Pascal Wehrlein: «Druck macht mir nichts aus»
Pascal Wehrlein ließ sich ausgiebig feiern. Nach seinem ersten DTM-Sieg wurde der 19-Jährige in der Mercedes-Hospitality wie bei Siegen üblich mit dem Klassiker «Congratulations and Celebrations» von Cliff Richard empfangen. Es gab tosenden Applaus für den Youngster, der mit dem Erfolg auf dem Lausitzring DTM-Geschichte geschrieben hatte. Wehrlein ist der jüngste Rennsieger in der Geschichte der Tourenwagen-Serie.
Und Wehrlein war gelöst. Es war eine Mischung aus purer Freude, Glück, Stolz und auch Erleichterung. Erleichterung, dass er endlich zeigen konnte, was in ihm steckt. Wehrlein umarmte zunächst seine Eltern, ehe er ein paar Worte an die zahlreichen Gäste richtete. Und dabei nach dem Siegersekt auch zugab: «Ich habe jetzt schon Schwierigkeiten, nicht zu nuscheln.»
Einen Tag nach seinem Sieg folgte der nächste Schritt in seiner Karriere, die er sowieso schon im Rekordtempo vorantreibt: Wehrlein wurde vom Formel-1-Team von Mercedes zum Ersatzfahrer befördert.
In der Reihe «Typen der DTM» stellen wir diesmal einen der kommenden Typen vor. Wenn Wehrlein im kommenden Jahr überhaupt noch in der DTM fährt. Bei dem Tempo…
Pascal, wie hast du das Rennen auf dem Lausitzring erlebt?
Am Start war es ziemlich eng. Aber ich wusste, dass ich meine Position unbedingt verteidigen muss. Dann war der Speed am Anfang unglaublich. Ich war fast eine Sekunde schneller als alle anderen. Am Ende vom Regenreifen-Stint hatte ich ein wenig Probleme, weil ich die Reifen überstrapaziert hatte. Wir mussten die Runden aber noch fertig fahren, um dann auf die Optionsreifen zu wechseln. Ich hätte gerne früher gewechselt, musste das aber noch sieben Runden lang managen. Der Vorsprung wurde etwas kleiner. Aber sobald der Optionsreifen drauf war, ging es wieder nach vorne. Zehn Runden vor Schluss hat mir mein Ingenieur dann gesagt, dass ich Speed rausnehmen und das Rennen nach Hause fahren soll. Ich habe es sehr genossen.
Wie muss man sich das auf den letzten zehn Runden vorstellen: Geht dir dann durch den Kopf, dass du jüngster Sieger werden kannst?
Da denkt man gar nicht drüber nach. Man bleibt weiterhin aggressiv und versucht, schnelle Rundenzeiten zu fahren. Aber natürlich geht man an gewissen Stellen auch weniger Risiko ein. Denn es gibt auf dem Lausitzring ein paar Stellen, wo man teilweise nah dran ist, von der Strecke zu rutschen oder sich das Auto zu beschädigen.
Was bedeutet es dir, dass du mit dem Sieg DTM-Geschichte geschrieben hast?
Ich freue mich mega, dass ich es zum ersten Mal geschafft habe. Aber ob ich jetzt Geschichte geschrieben habe oder der jüngste DTM-Sieger bin, interessiert mich eigentlich nicht so sehr. Ich hatte einen unglaublichen Speed und bin mit dem Auto super zurechtgekommen. Das Rennen wird mir auf jeden Fall lange in Erinnerung bleiben.
Vor der Fußball-WM gab es gewisse Turbulenzen. War es manchmal schwierig, den Fokus auf den Rennsport zu halten?
Ich möchte eigentlich nicht viel dazu sagen. Klar war es keine einfache Situation für mich. Aber ich mache Motorsport, seit ich acht Jahre alt war. Mein Traum war immer die Formel 1. Ich habe meine ganze Zeit in den Motorsport investiert. Deshalb verliert man sein Ziel nicht aus den Augen.
