Unfall in Long Beach 1980 querschnittgelähmt, aber er liess sich von seiner Behinderung nicht unterkriegen. Mit einer Handgas-Vorrichtung fuhr er wieder Rennen und bestritt sogar die Rallye Paris–Dakar. Er gründete eine Fahrschule für Behinderte.

Clay Regazzoni blieb dem Sport immer verbunden. Als GP-Experte der italienischen RAI nannte er die Dinge beim Namen, politische Korrektheit war ihm zuwider. Er fand, die Fahrer müssten weniger labern und mehr liefern. Wie eine Rennstrecke nach der anderen mit enormen Sturz-Zonen entmannt wurde, das prangerte Regazzoni immer wieder an.

Der frühere Ferrari-Teamchef Mattia Binotto sagte nach dem Tod von Niki Lauda im Mai 2019: «Als ich klein war, habe ich Niki Lauda und Clay Regazzoni für Ferrari siegen gesehen. Als Dreikäsehoch hat sich mir eingeprägt – das sind Männer ohne jede Furcht.»

Die Ferrari-Renaissance mit Lauda ab 1974 hätte es ohne Clay vielleicht nie gegeben. Denn es war Regazzoni, der Enzo Ferrari diesen jungen Wiener ans Herz gelegt hatte. Der Tessiner war 1973 an der Seite Nikis bei BRM gefahren und glaubte – der analytische Verstand des Österreichers sei für Ferrari ideal. Und so war es auch.

Die Leistung von Regazzoni wird vor dem Hintergrund von Niki Laudas unermüdlicher Arbeit oft übersehen, wie Piero Ferrari betont, Sohn des legendären Firmengründers Enzo Ferrari: «Es gab Piloten, die besonders feinfühlig waren. Wer solche Antennen besass, der spürte sowohl Chassis wie Motor ganz intensiv. Niki Lauda war ein solcher Fahrer. Besonders sensibel war auch Clay Regazzoni. Er hat uns den leisesten Muckser des Autos mitgeteilt in Zeiten, als die Wagen noch nicht mit hunderten Sensoren gespickt waren.»

«In den Zeiten vor Echtzeit-Datenaufzeichnung brachte Clay ab und an ein Auto zurück, um festzuhalten: ‘Mit dem Triebwerk stimmt etwas nicht.’ Erst nachdem der Zwölfzylinder auseinandergenommen war, zeigten sich Materialfehler oder Abnützungen, die ohne den Feinsinn von Clay zu schweren Motorschäden geführt hätten.»

Ferrari verplempert WM-Chance
1974 hat Ferrari die Titelchance von Regazzoni verplempert, zu wenig standfest war das italienische Aggregat – ein Motorschaden ausgerechnet in Monza erwies sich als gravierender Rückschlag in jenem Monza-GP, da lag Clay in Führung, auf jener Bahn, wo er 1970 und 1975 triumphierte.

Beim WM-Finale von Watkins Glen 1974 fuhr Clay mit einem jämmerlich abgestimmten Auto hinterher und wurde nur Elfter, Emerson Fittipaldi holte mit McLaren den Titel.

Regazzoni trug am verlorenen Titel eine Mitschuld: Er schrottete sein gutes Chassis bei Tests in den USA, in aller Eile musste das Team einen neuen Wagen aufbauen, der nie optimal abgestimmt werden konnte.

Clays damaliger Hauptgegner Emerson Fittipaldi erinnert sich so an den Schweizer: «Regazzoni war ein toller Typ abseits der Strecke, aber sobald er sein Visier schloss, veränderte er sich. Er war ein unglaublich aggressiver Fahrer und gab niemals nach, keinen Zentimeter.»

132 Rennen, fünf Siege (darunter der erste GP-Erfolg des Williams-Rennstalls, 1979 in Silverstone), fünf Pole-Positions, 212 WM-Punkte und WM-Zweiter 1974 auf Ferrari; das ist die beeindruckende Bilanz von Clay Regazzoni, dem erfolgreichsten Schweizer Formel-1-Fahrer.

Schicksalsstrecke Long Beach
Long Beach war für Regazzoni die Schicksalsstrecke: Beim ersten Grossen Preis von USA-West fuhr er 1976 von der Pole-Position aus die Konkurrenz in Grund und Boden, das war keine Siegesfahrt, das war eine Machtdemonstration, samt bester Rennrunde.

Vier Jahre später beendete ein fürchterlicher Unfall auf dem kalifornischen Strassenkurs die 132 WM-Läufe lange Grand-Prix-Karriere von Clay, da war der Tessiner 40 Jahre alt, aber mit dem Kampfgeist und dem Ehrgeiz eines Formel-1-Neulings unterwegs.

In einem ausfallreichen Rennen lag Regazzoni mit seinem Ensign bereits an vierter Stelle, als in seinem Wagen das Bremspedal brach. In einer Auslaufzone prallte der Renner des Südschweizers mit voller Wucht auf den liegengebliebenen Brabham von Ricardo Zunino und schlug dann in eine Betonmauer ein, die von Reifenstapeln kaum geschützt war.

Regazzoni zog sich mehrere Knochenbrüche zu, schwere Verletzungen an der Wirbelsäule zwangen ihn fortan in den Rollstuhl. Im Grunde war es bei der Wucht des Crashes ein Wunder, dass er überhaupt überlebt hatte.

Am 15. Dezember 2006 prallte der Südschweizer auf einer Schnellstrasse im Westen von Parma am Lenkrad seines Chrysler Voyager mit dem Heck eines Lastwagens, der Wagen von Regazzoni krachte danach schwer in die Leitschienen, nach Angaben der Sachverständigen war der Rennfahrer auf der Stelle tot.

Die genaue Unfallursache ist bis heute ein Rätsel: Strasse und Sicht waren sehr gut, Regazzoni war nicht zu schnell gefahren, es gab kein Anzeichen für ein Versagen des Fahrzeugs oder für ein gesundheitliches Problem des Fahrers.

Clay Regazzoni liegt auf dem Friedhof von Porza begraben, nördlich von Lugano.


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