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Hervé Poncharal (Tech3): Das Dilemma der Privatteams

Von Günther Wiesinger
Nach dem Abgang der Fahrer Bradley Smith und Pol Espargaró (er ist aktuell WM-Sechster) lässt Tech3-Teambesitzer Hervé Poncharal seinem Frust freien Lauf.

Hervé Poncharal hadert mit seinem Schicksal und ärgert sich über den Verlust seiner Topfahrer Bradley Smith und Pol Espargaró, die 2017 und 2018 gemeinsam bei Red Bull KTM fahren werden.

«Wir sind jetzt ein C-Team», bedauerte der Franzose beim Catalunya-GP.

Das Tech3-Team sollte eigentlich das Junior-Team von Yamaha bilden, doch es sind dort auch schon Routiniers wie Colin Edwards, Cal Crutchlow und Andrea Dovizioso gefahren.

Da Poncharal für 2017 bereits den 22-jährigen Rookie Jonas Folger engagiert hat und sich Fahrer wie Alex Rins bisher nicht aufdrängen, kann sich Poncharal auch einen mittelalterlichen Fahrer für die unmittelbare Zukunft vorstellen.

Zum Beispiel Johann Zarco, der allerdings eine Option bei Suzuki unterschrieben hat und vertraglich bisher in einer unübersichtlichen Situation steckte.

«Ich muss mich jetzt auf dem Markt umsehen und abklären, welche Fahrer verfügbar sind. Entweder nehmen wir einen sehr, sehr jungen Fahrer aus der Moto2, der wenig Erfahrung hat. Das ist dann ein Fragezeichen, was die Performance in der MotoGP betrifft. Das könnte gut gehen, könnte aber auch in einem Desaster enden», ahnt der Tech3-Teamchef. «Oder wir einigen uns mit Zarco, der nicht mehr der Jüngste ist. Ob ich mir einen etablierten MotoGP-Fahrer wie zum Beispiel Cal Crutchlow vorstellen könnte? Obwohl wir ohnedies nicht mehr als Rookie-Team bezeichnet werden können, weil wir seit Ende 2010 keinen Fahrer mehr ins Yamaha-Werksteam befördert haben, sollten wir keinen Fahrer holen, der schon einmal bei uns war. Damit will ich nichts gegen Cal sagen, wir haben ein ausgezeichnetes, freundschaftliches Verhältnis. Wir waren drei Jahre zusammen, jetzt hat er drei Jahre auf unterschiedlichen Fabrikaten hinter sich. Welchen Sinn würde es machen, ihn hierher zurückzuholen? Unsere Aufgabe ist es, für Yamaha die Zukunft vorzubereiten. Unser Job ist es ausserdem, etwas Aufregendes für die MotoGP-Serie zu gestalten. Wenn wir einen ganz jungen Fahrer nehmen, gibt das gute Storys für die Medien. Die Story Cal-Yamaha-Tech3 ist erzählt, das Thema ist abgedroschen. Selbst wenn wir eine seltsame, überraschende Wahl treffen, so haben wir bei einem Rookie zumindest die Chance, einen Volltreffer zu landen.»

Poncharal: «Wir sind nicht reizvoll genug»

Natürlich besteht bei Tech3-Yamaha für den Fahrer immer die Chance, eines Tages ins Movistar-Werksteam aufgenommen zu werden, auch wenn dort die Plätze durch Rossi und Viñales für 2017 und 2018 blockiert sind.

Poncharal: «Alex Rins wäre zum Beispiel für uns ein sehr aufregender Fahrer. Aber man hat ja überall gelesen, dass er unbedingt sofort in ein MotoGP-Werksteam wechseln will. Alex wäre bei uns sehr willkommen. Er hat auch den passenden Sponsor – Monster. Das würde Sinn machen. Er wäre eine vielversprechende Variante für uns. Aber ich habe Verständnis für Alex: Er sieht genau, dass ein Tech3-Deal momentan nicht die beste Route ist, um später einen Platz im Yamaha-Werksteam zu bekommen. Er sieht ja, wer 2017 statt Lorenzo im Werksteam fährt, keiner aus dem Tech3-Team. Trotzdem war ich überrascht, dass der Vater von Alex Rins in einem Interview gesagt hat, sie würden lieber ein drittes Moto2-Jahr absolvieren, wenn sie keinen MotoGP-Platz in einem Werksteam finden. Ist es wirklich besser, ein Jahr in der Moto2 zu bleiben statt zum Beispiel zu LCR, Pramac oder Tech3 zu kommen? Das bedeutet, dass die talentierten, jungen Fahrer, die wir in den Privatteams brauchen und die unsere Sponsoren anlocken wollen, nicht zu uns kommen wollen. Wir sind ihnen nicht reizvoll genug. Wir sind nicht genug beliebt bei den Jungen.»