Erkläre doch bitte mal, wie schwer es war, sich nach dem schwierigen Saisonstart zu motivieren? Oder war das erst ein Ansporn, um sich zu motivieren?
Man ist immer motiviert. Am Anfang der Saison war es so, dass wir nur durch glückliche Umstände schnell waren. Wenn es zum Beispiel geregnet hat, oder das Safety Car gerade zum richtigen Zeitpunkt rauskam. Aber man will sich auch im Team durchsetzen. Das ist auch eine Motivation. Und jetzt kommen wir an den Punkt, an dem wir das Auto verstehen und immer weiter verbessern.
Was war der erste Gedanke, als du nach einem halben Jahr Winterpause, viel Vorbereitung und Arbeit dann in Hockenheim so hinterher gefahren bist?
Natürlich ist man enttäuscht. Es ist ja nicht so, dass wir uns seit letztem Jahr nicht verbessert hätten. Aber die anderen haben einfach größere Schritte gemacht. Aber es gibt einem auch irgendwo die Motivation, noch mehr rauszuholen und ich denke das machen wir momentan.
Wie viel weibliche Fanpost bekommst du eigentlich?
Oh je, ich bekomme jeden Tag Post. Aber eigentlich nur ganz normale Sachen. Autogramme, Bilder oder so etwas.
Ein Heiratsantrag war noch nicht dabei?
Nein. Eher Fragen nach einem Treffen. So etwas kommt vor allem über das Internet. Aber darauf eingegangen bin ich nicht.
Wirst du auf der Straße inzwischen öfter erkannt?
Ja, auf jeden Fall. Bei mir in der Umgebung kennt man mich. Seit ich in der DTM fahre, ist es natürlich mehr geworden. Beispielsweise in Restaurants oder wenn ich durch die Stadt laufe: Jeder erkennt einen und man spricht kurz miteinander.
Findest du das in Ordnung so oder könnte das noch ein bisschen mehr sein?
Je nachdem. Irgendwann - wenn es zum Beispiel den ganzen Tag passiert - wird es natürlich auch stressig. Aber momentan geht es noch. Ich finde es sogar gut, dass man erkannt wird. Man erhält Ansehen für das, was man macht und das finde ich gut.
Würdest du zustimmen, wenn ich dir jetzt sage, dass du von Anfang bis jetzt eine Bilderbuchkarriere hingelegt hast?
Ja. Es kann aber auch noch einiges kommen. Viele, die ich von früher kenne, haben davon geträumt. Ich sehe jedes Jahr, wie die Leute, die ich von früher kenne, weniger werden. Ich bin einer von denjenigen, die es in die DTM geschafft haben und mit Motorsport Geld verdienen. Ich bin bei Mercedes unter Vertrag. Davon träumt sowieso jeder. Und deswegen bin ich mit meiner Karriere bisher wirklich sehr zufrieden.
Hast du dir vorher einen Plan gemacht? Das und das möchte ich dann und dann erreichen?
Nein, gar nicht. Ich wollte immer nur alles so schnell wie möglich erreichen. Aber einen Plan gibt es da nicht.
Wie würdest du dich selber charakterisieren. Als Mensch und als Rennfahrer?
Als Rennfahrer bin ich vor allem ehrgeizig. Ich möchte alles immer so schnell wie möglich erreichen und ich gebe mir selbst sehr wenig Zeit, um das zu schaffen. Ich denke, das macht mich aus und ist mit ein Grund, warum ich der jüngste Fahrer in der DTM bin. Den größten Druck mache ich mir immer selber. Ich denke, ich lerne sehr schnell und kann, wenn alles glatt läuft, auch um die vorderen Platzierungen mitfahren.
Wie gehst du selbst mit Druck um?
