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Irre Fans auf der Strecke: Vier Fälle in 15 Jahren

Von Mathias Brunner
​SPEEDWEEKipedia: Leser fragen, wir finden die Antwort. Heute: Zum Glück kommt es nur selten vor – irre Fans auf der Rennstrecke. Wir sagen, was aus ihnen wurde.

In loser Reihenfolge gehen wir in Form von «SPEEDWEEKipedia» auf Fragen unserer Leser ein. Dieses Mal will Thomas Heinrich aus Darmstadt wissen: «Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass wir 2015 gleich bei zwei Rennen irre Fans auf der Strecke hatten, ich glaube, es war in China und Singapur. Wisst Ihr, wieso sie und andere Pistenläufer auf der Bahn waren und wie sie bestraft wurden?»

Der irre Flitzer von Singapur 2015 ist noch einmal vergleichsweise glimpflich davongekommen: Der Brite Yogvitam Pravin Dhokia wurde im vergangenen November zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt, darüber hinaus musste er 2.500 Singapur-Dollar, umgerechnet rund 1.600 Euro Geldstrafe zahlen. Die Staatsanwaltschaft hatte zwölf Wochen Haft gefordert.

Dhokia hatte sich schuldig bekannt, mit seinem Ausflug auf die Rennstrecke während des Singapur-GP die fahrlässige Gefährdung von Leben in Kauf genommen zu haben. Dhokia wurde die Zeit in Untersuchungshaft angerechnet, so dass er noch vor Jahresende wieder auf freiem Fuss war und das Land verlassen konnte.

Dhokia hatte während des Singapur-GP für eine Schrecksekunde gesorgt, als er seelenruhig über die Start-Ziel-Gerade spazierte, nach wenigen Metern über die Boxenmauer sprang und wieder verschwand. Die ganze Aktion hatte er durchgeführt, um Videos von den vorbeifahrenden Boliden zu machen.

Für den Singapur-GP 2016 wird das Sicherheitsprotokoll der Rennstrecke überarbeitet. Es wird mehr Personal geben. Es ist auch davon die Rede, den inneren Schutzzaun (zwischen Besucherraum und Streckenpostenzone) zu erhöhen.

Shanghai 2015: Fan will Ferrari fahren

Gut eine Viertelstunde nach Beginn des zweiten freien Trainings zum Grossen Preis von China 2015 rannte ein schwarzgekleideter Mann, offenbar von der Haupttribüne kommend, quer über die Start/Ziel-Gerade, ungefähr auf Höhe der Ziellinie, und hechtete dann gekonnt über die Boxenmauer Richtung Ferrari-Garage.
Der Mann hatte sich auf der Rennstrecke eine Lücke zwischen dem vorbeigerasten Sauber von Felipe Nasr und dem nahenden Force India von Nico Hülkenberg ausgesucht.

Der Mann bewegte sich zielstrebig Richtung Ferrari-Box, wurde jedoch von Sicherheitskräften überwältigt, bevor er in den Bereich von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen eindringen konnte.
Augenzeugen zufolge hat der Mann auf Chinesisch geäussert, er wolle einen Formel-1-Renner fahren. Aktion und Aussage sprechen nicht für einen normalen Geisteszustand.

Bei Start und Ziel sind die GP-Renner jenseits von 250 km/h schnell. Gruselig der Gedanke was passierte, wäre er von einem Formel-1-Auto an- oder überfahren worden. So etwas musste die Formel 1 1977 erleben, damals kamen Shadow-Star Tom Pryce und ein Streckenposten ums Leben.

Die chinesischen Organisatoren reagierten auf Anweisung der Rennleitung umgehend: die Sicherheitskräfte, welche Zäune zwischen Tribünen und Rennstrecke überwachen, wurden verdoppelt. Bis heute haben die Organisatoren nicht enthüllt, in welcher Form der Mann bestraft worden ist.

Silverstone 2003: Im Namen des Herrn

Menschen auf der Rennstrecke sind im modernen GP-Sport äusserst selten. Unvergessen der frühere Geistliche Cornelius «Neil» Horan, der im britischen Grand Prix 2003 auf die Silverstone-Strecke rannte, um auf die Worte des Herrn aufmerksam zu machen (auf seinem Schild stand: «Lest die Bibel. Die Bibel hat immer Recht»). Das Einzige, was wirklich nah war, war sein eigenes Ende: der Wagen von Mark Webber verpasste den irren Priester nur um Haaresbreite.

Vergangenes Jahr hat der Australier in seiner Autobiographie über diese Moment geschrieben: «Es war das Unglaublichste, was ich je auf einer Rennstrecke gesehen habe. Mir war völlig einerlei, wofür der Kerl protestieren wollte – er brachte sich, mich und andere in Lebensgefahr. Es machte mich fuchsteufelswild, dass er das in Kauf nahm.»

Das Safety-Car musste auf die Bahn geschickt werden, um den Eindringling einzufangen. Held der Stunde war Streckenposten Stephen Green, der Horan mit einem gekonnten Ringergriff überwältigte. Horan wurde später für seine Aktion in Silverstone zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Gelernt hatte er nichts: Bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen attackierte er einen brasilianischen Marathonläufer und brachte den Athleten um dessen Chancen auf Gold.

Wegen verschiedener Vergehen stand Horan immer wieder vor Gericht und musste verschiedene Strafen absitzen oder Bussen bezahlen.

Hockenheim 2000: Protest wegen Entlassung

Im Jahre 2000 drang der 47jährige Robert Sehli, ein ehemaliger Angestellter von Mercedes, auf die Hockenheim-Rennstrecke vor, er war aus dem Dickicht der ersten Waldgeraden auf den Grünstreifen neben der Bahn gelangt. Der Franzose wollte mit seiner Aktion gegen eine seiner Meinung nach ungerechtfertigte Entlassung protestieren – was auf einer weissen Pellerine stand, die er trug.

Auch hier musste das Safety-Car ausrücken. Später kam heraus, dass er seine Aktion schon beim Frankreich-GP durchführen wollte, es dort aber nicht an den Sicherheitskräften vorbei geschafft hatte.

Selhi erhielt später eine Busse von 200 D-Mark. Und von einem französischen Gericht eine Wiedergutmachung in Höhe von rund 12.000 Dollar – der Richter fand ebenfalls, dass Selhis Entlassung nicht korrekt war.

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