Stefan Bradl (Aprilia): «Grosse Fortschritte gemacht»
Stefan Bradl im Rennen in Texas: Platz 10
Stefan Bradl hat bei den ersten drei MotoGP-Rennen 2016 immerhin 15 Punkte eingesammelt, nachdem er in der ganzen Saison 2015 nur 17 Punkte davon getragen hatte.
In Europa rechnet Bradl mit regelmässigen Upgrades für die neue Aprilia RS-GP 16. Er ist jetzt gespannt, wie sich die Aprilia bei den nächsten Rennen in Jerez und Le Mans bewähren wird.
Stefan, vor einem Jahr warst du in Jerez beim Forward-Yamaha-Team arg niedergeschlagen. Jetzt ist der alte Kampfgeist wieder erwacht. Vor einem Jahr fiel es dir schwer, statt um Platz 5 wie bei LCR um Platz 15 zu kämpfen. Damit konntest du dich verständlicherweise nicht über Nacht abfinden?
Das ist richtig, ja. Der Schritt in die Open-Class war schon krass; das habe ich mir natürlich nicht so vorgestellt.
Im Laufe der Zeit bei Forward wurde es für mich schwierig, weil ich keinen Aufwärtstrend gesehen habe und Perspektiven für die Zukunft vermisst habe. Es fehlte im Team oft an Professionalität. Es waren nicht viele Teammitglieder dabei, die an dieses Projekt geglaubt und gesagt haben: «Komm, das packen wir schon.»
Ich habe keinen Ansatz gemerkt, der mich motivieren hätte können. Es hat jeder so vor sich hin gedümpelt.
Ich bin froh, dass ich diese Zeit gut überstanden habe.
Du hast bei Forward ständig Ärger mit der Magneti-Marelli-Elektronik gehabt, die jetzt für alle Fahrer vorgeschrieben ist. Du hast bei der ECU anfangs auch für 2016 Vorbehalte gehabt. Aber die Klagen sind leiser geworden, bei dir und den Rennfahrerkollegen? Obwohl Aprilia-Renndirektor Romano Albesiano sagte, Aprilia werde erst bei Saisonmitte das Maximum aus dieser ECU herausholen.
Ja, wir haben mit der ECU in Argentinien noch Probleme gehabt. Wir haben es dann aber einigermassen hingekriegt. Im Rennen war es nicht unbedingt schön zu fahren, aber es ist gegangen.
In Texas haben wir bei der ECU grosse Fortschritte gemacht. Dort hat uns vielleicht die Streckencharakteristik mit den vielen Erste-Gang-Kurven geholfen. Dort haben wir einiges gelernt.
Besonders Markus Eschenbacher hat der Kopf geraucht, weil ich mich sehr viel beschwert habe und ihnen gute Ansätze geliefert habe, wo wir uns verbessern können. Deshalb hat Eschenbacher gleich den Termin im Werk in Noale gemacht. Er hatte sehr viele Ideen für die Zukunft, wie wir das Elektronik-Set-up eventuell gleich fürs erste Training auf ein besseres Niveau bringen können.
Das Wochenende in Austin hat uns bei der ECU auf alle Fälle sehr stark vorwärts gebracht.
Wie weit ist die Marelli-Software jetzt noch von der Honda-Factory-Software oder von der Aprilia-APX-Software entfernt?
Mei, das kann ich so nicht sagen. Das ist schwierig zu bestimmen oder zu beurteilen. Es fehlt schon noch ein deutlicher Schritt. Ich würde sagen, wir liegen bei 70 Prozent der früheren Kapazitäten der Factory-Elektronik, weil die Motorsteuerungen von Honda und Aprilia noch ein bisschen feiner und akkurater gearbeitet haben.
Aber es geht in die richtige Richtung. Unsere Elektroniker wissen, wo sie den Hebel ansetzen müssen. Das ist wichtig, weil bei Verbesserungen und Veränderungen keine drastischen Nachteile in anderen Bereichen entstehen.
Die Ingenieure haben jetzt Vertrauen zu dieser ECU gefunden und die richtigen Rädchen, an denen sie schrauben und drehen müssen.
Ausserdem weisst du jetzt: Die Gegner haben auch keine bessere Motorsteuerung.
Ja, die andern haben auch nichts anderes. Bei dieser Marelli-ECU ist es wichtig, Geduld zu haben, sie ist sehr arbeitsintensiv, es müssen sehr viele Spezialisten dran sitzen, die ECU programmieren und beobachten und überwachen. Man muss alles immer noch einmal durchchecken und drüber schauen, damit ja keine einzelne Zahl vertauscht oder irrtümlich verändert wird.
In dieser Phase ist ein Werksteam wie Aprilia vorteilhaft, weil hier mehr Manpower vorhanden ist wie bei einem Kundenteam wie LCR oder Tech3 oder Marc VDS?
Ja, bei uns waren deshalb in Texas klare Fortschritte erkennbar.
Auch das Reifenfabrikat ist neu in diesem Jahr. Es gab im Herbst grosse Bedenken wegen der Michelin-Vorderreifen. Diese Sorgen sind etwas in den Hintergrund getreten, weil es bei Baz und Redding in Sepang und Las Termas schon zwei Hinterreifen-Katastrophen gab.
Das Gefühl für den Vorderreifen ist inzwischen akzeptabel. Es ist nicht wie bei Bridgestone, das Gefühl ist anders. Wir haben uns aber inzwischen ein bisschen daran gewöhnt.
Gut, in Argentinien ist bei Redding wieder einmal der Super-GAU passiert, so etwas darf nicht passieren. Deshalb haben wir befürchtet, Texas könnte beim Hinterreifen ein Katastrophen-Wochenende werden. Aber der Reifen hat ganz gut funktioniert.
Beim Vorderreifen kommt es darauf an, welche Mischungen und welche Varianten wir zur Verfügung haben. Ich habe jetzt den Typ 34G gefunden, der mir bei heissen und auch bei etwas kühleren Bedingungen entgegen kommt. Er gibt mir Vertrauen, weil ich einschätzen kann, wie sich dieser Reifen verhält. Das war auch bei Bridgestone immer klar. Wenn wir dort vorne den 33er genommen haben, der war ein guter Kompromiss. Er hat eine gute Bremsstabilität gehabt und ein gutes Gefühl vermittelt.
Der 34er bei Michelin ist akzeptabel.
Man hat im Fernsehen bei den Vorderradstürzen trotzdem gesehen, wenn man Rossi anschaut in Texas, wenn dieser Reifen wegrutscht, dann passiert es schlagartig, dann ist es meistens etwas unerklärlich.
Crutchlow, Smith und Pedrosa sind in Texas im Rennen auch übers Vorderrad gestürzt?
Ja, aber diese drei waren viel auf der Bremse. Bei Rossi war es ein typischer Michelin-Crash, Kurvenmitte und in maximaler Schräglage – zack-bumm, weggerutscht, Feierabend.