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Ing. Kurt Trieb (KTM): «Power muss einsetzbar werden»

Von Günther Wiesinger
Bei Red Bull-KTM werden im Mai neue Trägheitsmomente an der Kurbelwelle getestet. Denn der aggressive Motor mit der immensen Power muss fahrbarer werden. Ing. Kurt Trieb denkt sogar über einen Big-Bang nach.

Das Red Bull KTM-Team verpasste zwar mit den Plätzen 16 und 17 mit den neuen Werkspiloten Pol Espargaró und Bradley Smith auf dem Losail Circuit in Katar die WM-Punkte. Aber die RC16-Bikes mit dem exklusiven Gitterrohrstahlrahmen und der hauseigenen WP Suspensionen erwiesen sich als standfest.

Außerdem wurde der Abstand zur Spitze von Donnerstag bis zum Warm-up von 3,3 auf 1,7 Sekunden verkürzt.

Trotzdem besteht bei KTM Aufholbedarf.

SPEEDWEEK.com hat sich in Losail mit Ing. Kurt Trieb unterhalten. Er ist Technischer Leiter von KTM Factory Racing und Konstrukteur des 1000-ccm-V4-Motors. Kurt Trieb hat auch den erfolgreichen 250-ccm-Einzylinder-Motor der KTM RC250 GP für die Moto3 WM gebaut.

Kurt, der KTM-Motor ist nach dem Geschmack der Fahrer zu aggressiv. Pol Espargaró hat ihn in Australien als «wildes Biest» bezeichnet, Bradley Smith meinte am Donnerstag, alle anderen würden Big-Bang-Triebwerke bauen, nur KTM nicht. Er meinte, vielleicht sei auch die Kurbelwelle zu leicht. Muss KTM jetzt reagieren?

Wir haben verschiedene Trägheitsmomente bei der Kurbelwelle ausprobiert. Das haben wir schon hinter uns, es war bisher nicht erfolgreich.

Wir werden noch einmal in diese Richtung arbeiten und schauen, dass wir eine Lösung finden.

Es ist ein allgemeines Verständnis, dass wir in dieser Richtung etwas tun müssen.

Verschiedene Trägheitsmomente – wie hat sich das der technische Laie vorzustellen?

Im Prinzip hat ein großes Schwungrad, bei dem du die Masse außen hast, ein großes Trägheitsmoment.

Wie schnell lässt sich da etwas ändern?

Im Prinzip haben wir die Teile.

Sie sollen beim Montag-Test nach dem Jerez-GP ausprobiert werden?

Ja, das ist sicher wieder ein Punkt, wo wir angreifen werden.

Hast du auch überlegt, eine Big-Bang-Version zu entwickeln wie Honda nach der Saison 2016? Wie groß wäre der Aufwand?

Du brauchst neue Kurbelwellen und neue Nockenwellen.

Wenn du nach dem Jerez-Test am 8. Mai zur Erkenntnis kommst, du brauchst einen Big-Bang: Wie lange dauert es dann bis zum ersten Track-Test?

(Er lacht). Wir haben uns von Anfang an für diesen Screamer entschieden. Weil es ein einfacher, leichter und zuverlässiger Motor ist. Ich denke, das war keine schlechte Entscheidung, weil wir damit problemlos und ohne größere Baustellen ins Laufen gekommen sind.

Jetzt ist der Punkt gekommen, wo man natürlich den nächsten Schritt machen und sich dieses Konzept noch einmal überlegen muss.

Nach dem Wort «GO» – wie lange dauert es dann, bis der Big Bang auf der Strecke ist?

So drei Monate, schätze ich. Ob es also dann für 2017 noch klappt, da müsste man schauen.

KTM darf als «concession team» wie Aprilia neun statt sieben Motoren verplomben lassen. Würde man da die Big-Bang Motoren unterbringen? Man bräuchte sicher drei bis vier pro Fahrer?

Ja, ja. Wir dürfen ja jeden Motor anders gestalten.

Außerdem stehen die KTM momentan sowieso ganz hinten. Also wäre ein Start aus der Boxengasse bei einem zusätzlichen Motor kein großes Verhängnis?

Ich hoffe trotzdem, dass sich das vermeiden lässt.

