MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

Idee von Ross Brawn: Rennen ohne WM-Punkte

Von Mathias Brunner
​Ex-Ferrari- und -Mercedes-Technikchef Ross Brawn (62) arbeitet für Formel-1-Grossaktionär Liberty Media an der Entwicklung des GP-Sports. Der Engländer will wieder Rennen ohne WM-Punkte sehen.

Vor Jahren gehörten nicht zur WM zählende Formel-1-Rennen zum festen Programm. Die berühmtesten beiden waren das «Race of Champions» in Brands Hatch (von 1965 bis 1983) und die «International Trophy» in Silverstone.

Durchorganisierte Formel-1-Wintertestfahrten wie derzeit auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya gab es damals nicht. Die Rennställe probierten ihre Autos auf kleinen Rennstrecken aus, dann wurden die neuen Renner in nicht zur WM zählenden Läufen ausprobiert.

Ross Brawn, früherer Erfolgsteamchef von Benetton, Ferrari, BrawnGP und Mercedes, ist vom Formel-1-Grossaktionär Liberty Media dazu verpflichtet worden, sich um die Entwicklung des GP-Sports zu kümmern, was Technik und Reglement angeht.

«Ich fände es fabelhaft, wenn wir wieder ein Rennen hätten, das nicht zur Formel-1-WM gehört», sagt Brawn gegenüber der britischen Sky. «Das wäre dann ein Spielfeld für Experimente, ohne dass ein Rennstall riskieren muss, WM-Zähler zu verlieren. Ein Rennen pro Jahr wäre prima. Dort könnten wir mit einem neuen Rennformat herumpröbeln und sehen, wie das bei den Fans ankommt.»

«Im Rahmen der Formel-1-WM können wir uns solche Experimente nicht leisten. Aber bei einem Rennen, in welchem es letztlich nur um die Ehre geht, könnten wir am Format feilen – und wenn die Fans diese Änderung begrüssen würden, könnten wir sie für die WM umsetzen.»

Das bislang letzte Rennen, das nicht zur WM zählte, fand 1983 auf der GP-Rennstrecke von Brands Hatch in der Grafschaft Kent statt – als «Marlboro Race of Champions». Bei typisch englischem Aprilwetter siegte Keke Rosberg (Williams) vor Danny Sullivan (Tyrrell) und Alan Jones (Arrows). Das Rennen führte über 40 Runden und daurte 53 Minuten.

Ross Brawn will sehr behutsam vorgehen: «Wenn wir das Format von Grands Prix zu ändern beginnen, dann müssen wir uns unserer Sache schon sehr sicher sein. Denn was wir gewiss nicht machen wollen: innerhalb der Saison zu wechseln.»

Nochmals Ross Brawn: «Wir müssen mit Sicherheit sagen können, dass die Fans ein neues Format lieben. Erst dann kommt eine Umstellung in Frage. Würden wir pro Wochenende zwei Rennen fahren, so wie die GP2, und dann merken wir aufgrund der Reaktionen, dass diese beiden Läufe eben doch nicht der Weisheit letzter Schluss wäre, dann gäbe es keinen Weg zurück. Wir wollen die langjährigen Fans nicht vergraulen, wir wollen sie unbedingt behalten. Wir wollen ihnen Mehrwert bieten und gleichzeitig weitere Menschen für die Formel 1 begeistern. Die Balance muss stimmen.»

2016: Blamage mit dem Abschlusstraining

Die Blamage eines verpatzten, neuen Formats hatten wir schon einmal, vor knapp einem Jahr: mit dem Rohrkrepierer Ausscheidungs-Qualifikation. Damals witzelten die Fans auf den sozialen Netzwerken: «Was ist eine Quali? Eine Qual – mit einem i.»

Im Rahmen des Formel-1-Saisonauftakts in Melbourne gab das neue Abschlusstrainingsformat viel zu reden. Die Ausscheidungs-Qualifikation (wenn immer der jeweils langsamste Fahrer rausfällt) wurde von den Fahrern abgelehnt, von den Teams unterschätzt, von den Fans gehasst. In Umfragen fand nur jeder Zehnte das Ausfallverfahren ganz in Ordnung, mehr als drei Viertel der Fans forderten hingegen: Vielen Dank dafür, und jetzt in Bahrain bitte wieder nach dem alten System.

Dort bewies die Formel 1 dann, wie man aus Schaden dümmer werden kann und liess das Feld noch einmal eine Ausscheidungs-Quali fahren.

Niki Lauda, Aufsichtsrats-Chefs des Weltmeister-Teams Mercedes, sparte nicht mit Kritik. Vor laufender Kamera erklärt der dreifache Weltmeister und RTL-TV-Experte: «Das war ein Griff ins Klo. Es war der grösste Fehler, hier was zu ändern.»

Mercedes-Teamchef Toto Wolff: «Das neue Format ist Müll. Wir wollten auf die Veranstalter hören, die sich eine Veränderung wünschten. Aber meine persönliche Meinung ist, dass wir die falsche Lösung gefunden haben.»

Leider beschloss die Strategiegruppe der Formel 1: Das unbeliebte Prozedere bleibt. Die Denke dahinter: Man wollte keine Kurzschlussreaktion vollführen, sondern sich das Training nochmals in Ruhe anschauen und dann sehen, was sich

Für Marc Surer war der Ärger programmiert. Der Basler Formel-1-Experte von Sky: «Das Ausscheidungsverfahren setzte die Teams gewaltig unter Druck. Man musste in den ersten sieben Minuten eine Zeit setzen, um eine Runde auf der sicheren Bank zu haben. 22 Autos versuchten folgerichtig, eine freie Runde ohne Verkehr zu erwischen. Damit waren vor allem in Quali 1, wenn am meisten Autos auf der Bahn sind, Durcheinander und Ärger vorgegeben. Hinzu kam, dass es keine Fahranweisungen über den Boxenfunk mehr geben durfte und die Piloten mehr auf sich selbst gestellt warn. Logisch, dass einige Teams das Timing nicht auf die Reihe bekamen, ihnen ging schlicht die Zeit aus.»

«In Q3 brauchten die Piloten einen Satz Reifen, um nicht nach fünf Minuten eliminiert zu werden. Den zweiten Satz schiessen die Spitzenfahrer beim Versuch ab, unter die letzten Zwei zu kommen, aber mehr als zwei Reifensätze gab es gar nicht. Also war klar: In den finalen 90 Sekunden wird gar nicht mehr gefahren, es statt ein tolles Duell zum Schluss Richtung karierter Flagge gab es null Action.»

Der australische Rennleiter lehnte sich damals auf die Piste hinaus und wedelte mit Inbrust seine karierte Flagge – einer leeren Rennstrecke entgegen. Das war so skurril, dass es schon wieder Situationskomik hatte. Über die Formel 1 brachen Spott und Hohn herein.

Für den China-GP kehrte die Formel 1 zur alten Quali zurück.

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