Prost zu Flaute bei Renault: Schwierige Entscheidung
Markenbotschafter Alain Prost
Es war für die Formel 1 ein ganz wichtiges Signal, dass sich Renault zum Grand-Prix-Sport bekannt und den Lotus-Rennstall zurückgekauft hat. Aber die Gelben bekommen die späte Entscheidung zu spüren (erst im Dezember war klar, dass die Übernahme zustande kommt), und nun wirkt sich auch aus, dass Lotus aus Geldmangel in der zweiten Saisonhälfte kaum noch entwickelt hat.
Als Ergebnis ist der Rennwagen von Jolyon Palmer und Kevin Magnussen nicht konkurrenzfähig genug: Nur dem Dänen Magnussen gelang in Sotschi mit Rang 7 eine Punktefahrt, ansonsten ging das Renault-Duo leer aus. Damit ist Renault mit nur sechs WM-Zählern Drittletzter in der Markenwertung, nur Sauber und Manor sind noch schlechter.
Der vierfache Formel-1-Champion Alain Prost ist Markenbotschafter bei Renault. Im Rahmen der FIA-Sportkonferenz in Turin hat der 51fache GP-Sieger auch darüber gesprochen, warum Renault nicht vom Fleck zu kommen scheint.
Für Prost ist es nicht einfach, auf solche Fragen zu antworten. Einerseits kennt er als frühere Champion und als Teamchef alle Kniffe im Sport. Andererseits will er in Frankreich nicht als Nestbeschmutzer gelten. «Darüber zu sprechen, ist für mich nicht so einfach. Ich stehe ja auch ein wenig ausserhalb des Rennstalls. Was aber gewiss stimmt – die Entscheidung zum Kauf von Renault kam spät. Gut, ich hätte jetzt auch etwas mehr Leistungsfähigkeit erwartet. Aber nicht viel mehr.»
«Das Grundproblem besteht darin, nun zu analysieren: Warum läuft es nicht so gut? Es ist wichtig, dem auf den Grund zu gehen und die Angestellten gleichzeitig motiviert zu behalten. Das Auto nur um einige Zehntelsekunden schneller zu machen, das macht auch keinen Riesenunterschied. Die Leute müssen verstehen, dass dies ein langfristiges Projekt ist, die Fans müssen das akzeptieren.»
Ganz elementar wird gemäss Prost sein, wie Renault die Ressourcen jongliert zwischen der Weiterentwicklung des 2016er Renners und dem Projekt 2017, wenn sich die Formel 1 neu erfindet – breitere Reifen, andere Aerodynmik. Für viele Teams, auch für Renault, ist das eine Riesenchance, sich markant zu verbessern. Weil die neuen Regeln für alle neu sind.
Alain Prost: «Die grosse Frage wird nun sein – wie viel investieren wir noch in die Entwicklung des aktuellen Rennwagens? Sollen wir nicht ganz auf 2017 umstellen? Das ist eine sehr schwierige Entscheidung. Wenn du ein Spitzenauto hast oder sagen wir: eines im vorderen Mittelfeld, dann ist das einfacher.»
Prost schlägt eine Brücke in die Phase, als er den Ligier-Rennstall übernahm und als Prost an den Start brachte: «Klar hinkt der Vergleich, weil das eine andere Ära war und wir von ganz anderen Belegschaftszahlen sprechen. Aber ich begann mit 65 Angestellten und baute auf rund 200 aus. Es ist nicht einfach, alles reibungslos am Laufen zu halten, wenn ständig neue Leute kommen. Du hast die ältere Generation, du hast die neue Generation, da gibt es Reibung. Es braucht in der Formel 1 immer Zeit, dass sich die frischen Mitarbeiter an ihren neuen Stellen finden.»
Renault-Technikchef Bob Bell sagt: «Ich weiss, dass in den beiden Werken von Renault, also im Motorenwerk in Frankreich und im Chassis-Werk von Enstone, unheimliches Potenzial schlummert. Selbst wenn Enstone schwierige Jahre erlebte, so ist die generelle Struktur gesund. In Viry wollen wir die Strukturen straffen und beleben, Ressourcen sind hier nicht das Problem.»
«Das Ziel muss sein, dass beide Werke zu einer Einheit werden. Zur Zeit der V8- und V10-Motoren war eine Beziehung zwischen Motorpartner und Chassispartner möglich, auf Armlänge gewissermassen. Das ist vorbei. Heute muss schon beim Konzept der Motor komplett integriert sein.»
Bell plädiert für Geduld, was die Erwartungen der Fans betrifft. Bei den Kollegen von Autosport sagte er: «Mindestens im vergangenen Jahr ist das Team in Sachen Ressourcen ins Verdursten geraten. Das hatte seine Gründe, ich sage das nicht als Kritik. Als Folge davon ist die Anzahl Mitarbeiter gesunken, alles wurde heruntergefahren, Wartung, Werkzeugmaschinen, Prüfstände. Es war einfach nicht möglich, das höchste Niveau zu halten. Also müssen wir nun daran gehen, all diese Ressourcen wieder aufzustocken.» Die Rede ist von mindestens 160 Angestellten, die bis Ende 2017 zu Renault kommen sollen.
Bob Bell weiter: «Renault hat sich auf lange Zeit verpflichtet, wir lassen uns beim Aufbau bewusst Zeit. Wir engagieren nicht einfach den Nächstbesten, sondern erwägen sorgfältig, wie eine Fachkraft ins Team passt. Wir wollen einige der besten Leute der Branche, und wenn das bedeutet, dass wir auf jemanden warten müssen, dann werden wir das auch tun. Für 2018 streben wir dann einen erheblichen Schritt nach vorne an, das ist ein glaubwürdiges Ziel für den Rennstall, um zu zeigen, dass mit uns zu rechnen ist.»