Sebastian Vettel (Ferrari) in Sorge: Motorenchef weg?
Die Kollegen von «Il Giornale» waren die Ersten mit der Nachricht, Ferrari schweigt sich zum Thema aus – wie üblich bei personellen Entscheidungen. Motorenchef Lorenzo Sassi habe das Rennteam verlassen. Nicht etwa, weil Teamchef Maurizio Arrivabene mit der Arbeit des Italieners unzufrieden sei. Sondern ganz im Gegenteil.
Um genau zu sein, macht Sassi einen so guten Job, dass Ferrari-Chef Sergio Marchionne den erfahrenen Techniker bei Fiat-Chrysler einsetzen will – Sassi soll dort seine Erfahrung im Bereich Hybrid für die Serienprodukte einsetzen.
Kein Rennfahrer sieht es gerne, wenn ein guter Mann das Team verlässt. Ferrari kämpft mit Mercedes motorenseitig auf Augenhöhe, und das ist zu einem erheblichen Teil das Verdienst von Sassi.
Sebastian Vettel ist am Red Bull Ring zum Abgang des Technikers befragt worden. Der vierfache Champion meint: «Ich weiss nicht ganz, worauf ihr euch bezieht. Dazu müsst ihr andere Leute im Team befragen.»
Der Italiener Leo Turrini, einer der bestinformierten Journalisten im Dunstkreis von Ferrari, sagt: «Schon vor Monaten hat Marchionne den Sassi gefragt, ob er nicht zu Fiat-Chrysler wechseln wolle – um eine Know-how-Lücke in Sachen Hybrik zu schliessen. Ich fände es zwar seltsam, wenn Marchionne freiwillig einen so guten Mann aus dem Sport abzieht. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass er Platzwechseln zwischen Serie und Sport sehr offen gegenübersteht. Er holte ja auch den Aerodynamiker Enrico Cardile aus der Serie in die Formel 1.»
Mattia Binotto und Lorenzo Sassi: Ein starkes Duo
Vor knapp einem Jahr bestätigte Ferrari, dass Technikchef James Allison den Rennstall verlassen hatte, es war der Abschluss einer zwei Jahre langen Phase, in welcher beim berühmtesten Rennstall der Welt kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Mattia Binotto übernahm neben seinem Posten als Chef der Motorenabteilung auch die Funktion des technischen Gesamtleiters.
Binotto war ein Glücksgriff: Als Chef der Motorabteilung hatte er nicht jedes Einlassventil selber entworfen, sondern eher die Funktionen eines Managers übernommen, das kommt ihm beim neuen Job zugute. Beim Design des Motors kann er sich ganz auf Lorenzo Sassi verlassen, der hervorragende Arbeit leistet.
Binotto gilt als Menschenkenner, guter Zuhörer, weiser Einschätzer einer Situation. Was Binotto von Allison unterscheidet – Binotto ist kein Chassis- und Aerodynamikspezialist. Hier muss er sich auf Chefdesigner Simone Resta stützen. Aber als Renningenieur hat Binotto ein grösseres Bild erfasst und seine Ausbildung komplettiert.
Marchionne und Arrivabene klopfen sich heute auf die Schulter, was die personellen Änderungen angeht, der Erfolg gibt ihnen Recht.
Aber Fakt ist: Was wir heute auf der Rennstrecke sehen, wurde vor vielen Monaten von James Allison in die Wege geleitet. Der Engländer sagte in Bahrain: «Alles, was Ferrari erreicht hat, ist den vielen Mitarbeitern in Maranello zu danken. Erfolg hängt in der Formel 1 nie an nur einer Person.»
Mattia Binotto ist exakt der gleichen Ansicht: «Wir haben in Maranello zahlreiche herausragende Ingenieure, wirklich gute Leute. Wenn wir heute Erfolg haben, dann ist das einfach ein Zeichen dafür, dass wir sehr hart gearbeitet haben und dass die ganzen internen Abläufe stimmen.»
Lorenzo Sassi ist ein wichtiges Puzzle-Teil in einem gelungenen Bild. Seine jüngste Ausbaustufe des 1,6-Liter-V6-Turbomotors aus Maranello wird in knapp einer Woche in England debütieren. So wie es aussieht, könnte es ein Abschiedsgeschenk sein.