Unfall Jules Bianchi: Konsequenzen für Sotschi-GP?
Richard Cregan, Sergey Vorobyev, Alexander Saurin: Die Männer hinter dem Sotschi-GP
Es ist kein einfaches Wochenende für die Ausrichter des Russland-GP: Die Premiere in Sotschi steht unvermeidlich unter der dunklen Wolke des Unfalls von Jules Bianchi in Japan. Gut einen Tag vor dem ersten freien Training auf dem Olympiagelände nehmen Rennpromoter Sergey Vorobyev und Chefberater Richard Cregan Stellung zum Stand der Dinge. Ebenfalls anwesend: Alexander Saurin, Gouverneur der Region Krasnodar, in welcher sich die Stadt Sotschi befindet.
Sergey Vorobyev hat gestern Geburtstag gehabt: «Die Strecke hier ist gewissermassen mein Geburtstagsgeschenk. Wir sind mit allen Arbeiten in Plan, heute beginnt das Programm mit dem Boxenspaziergang der Fans. Wir wollen den Fans und der Formel 1 ein reibungsloses Wochenende bieten.»
Alexander Saurin sagt: «Wir haben mit den Olympischen Spielen eine gewisse Erfahrung mit Grossveranstaltungen. Im Umkreis von 30 Kilometern gibt es hier kein freies Hotelbett mehr, das zeigt, dass wir mit dem Autorennen auf dem richtigen Weg sind. Der Grand Prix wird auch helfen, das olympische Erbe zu pflegen.»
Richard Cregan ist ein alter Hase im Renngeschäft. Der frühere Team-Manager des Toyota-F1-Rennstalls war vorher Geschäftsleiter der Abu-Dhabi-Rennstrecke und dann von Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone gebeten worden, in Russland nach dem Rechten zu sehen.
Natürlich liegt die Frage auf der Hand: Wie würden die Streckenposten von Sotschi auf einen Unfall wie mit Jules Bianchi reagieren?
Dazu müssen wir zunächst mal wissen: Die russischen Hilfskräfte werden von australischen Streckenposten verstärkt. Ausgebildet wurden die Russen in Dutzenden von Trainingslagern. Sie haben auf dem «Moscow Raceway» gearbeitet und auch im Rahmen der Eröffnung von Sotschi, bei Rennen zur russischen Meisterschaft. Sie haben darüber hinaus verschiedene Grands Prix rund um die Welt besucht, um zu lernen.
Cregan glaubt: «Natürlich ist bei der ersten Ausgabe eines Rennens der Druck gross, dass alles reibungslos abläuft. Und natürlich ist dieser Druck noch grösser vor dem Hintergrund des Unfalls in Japan.»
Ein grosser Unterschied zwischen Japan und Russland: Die Experten in Suzuka haben so viel Erfahrung, dass sie einen Unfallwagen selbständig von der Bahn holen dürfen. Dies wird es in Russland nicht geben. Die Sotschi-Streckenposten müssen dazu erst die Erlaubnis von Charlie Whiting aus der Rennleitung erhalten.
Richard Cregan findet: «Der russische Autoverband RAF war hier überaus gründlich. Wir haben Streckenposten aus ganz Russland, verstärkt durch internationale Hilfskräfte wie jene aus Australien. Die Ausbildung hat zwei Jahre gedauert. Ich bin davon überzeugt, dass wir gut vorbereitet sind.»
Welche Auswirkung hat der Unfall von Jules Bianchi?
Richard Cregan: «Man muss aus jedem Unfall versuchen, etwas zu lernen. Wir haben alle FIA-Vorschriften mindestens erfüllt, meist übertroffen. Natürlich haben die Vorkommnisse in Japan gezeigt, dass die Arbeit in Sachen Sicherheit nie endet. Wir haben unsere Prozedere intern nochmals auf den Prüfstand gestellt. Aber nochmals: wir glauben, wir sind gut vorbereitet.»
Von CAMS sind zwölf Fachkräfte hier, sieben arbeiten auf der Piste, fünf in der Rennleitung, darunter der Rennleiter des Melbourne-GP.
Nur 10 Prozent Fans aus dem Ausland
Der Ticketverkauf in Sotschi hat gemäss Cregan in den letzten Wochen markant angezogen: «Ich glaube, viele Fans haben ein wenig gezögert, weil sie sich nicht ganz sicher waren, ob auch alles rechtzeitig fertig würde. Dann gabe es die Unsicherheit wegen möglicher Sanktionen gegen das Rennen. Als klar war, dass alles gut gehen würde, haben wir angefangen, zwischen 500 und 800 Tickets pro Tag zu verkaufen.»
55.000 Fans werden in Sotschi am Renntag erwartet. Stand Donnerstagmittag in Russland gibt es nur noch 2.000 unverkaufter Tickets an den Vorverkaufsstellen in Moskau, St. Petersburg und Sotschi sowie im Internet. Sergey Vorobyev sagt: «Gemäss ersten Zahlen haben wir einen Ausländeranteil von rund zehn Prozent. Wir streben natürlich an, dass sich diese Zahl verbessern wird.»
Noch immer gibt es viele Skeptiker. Wieso glaubt Sergey Vorobyev, dass Sotschi nicht das Schicksal von Südkorea und Indien teilen wird?
Der Russe antwortet: «Wir glauben aus guten Gründen an diesen Ort. Wir haben eine erstklassige Infrastruktur hier, wir haben eine tolle Landschaft mit Bergen und dem Meer in unmittelbarer Nähe. Selbst um diese Zeit können Sie noch ins Meer hüpfen, wenn Ihnen danach ist. Wir haben auch die Erlaubnis erhalten, Casinos wieder zu betreiben, das ist ein zusätzlicher Anreiz für Rennbesucher. Wir sehen den Aufstieg von Daniil Kvyat mit Red Bull, der das Interesse an der Formel 1 in Russland sehr spürbar anfacht. Wir möchten daher die Zuschauerkapazität von 55.000 Fans Jahr um Jahr erhöhen.»
Richard Cregan zum Anteil zwischen einheimischen und ausländischen Fans: «In Abu Dhabi lag diese Zahl anfangs auch bei zehn Prozent, doch nach wenigen Jahren stieg sie auf die heutigen 40 bis 50 Prozent. Ich bin davon überzeugt, dass wir das Gleiche hier in Sotschi erleben werden.»
«Wir haben lange auf diesen Moment hingearbeitet und freuen uns sehr aufs Wochenende. Wir möchten, dass die Menschen am Sonntag mit einem Lächeln auf den Lippen die Piste verlassen und gerne zurückkommen.»
Im Geschäftsplan von Sotschi steht als nächstes: Die Piste soll ganzjährig betreibbar sein, Verhandlungen zur Austragung anderer Rennserien laufen, wie etwa Superbike-WM oder MotoGP. Richard Cregan: «Das Ziel besteht dabei darin, fünf oder sechs Grossveranstaltungen pro Jahr hier zu haben.»
Abgesehen von diesen fünf Grossveranstaltungen werden die Fans in Sotschi freien Eintritt haben bei Rennveranstaltungen, in acht Tagen findet beispielsweise hier ein Motorradrennen statt. Im Mai 2015 gastiert ferner die Air-Race-Truppe von Red Bull in Sotschi.
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