Repsol-Honda: Wie lang steht Stoner im Schmollwinkel?
Natürlich wollen es die glorreichen HRC-Manager Shuhei Nakamoto und Livio Suppo nicht eingestehen. Aber bei der Auswahl des Ersatzfahrers für den verletzten Dani Pedrosa haben sich die beiden Strategen gehörig in die Ecke treiben lassen.
Dass der 33jährige Testfahrer Hiroshi Aoyama, der seit seinem schweren Unfall in Silverstone 2010 keine Glanzlichter mehr gesetzt hat, keine Wunderdinge vollbringen würde, konnte sich jeder halbwegs aufgeweckte GP-Beobachter von vornherein ausmalen.
Das Beispiel des liebenswürdigen Japaners zeigt: Die erstbeste Wahl ist selten die beste.
Aoyama nahm sich bei seiner Rückkehr in die MotoGP-WM (er fuhr 2014 im Aspar-Team eine Open-Honda, er landete auf dem 14. WM-Rang) Top-Ten-Plätze auf der Repsol-Honda vor. Aber er kassierte bei seinen drei Auftritten nur fünf Punkte für Rang 11 in Texas, in Argentinien und Spanien stürzte er.
Wenn HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto diese Ergebnisse jetzt als «sehr zufriedenstellend» bezeichnet, dann frage ich mich: Warum wurden und werden von den Factory-Piloten in den Kundenteams (2014: Bautista und Bradl – 2015: Crutchlow und Redding) ständig Podestplätze gefordert?
Immerhin kann über das glanzlose Thema Aoyama womöglich bald der Mantel des Schweigens gebreitet werden.
Ganz sicher ist es freilich nicht.
Denn ob Dani Pedrosa am kommenden Wochenende (15. bis 17. Mai) in Le Mans in die Weltmeisterschaft zurückkehrt, ist noch fraglich.
«Er muss dort zumindest das erste freie Training bestreiten», war in Jerez von einzelnen Repsol-Honda-Verantwortlichen zu hören.
Livio Suppo hatte nach dem Katar-GP, als Pedrosas «armpump»-Probleme im rechten Unterarm wieder akut wurden, noch gehofft, dieser Kelch möge an ihm vorüberziehen. Er meinte, Pedrosa solle eine Nacht darüber schlafen, dann sehe die Welt anders aus, dann werde er vielleicht seine angekündigte Pause abblasen und beim Texas-GP antreten. «Denn Dani fährt mit einem Arm schneller als jeder vorstellbare Ersatzfahrer mit zwei Armen», attestierte Suppo.
Das mag für Hiroshi Aoyama zutreffen, denn Pedrosa landete in Katar auf Platz 6.
Es trifft aber auf keinen Fall auf Casy Stoner zu, der bei HRC ebenfalls einen Testfahrervertrag hat und sogar am 26. Juli für Honda den prestigereichen 8-h-Langstrecken-WM-Lauf in Suzuka bestreiten wird.
Doch die HRC-Manager gaben Stoner einen Korb, als es um den verwaisten Platz von Pedrosa für drei Rennen ging.
Auf die Frage, ob der Australier in Le Mans oder zu einem späteren Zeitpunkt für Pedrosa einspringen könnte, falls der Pedrosa länger oder gar für die ganze Saison ausfällt, gab Nakamoto in Jerez widersprüchliche Auskünfte. Einerseits sagte er: «Nichts ist unmöglich.» Anderseits liess er durchblicken: «Ein MotoGP-Comeback von Casey ist eigentlich nur 2016 realistisch. Er müsste mindestens einmal testen, denn wir würden Podestplätze von ihm erwarten.»
Jetzt ist Repsol-Honda gespannt auf den nächsten Belastungstest von Dani Pedrosa, der am Wochenbeginn stattfinden soll.
Die Genesungszeit nach der dritten Faszienspaltung im rechten Unterarm dauert schon verdächtig lange.
Etliche andere Rennfahrerkollegen haben schon drei, vier oder sieben Tage nach so einem Eingriff wieder ein GP-Training bestritten.
Bei Scott Redding platzte bei seinem hastigen Comeback wenige Tage nach der OP in Aragón 2012 (Platz 3) im Rennen sogar die frische Naht, der Brite präsentierte nach der Zieldurchfahrt einen blutdurchtränkten rechten Handschuh.
Pedrosa wurde am Karfreitag (3. April) von Dr. Juan Villamor in Madrid operiert. Damals gingen alle Beteiligten davon aus, dass er in Jerez (1. bis 3. Mai) wieder im Rennsattel sitzen wird.
Doch ein Belastungstest am 27. April fiel negativ aus, die Beschwerden waren nicht vorschwunden. Dr. Xavier Mir, der Pedrosa 2005 und 2014 am rechten Unterarm operiert hatte, hatte vor einem dritten Eingriff abgeraten.
Repsol-Honda steckt in der Zwickmühle. Denn zu allem Überdruss hat auch Marc Márquez den Nimbus der Unbesiegbarkeit eingebüsst.
Kein Wunder, wenn Nakamoto in Jerez gegenüber den Journalisten grantig und missmutig wirkte.
Pedrosa hat im Sommer 2014 trotz Kenntnis seiner dauerhaften Unterarmbeschwerden einen neuen Zwei-Jahres-Vertrag unterzeichnet. Er gilt als schnell genug, um Honda beim Gewinn der Marken-WM und Repsol-Honda beim Gewinn der Team-WM zu unterstützen. Und er ist langsam genug, um Weltmeister Marc Márquez nicht über Gebühr zu ärgern. Er hat 26 MotoGP-Rennen gewonnen, aber nie den WM-Titel.
Jetzt liegt Honda in der prestigereichen Marken-WM mit 72 Punkten schon klar hinter Yamaha (91) und Repsol-Honda mit kargen 71 Punkten in der Teamwertung gar nur an dritter Stelle hinter Movistar-Yamaha (144 Punkte) und Ducati Corse (117).
Ein kleines Drama für das reichste Team mit dem besten Fahrer und dem schlagkräftigsten Motorrad, das 2013 und 2014 triumphiert hat.
Casey Stoner wäre gern für Pedrosa eingesprungen. Er lacht sich jetzt daheim in Australien ins Fäustchen.
Nakamoto sagte in Texas, er betrachte Casey als seinen Sohn. Mit Nakamotos herabwürdigenden Aussagen über den Ex-Weltmeister beim Jerez-GP passt diese Erwähnung nicht zusammen.
Casey Stoner weiss genau: Wenn Pedrosa nicht bald zurückkehrt und zu alter Form aufläuft, wird ein reumütiger Kniefall der HRC-Manager fällig.
Wetten: Casey Stoner (28), der MotoGP-Weltmeister von 2007 und 2011, wäre auch ohne Test spätestens beim zweiten Grand Prix schneller, als Marc Márquez lieb ist.
Honda wird Stoner nicht ewig im Schmollwinkel stehen lassen können.