Jock Clear (Ferrari): «Das Rennen wird ein Schock»
Ferrari-Techniker Jock Clear
Ferrari-Technikchef James Allison beobachtete in der Ferrari-Box die Arbeit von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen. Aber der Engländer hat bereits angekündigt, in diesem Jahr nicht bei allen Grands Prix vor Ort dabei zu sein. Der Grund: Der studierte Luft- und Raumfahrttechniker wird von Jock Clear entlastet.
Der frühere Mercedes-Ingenieur Clear hat nach einer einjährigen Zwangspause in diesem Jahr bei der Scuderia den Posten des leitenden Ingenieurs an der Rennstrecke übernommen. Sehr zur Freude von Allison: «Das vergangene Jahr war sehr hart für mich. Ich versuchte, zwei Jobs gleichzeitig zu machen. Doch in diesem Jahr haben wir Jock Clear als leitenden Techniker am Rennplatz dabei. Nun kann ich wieder in die konventionellere Rolle des Technischen Direktors schlüpfen, dessen Arbeitsbereich hauptsächlich im Formel-1-Werk und nicht an der Strecke liegt.»
Clear nimmt damit eine Schlüsselfigur im Ferrari-Plan ein, mit Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen wieder Weltmeister zu werden. Denn die Entlastung durch Clear erlaubt es James Allison, seiner Kreativität wieder freieren Lauf zu lassen.
Clear ist mit allen Motorsportwassern gewaschen. Der 52jährige Clear mit Abschluss in Maschinenbau an der Universität Edinburgh Jock Clear übernimmt bei Ferrari jenen Posten, den Pat Fry (heute Berater von Manor) früher innehatte. Clear ist ein guter Fang, denn er bringt reichlich Erfahrung mit: Der Engländer aus Portsmouth begann 1988 als Zeichner bei Lola, ab 1989 leitete er schon die Verbundstoffabteilung bei Benetton. 1991 wechselte er als leitender Designer zu Leyton House, von dort ging es weiter zu Lotus, nunmehr als Renningenieur.
In den folgenden Jahren arbeitete Clear mit Johnny Herbert (Lotus), David Coulthard (Williams), Jacques Villeneuve (Williams, Weltmeister), mit dem Kanadier wechselte Clear zu BAR, aus dem BAR-Honda, dann Honda und schließlich BrawnGP hervorging, das Ende 2009 von Mercedes inhaliert wurde.
Bei Honda und Brawn war Clear als Ingenieur von Rubens Barrichello am Wagen, ab 2010 hieß das Team Mercedes. 2010 erhielt Clear eine den Renningenieuren übergeordnete Stelle, seit 2011 ist er für die Leistungsfähigkeit der Rennwagen zuständig. 2014 die Krönung – WM-Titel mit Lewis Hamilton.
Im Fahrerlager des Albert Park Circuit in Melbourne sagt Clear über die angebliche Schlüsselrolle: «Was ich über den Gewinn von Titeln wusste, reicht nicht mehr, um die Meisterschaft zu erringen. Ich muss mich ebenso weiterentwickeln wie das Team. Ich bin jedenfalls ganz sicher nicht mit dem Gedanken nach Australien gereist – ich weiss schon, was wir brauchen, um wieder Champion zu werden. So funktioniert das leider nicht. Dazu entwickelt sich der Sport viel zu schnell.»
«Wenn du in den Motorsport einsteigst, dann gibt es einen Namen, der mit Racing gleichgesetzt wird – und das ist Ferrari. Davon träumst du schon als kleiner Junge, und dieser Traum ist nun für mich wahr geworden. Ich fühle mich sehr geehrt, Teil dieser fabelhaften Scuderia zu sein.»
«Es obliegt mir, dass Ferrari an den Rennstrecken effektiv arbeitet und konkurrenzfähig Rennen fährt. Ich kümmere mich also rund um die Welt um mehr als fünfzig Fachkräfte. Das ist eine menschlich ebenso grosse Aufgabe wie eine technische Herausforderung. In diesem Job geht es oft darum, die richtigen Leute für eine bestimmte Aufgabe zu finden und sie dann in Ruhe arbeiten zu lassen.»
Nach seinem Engagement bei Mercedes musste Clear eine Auszeit nehmen, jene Übergangsphase, welche die Briten so malerisch «gardening leave» nennen, wenn Zeit für den eigenen Garten bleibt. Clear hat sich jedoch nicht um Grünzeug gekümmert, «sondern um unseren Umzug nach Italien. Ich wollte nie pendeln. Es war für mich immer klar, dass wir mit Sack und Pack nach Italien gehen. Ich habe eine junge Familie, also ist das möglich gewesen. Ich hatte monatelang Zeit, es uns in Italien gemütlich zu machen und in Ruhe alles kennenzulernen.»
«Es war nicht einfach, der Formel 1 fernzubleiben. Wenn du 21 Jahre lang bei jedem Rennen warst, und auf einmal sitzt du zuhause auf dem Sofa und guckst die Grands Prix im Fernsehen, dann ist das nicht lustig. Ich fand es auch bemerkenswert, wie man den Speed einbüsst – der hohe Rhythmus der Entscheidungsfindung. Ich muss da noch immer an Geschwindigkeit zulegen. Das Rennen wird ein kleiner Schock sein. Zum Glück habe ich tolle Leute um mich herum.»