Überfälle beim Brasilien-GP: Was die FIA nun fordert
Die Polizei soll in Brasilien aktiver werden
Der Weltrat des Automobilverbands FIA musste sich mit einem ungewöhnlichen Thema befassen: Raubüberfall. Auslöser waren eine Reihe von Überfällen sowie fehlgeschlagene Angriffe Bewaffneter auf Fahrzeuge der Rennställe und der FIA, dies alles im Rahmen des Grossen Preises von Brasilien im vergangenen November. Die Situation wurde damals auch dem Mailänder Formel-1-Alleinausrüster Pirelli zu brenzlig: Die Italiener sagten einen Zweitages-Reifentest mit McLaren-Honda kurzerhand ab und reisten nach Hause.
Am Rennwochenende wurden Kleinbusse von Mercedes, Pirelli, Williams, Sauber sowie von der FIA angegriffen. Mercedes-Teamchef Toto Wolff war erschüttert: «Sechs Leute von uns wurde mit vorgehaltenen Waffen überfallen, dabei wurden ihnen Wertsachen wie Geldbörsen und Uhren abgenommen, aber auch die Pässe. Natürlich war das für sie ein Riesenschock, aber zum Glück sind alle unverletzt aus der Situation hervorgegangen.»
Nach eingehender Beratung teilt der FIA-Weltrat nun mit: «Der Rat hat einen Bericht über die Vorkommnisse in Brasilien studiert, der vom Formel-1-Rechteinhaber eingefordert wurde (also von «Formula One Management», die Red.). In diesem Bericht wird festgehalten: Für die Sicherheit an der Rennstrecke ist der Promoter zuständig. Um die Sicherheit zu erhöhen, soll ein unabhängiger Experte eingesetzt werden. An der Piste wird eine Polizei-Zentrale errichtet. Die Kommunikation zwischen privaten Sicherheitskräften, Polizei und Formel 1 muss verbessert werden.»
«Die FIA ermahnt den brasilianischen Promoter, diese Änderungen einzuführen und damit die Sicherheitslage für die Veranstaltung von 2018 zu verbessern. Die FIA bietet an, an entsprechenden Diskussionen mit den lokalen Behörden teilzunehmen und wird die Entwicklung der Lage sorgfältig überwachen.»
João Doria, Bürgermeister von São Paulo, wehrte sich nach den Vorkommnissen gegen die Kritik an den Sicherheitsstandards entlang der brasilianischen Traditionsstrecke. «Was passiert ist, kann nicht gerechtfertigt werden. Aber ich habe schon schlimmere Fälle an Rennstrecken der ersten Welt gesehen. Es war das erste Mal, dass wir so einen Fall hatten.»
Natürlich ist das Quatsch: Das Verbrechen gehört zum Brasilien-GP wie ein Caipirinha nach Feierabend. Immer wieder ist es in den letzten Jahren zu Überfällen gekommen, und manch einer im Fahrerlager stellt sich die Frage: Muss wirklich zuerst jemand verletzt werden oder ums Leben kommen, bis endlich etwas passiert?
Das übliche Bild in Interlagos sieht so aus: Am Morgen ist die Polizeipräsenz sehr stark, mit Hunderten von Beamten, aber am Abend und in der Nacht, wenn Team-Mitglieder oder Medienschaffende die Piste verlassen, ist die Polizei zum grössten Teil verschwunden. Und nicht jeder kann sich gepanzerte Limousinen leisten oder erhält eine Polizei-Eskorte. Die lange Strasse zum Autodrom hoch wird links von der Rennanlage begrenzt, rechts liegt ein Armenviertel. Wer hier an einer Kreuzung bei Rot hält, sitzt wie auf Nadeln.
Eine Absage des Brasilien-GP als Konsequenz steht nicht zur Diskussion. Brasilien ist derzeit das einzige Standbein der Formel 1 in Südamerika.