Druck macht mir eigentlich nichts aus. Von außen gibt es auch eigentlich keinen Druck. Denn im vergangenen Jahr hat niemand etwas Großes von mir erwartet. Und in diesem Jahr bin ich permanent bei den vorderen Mercedes dabei. Ich fühle mich wohl und deswegen gibt es auch keinen Druck.
Du kannst auch ganz gut kicken. Warum hast du dich gegen eine Karriere als Fußballer entschieden?
Weil ich besser Rennen fahren kann als Fußball spielen. Fußball war quasi mein zweites Hobby. Für mich war es immer klar, dass ich Rennfahrer werden will. Und darauf habe ich mich auch immer konzentriert. Es war immer so, dass Motorsport Vorrang hatte.
Wenn man dich so erlebt, bist du immer eher zurückhaltend und ruhig. Wann wirst du denn mal laut?
Gar nicht. Ich habe mich eigentlich immer unter Kontrolle.
Hast du denn ein Ritual vor dem Rennen? Oder einen Spleen?
Vor dem Rennen möchte ich vor allem meine Ruhe haben. Wir sind den ganzen Tag viel unterwegs mit Medien- oder PR-Terminen, Interviews oder Meetings mit den Ingenieuren und Mechanikern. Und eine Stunde, bevor ich ins Auto steige, will ich meine Ruhe haben. In Ruhe noch eine Kleinigkeit essen und dann im LKW für mich alleine sein.
Wer ist dein Vorbild?
Ganz früher Mika Häkkinen. Ansonsten war ich immer Mercedes-Fan.
Du hast zielstrebig deine Karriere verfolgt. Auf wie viel musstest du verzichten, was Freizeit und Freunde angeht?
Im Vergleich zu anderen in meinem Alter musste ich natürlich auf einiges verzichten. Aber wenn man ein Ziel hat, dann gehört das dazu. Und dann macht man sich gar keine Gedanken darüber: ‚Was hätte ich jetzt machen können oder auf was musste ich jetzt verzichten?. Sondern man macht das gerne, das gehört dazu und man hat ja sein Ziel und einen Traum, das zu erreichen.
Vermisst du es manchmal, wie andere junge Leute mal um die Häuser zu ziehen?
Wenn ich im Winter zuhause bin, kann ich auch mal um die Häuser ziehen. Man muss wissen, wie und was man macht und dass man sich mehr benehmen muss. Ich finde es sogar eher besser, denn wenn man etwas jeden Tag oder jedes Wochenende macht, macht es irgendwann auch keinen Spaß mehr. So hat man das im Winter oder auch mal während der Saison, wenn man ein freies Wochenende hat. Zwar nicht so häufig, aber dann macht es auch viel mehr Spaß, weil es etwas Besonderes ist.
Es wird ja immer gesagt, dass der DTM die Typen fehlen. Wie siehst du die Diskussion? Fehlen der DTM die Typen?
Ich finde nicht, dass die Typen fehlen. Ganz im Gegenteil sogar. Auch wenn man unsere Rennen sieht, wird schnell klar, dass da richtige Typen unterwegs sind und keine Wegdrücker.
Warum bist du ein Typ?
Schwierige Frage. Ich denke, weil ich jung an mein Ziel gekommen und mich viele Jahre gegen andere durchsetzen musste. Weil ich so schnell lerne, weil ich Perfektionist bin und so wenig Fehler wie möglich machen will. Im Endeffekt ist es wichtig, dass jeder seine eigene Meinung hat.
Hältst du dich in der ganzen Diskussion bewusst zurück?
Ja, ich will dazu nicht viel sagen. Es kommt auch nicht gut rüber, wenn sich ein 19-Jähriger über alles beschwert. Natürlich kann man sagen, was man verbessern könnte. Zum Beispiel wäre es schön, wenn die Serie und die Fahrer noch bekannter wären.
Aber es wäre ja mal interessant zu wissen, was ein 19-jähriger denkt, wie er besser verkauft werden könnte?
