BMW-Boss Marquardt: «Kein Wettrüsten in der DTM»
BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt
Nach 16 von 18 DTM-Rennen hat BMW Werksfahrer Marco Wittmann noch theoretische Chancen auf den Titelgewinn. Bei Teams und Herstellern liegt Platz eins in den Gesamtwertungen bereits außer Reichweite. BMW Motorsport Direktor Jens Marquardt analysiert im Interview die Gründe für die schwierige Saison 2017 und erklärt, wie sich BMW die Zukunft der DTM vorstellt.
Herr Marquardt, die DTM-Saison 2017 geht am Wochenende zu Ende. Welches sportliche Fazit ziehen Sie?
Seit unserem DTM-Comeback im Jahr 2012 haben wir in jedem Jahr mindestens einen Titel gewonnen. Und auch vor den beiden abschließenden Rennen in Hockenheim bestehen noch rechnerische Chancen, dass Marco Wittmann den Fahrertitel holen kann. Solange das so ist, werden wir alles geben – und wie immer bis zur letzten Runde kämpfen.
Woran liegt es, dass in diesem Jahr die Konkurrenz vorne steht?
Auf der Suche nach den Ursachen können wir zwei große Faktoren ausmachen. Da sind zum einen die eigenen Fehler: Es darf uns nicht passieren, dass wir – wie in Zandvoort – durch einen halben Liter Benzin 25 Punkte verlieren. Wenn das nicht passiert, dann sieht es in der Fahrerwertung schon wieder ganz anders aus. Zum anderen haben wir in den vergangenen Rennen das wahre und um die Performance-Gewichte bereinigte Kräfteverhältnis in der DTM 2017 gesehen. Dies hat ein grundlegendes Problem der DTM mit seinem Homologationszyklus von zwei Jahren offenbart: Wenn es zu Ungleichgewichten kommt und korrigierende Elemente wie das Performance-Gewicht nicht greifen, dann kann das nicht im Sinne der Fans sein.
Wie lässt sich so etwas für die Zukunft verhindern?
Da gibt es letztlich drei Möglichkeiten. Zunächst käme der Ausgleich durch Performance-Gewichte in Frage. Aber wir haben uns im Sinne des Sports richtigerweise geeinigt, darauf künftig zu verzichten. Ein weiteres Szenario ist, dass die beiden anderen Hersteller ihren Ressourcen-Einsatz erhöhen, um das Defizit auf den Mitbewerber auszugleichen. Die Folge einer solchen Situation ist ein technisches Wettrüsten, wie wir es auch in der Formel 1 oder in der LMP1-Klasse gesehen haben. Das kommt für uns jedoch in der DTM nicht in Frage, nicht zuletzt deshalb haben wir uns auf lange Homologationszyklen geeinigt. Der dritte Ansatz umfasst die Vereinheitlichung von Teilen im sichtbaren und für die Fans nicht sichtbaren Bereich sowie die Reduzierung der Aerodynamik. Dies hat viele positive Effekte: Unter anderem wird das Racing verbessert, da die Autos aerodynamisch weniger sensibel sind. Und wir senken die Kosten.
Welches ist der von Ihnen bevorzugte Weg?
Wir vertreten den dritten Ansatz als ganz klare BMW Position. Er repräsentiert zugleich unsere Vision für die Zukunft der DTM: Die Rolle der Serie kann nicht darin liegen, dass sie für einen Hersteller als LMP1-Ersatz dient. Ein Wettrüsten muss unbedingt verhindert werden – und das findet nun einmal zu großen Teilen in der Aerodynamik statt. Das wichtigste Alleinstellungsmerkmal der DTM muss es sein, einen spektakulären, engen Wettkampf aller involvierten Hersteller zu ermöglichen bei dem der Fahrer im Vordergrund steht. Die Leistung der Piloten soll am Ende den Ausschlag geben. Denn die DTM muss für ein Renn-Spektakel der besten Tourenwagen-Fahrer der Welt stehen – und nicht für einen teuren Wettstreit der Ingenieure. Dazu ist es unerlässlich, die Aerodynamik endlich signifikant zu reduzieren. Es darf nicht mehr möglich sein, etwa durch den Einsatz von in anderen Rennserien freigewordenen Ressourcen das System auszuhebeln. Deshalb haben wir uns schon von Beginn an für den so genannten Berger-Vorschlag ausgesprochen – und freuen uns, dass uns die anderen auf diesem Weg folgen.
Wie kann ein Hersteller unter solchen Voraussetzungen noch seine Kernkompetenzen demonstrieren?
Wenn wir wie in der DTM Motoren mit Turbo-Technologie einsetzen, die besten Boxenstopps absolvieren, das beste Set-up finden und im gleichen Zuge die Komplexität die Fahrzeuge in einem für die Fans praktisch nicht sichtbaren Bereich reduzieren, dann gewinnt am Ende jeder – und vor allem der Zuschauer. Und darum muss es uns doch letztlich gehen: Was wollen die Fans sehen und was nicht? Wir sind der Überzeugung, dass die Fans Sekundenbruchteile, die im Aerodynamik-Bereich gewonnen werden, kalt lassen. Sie wollen spektakulären Motorsport und bestenfalls ihren Lieblingsfahrer oder Lieblingsmarke gewinnen sehen. Für die Fans sitzen die Helden nun einmal im Cockpit, nicht an den Laptops.
Welche Rolle kann die DTM dann künftig innerhalb der BMW Group einnehmen, auch im Vergleich zu anderen Rennserien?
Wir sind bei BMW hervorragend aufgestellt: Mit der DTM wollen wir spektakuläre, stark fahrerorientierte Sprintrennen auf hohem Niveau bieten, bei denen sich die besten Tourenwagenfahrern der Welt untereinander messen. Mit dem BMW M8 GTE stellen wir die Innovationskraft des Unternehmens in den anspruchsvollsten GT-Rennserien der Welt unter Beweis. Die Formel E nutzen wir als Technologie-Labor für die Entwicklung künftiger BMW iNEXT Modelle und zeigen Innovations- und Integrationskompetenz in der Elektromobilität auch auf der Rennstrecke. Und mit dem Kundensport sind wir ganz nah an der Serie. Das Portfolio ist in seiner Bandbreite einzigartig. Jedes Engagement erfüllt eine ganz eigene Funktion mit individuellen Zielsetzungen.
Glauben Sie also an eine Zukunft der DTM?
Natürlich stellt der angekündigte Mercedes-Ausstieg die DTM vor große Herausforderungen. Wenn man sich im Fahrerlager umschaut, dann wird einem aber die ganze Dimension der DTM bewusst – mit all den Zulieferern und Partnern, mit den vielen Fans auf der Tribüne und vor den Fernsehern und mit ihrer Bedeutung in der internationalen Motorsport-Szene insgesamt. 2012 sind wir in die DTM eingestiegen, weil wir an diese Serie glauben. Wer weiß, ob es die DTM ohne diesen Einstieg heute überhaupt noch geben würde. Wir müssen nun für den weiteren Erhalt der Serie kämpfen – und genau das tun wir mit Hochdruck. Die kommenden Monate werden in jedem Fall sehr spannend.