Bei Tech3-Yamaha fuhren und fahren immer wieder Piloten mit Yamaha-Werksverträgen. Poncharal: «Der erste war Colin Edwards, der damals noch ein Jahr im Werksteam fahren hätte sollen, Yamaha hat ihn aber dann zu uns gesteckt», erinnert sich Poncharal. «Danach hatten wir 2010 Ben Spies, seit 2014 Pol Espargaró. Die restlichen Fahrer waren bei Tech3 unter Vertrag. Yamaha und wir, wir helfen uns gegenseitig. Wir arbeiten zu zusammen.»

«Dass Pol und Bradley ins KTM-Werksteam gehen, statt bei uns zu bleiben, beweist die Zugkraft der Werksteams», sagt Poncharal. «Niemand hat die MotoGP-KTM bisher auf der Strecke gesehen. Niemand kann einschätzen, wie lange es dauern wird, bis sie konkurrenzfähig sind. Vielleicht sind sie schon jetzt sehr schnell. Vielleicht dauert es einige Zeit, bis sie den Level der Top-Teams erreichen. Trotzdem haben es unsere Fahrer vorgezogen, unbekanntes Territorium zu betreten, Hauptsache, sie haben ein Werksmotorrad. Das ist ihnen lieber, als eine Fast-Werks-Yamaha zu haben. Wir müssen uns also überlegen: Was können wir tun, um auch in Zukunft vielversprechende Talente anzulocken. Wenn alle in die Werksteams von Honda, Yamaha, Ducati und so weiter gehen wollen, bleiben für uns keine Spitzenfahrer mehr übrig. Der Trend ist klar: Jeder will Werksfahrer werden.»

«Ich habe teilweise Verständnis für die Fahrer, ich will mich nicht darüber beschweren, aber ich möchte trotzdem meine Sorge zu dieser Mode ausdrücken. Wir stecken in einem Dilemma. Klar, die Fahrergagen spielen eine Rolle. Aber in einem Werksteam hast du auch das ganze Werk hinter dir, deine Wünsche werden erhört, du bekommst ein massgeschneidertes Bike statt ein Motorrad, das ähnlich ist wie die Vorjahres-Werksmaschine. Du darfst auch nicht unterschätzen, wie stark ein Hersteller das Image eines Fahrers promoten kann, sie verfügen über ganze andere Netzwerke und Kanäle. In diesem Punkt können wir als Privatteam nicht konkurrieren. Wir können gegen einzelne Werke bestehen, aber ein Werk kann einem Fahrer viel mehr bieten als wir. Das verstehe ich.»

Natürlich beschäftigt sich Hervé Poncharal bei seiner Fahrersuche für die Saison 2017 auch mit Moto2-Weltmeister Johann Zarco, der 2017 schon wieder drei WM-Rennen gewonnen hat. «Johann hat irgendeine Art von einem Agreement mit Suzuki. Das hat er in Le Mans verlautbart, glaube ich», sagt Poncharal. «Wie dieser Vertrag genau aussieht, das kann den Medien nur Johann Zarco oder sein Management verraten. Das ist nicht meine Aufgabe. Ich weiss nur, dass Johann zu einem Wechsel zu uns bereit ist. Das erlaubt sein Vertrag ganz offenbar.»

Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis sagte in Mugello, man habe Pol Espargaró nie für den Platz im Werksteam für 2017 in Betracht gezogen, der durch den Weggang von Lorenzo freu wurde. Vielleicht wurde Espargaró durch diese Aussagen Richtung KTM vertrieben?

«Pol wurde damals nach dem Titelgewinn in der Moto2-WM direkt vom Yamaha-Werk unter Vertrag genommen», erinnert sich Poncharal. «Man wollte ihn bereits in der Familie haben für den Fall, dass er eines Tages für das Werksteam gebraucht wird. Warum Lin Jarvis diese Aussage gemacht hat, kann ich nicht beurteilen. Es war sicher nicht nett für Pol, so etwas zu hören. Er hat sich zweieinhalb Jahre abgerackert, um sich fürs Werksteam zu empfehlen. Darauf hat er die ganze Zeit gewartet. Wenn du dir dann so etwas anhören musst... Puuhh. Ich weiss nicht, ob diese Aussagen Einfluss auf die Entscheidung von Pol gehabt haben. Diese Frage kann nur er selbst beantworten. Er hat gepusht und sich angestrengt, um ins Werksteam zu kommen. Er fühlte sich gewiss nicht gerade komfortabel, als er gesehen hat, dass ihm ein jüngerer Fahrer von einem anderen Hersteller vorgezogen wird.»

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