Nach dem Phillip-Island-Test war bei KTM ein Aufatmen zu spüren. Man hat dort im Februar nur 1,9 sec verloren. Man meinte dann, mit einer zahmeren Motorversion werde man in Katar näher an die Spitze heranrücken. Das hat nicht geklappt, oder?

Wir haben schon vorher bei einiges Tests gesehen: Wenn der Grip niedrig ist und wenn es dann darum geht, aus den Ecken rauszubeschleunigen, haben wir Probleme.

Die Kraftentfaltung ist einfach zu aggressiv bei diesem Screamer?

Ja, wenn man sich die Trainings draußen auf der Strecke anschaut, sieht man ganz schön, dass die anderen Piloten früher ans Gas gehen können. Unsere Fahrer müssen länger mit dem Gas spielen und können erst später beschleunigen. Diesen Nachteil holt man auf so einer kurzen Geraden nicht mehr auf.

Bist du nach den Trainings in Katar ein bisschen enttäuscht gewesen?

Nein, enttäuscht war ich nicht. Wir haben alle gewusst, dass wir in Katar unsere Probleme haben werden.

Pol Espargaró hat gehofft, man könne die Kraftentfaltung mit Hilfe der Elektronik bändigen. Besteht da noch Spielraum?

Ich habe schon in Sepang erwähnt: Bei der Elektronik bin ich ein bisschen Passagier. Ich denke, das ist eingeschränkt, was man mit Hilfe der der Motorsteuerung erreichen kann.

Ich sehe unsere Situation nicht so tragisch. Wir haben gewusst, dass wir arbeiten müssen.

KTM ist im Vergleich zu Suzuki und Aprilia in der MotoGP ein echter Neueinsteiger. Firmenchef Stefan Pierer spricht von einem Lernjahr. Wird man das wahrhaftig brauchen? Aprilia fuhr in Katar im dritten Comebackjahr vom 15. Startplatz los. Die zweite Aprilia habt ihr besiegt.

Wir kommen schon weiter.

Kann KTM in der MotoGP zum Erfolg kommen, wenn man neben dem Stahlrahmen und der WP Suspension auch noch als einziger Hersteller mit einem Screamer antritt?

Wir sind die einzigen ohne Big-Bang, richtig.

Der mutige Herr Ing. Trieb. Du hast in der Moto3-WM als erster Konstrukteur auf einen Kurzhuber mit 81 mm Bohrung gesetzt. Honda hat erst gewonnen, als sie dieses KTM-Konzept kopiert und die Bohrung von 78 auf 81 mm erhöht haben. KTM gewann in der Moto3 dann 27 WM-Rennen in Serie und vier von fünf Konstrukteurs-WM-Titel. Mut macht sich also bezahlt?

Als bei uns 2014 die Entscheidung fallen musste, was wir in der MotoGP machen, war der Screamer ein konventioneller Schritt. Diese Entscheidung war nicht so verkehrt.

Damals ist Honda noch mit dem Screamer gefahren.

Bei Honda haben 2016 noch Márquez, Pedrosa, Crutchlow und Miller mit dem Screamer Rennen gewonnen, sogar im Regen. Jetzt haben sie einen Big-Bang – und Riesenmühe.

Da muss man sich nichts vormachen. Es wird sicher nicht so sein, dass sofort alle Probleme gelöst sind, wenn wir das Konzept von Screamer auf Big Bang wechseln.

Muss KTM zuerst einmal die Power mechanisch reduzieren und dann schauen, wie weit man mit dem Screamer kommt? Und erst dann über einen Big Bang nachdenken?

Wir arbeiten ständig daran, die Power einsetzbarer und fahrbarer zu machen. Haben tun wir sie, die Power.

Wenn du so eine unregelmäßige Zündfolge hast...

Unser Ziel muss sein, dass die Elektronik weniger zu regeln hat. Da gibt es ein paar mechanische Ansätze. Da ist einmal die höhere Trägheit. Dann vom Gas- und Ladungswechsel her – und die andere Zündfolge.

In Katar wurde erzählt, KTM müsse sich jetzt bei den BMW-Spezialisten von alpha technik in Stephanskirchen Hilfe holen. Du hättest bereits Tuner Thomas Franz kontaktiert, hieß es. Ist da etwas Wahres dran?

Das ist Unsinn. Völliger Blödsinn. Ich kenne Thomas Franz, wir reden manchmal miteinander. Aber wir haben selber genug Know-how.

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