Bei mir bin ich im Moment eigentlich ganz zufrieden. Mit den Auftritten, die ich habe, wächst meine Persönlichkeit und ich werde bekannter. Ich war zuletzt beim ‚Weißen Fest‘, wo viele bekannte Leute waren. Ich war beim ‚Kick für Kinder‘, wo ich mit Sebastian Vettel zusammen gespielt habe. Was kann man mehr machen?
Es gibt auch den Vorwurf, die Fahrer seien zu sehr markengesteuert. Musst du bei Mercedes aufpassen, was du sagst?
Natürlich gibt es Themen, bei denen man ein bisschen mehr aufpassen muss, was man darauf antwortet. Trotzdem bin ich auch ich selbst und kann sagen, wenn ich etwas gut oder nicht gut finde. Unabhängig davon, dass ich an die Marke denken muss. Sondern die Marke will ja auch, dass wir Fahrer unsere eigene Meinung haben. Dass sie Fahrer haben, die ihre Meinung sagen. Und keine Fahrer, die nur versuchen alles schön zu reden. Da profitiert ja auch niemand von. Von Mercedes gibt es keinen Druck oder Stress, dass wir nur bestimmte Sachen sagen dürfen.
Was würdest du denn sagen, was momentan in der DTM schiefläuft?
So viel ist das gar nicht. Ich würde mir bei den Autos mehr Leistung wünschen. Und mehr Rennen. Zehn Rennen im Jahr sind wenig. Ich finde es auch schade, dass wir am Freitag nur noch Roll-out fahren. Und am Samstag ist dann dafür alles viel enger. Zwischen dem freien Training 1 und 2 hat man nur eine Stunde Zeit, was wirklich sehr stressig ist. Denn das ist eigentlich die wichtigste Zeit, in der man das Auto verbessern kann. Und danach kommt dann auch schon das Qualifying und da darf man ja gar nichts mehr ändern für den Rennsonntag.
Was wäre dir denn lieber? Zum Beispiel 14 Rennen an 14 verschiedenen Wochenenden oder auch mal zwei an einem Wochenende?
Lieber mehr Wochenenden. Wir haben an einem Wochenende schon jetzt ein ziemlich straffes Programm. Und dann noch ein Rennen mehr? Klar könnte man es irgendwie hinkriegen, aber dann müssten wir wieder am Freitag fahren. Mir wären mehr Wochenenden lieber, denn zehn Wochenenden im Jahr sind auch nicht viel.
Wenn du es dir jetzt wünschen könntest: Welche Strecke oder welches Land würdest du gerne sehen?
Ob Ausland oder nicht, viel von dem Land sehen wir sowieso nicht. Wir sehen die Rennstrecke, den Weg zum Hotel und zum Flughafen. Wir haben keine Zeit, am Mittag mal einen Ausflug mit Picknick zu machen. Aber eine meiner Lieblingsstrecken ist der Sachsenring. Zolder finde ich cool, Valencia ist cool. Barcelona, Monaco wären auch gut, oder Spa und Monza. Es gibt genug Strecken, die gut sind, aber auch unsere Strecken, die wir in diesem Jahr fahren, sind gut. Ich würde mir einfach wünschen, mehr Rennen zu fahren und dann kommen die Strecken automatisch dazu.
Du warst ja schon bei der Formel 1 und hast da das ganze Ambiente miterlebt. Was ist da der Unterschied zur DTM?
Es sind zwei verschiedene Welten. Ich fand es bei der Formel 1 komisch, als ich durch das Fahrerlager gelaufen bin und dort nicht viel los war. Da dürfen die Fans nicht ins Fahrerlager und das war schon seltsam, denn in der DTM ist an einem Renntag wirklich die Hölle los. Auf der anderen Seite sind viel mehr Leute bei einem Formel-1-Team involviert. In der DTM ist alles ein bisschen kleiner, aber auch familiärer. Die Leute kommen mehr an die Fahrer ran. Deswegen kann man es wirklich schlecht vergleichen.
Was gefällt dir besser?
Ein Mix aus beidem.