Brendon Hartley und Pierre Gasly: Büffeln für Baku
Pierre Gasly und Brendon Hartley
Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost reist mit mulmigem Gefühl nach Baku. Ein Strassenkurs und zwei Fahrer, welche diese Piste noch nie gesehen haben, das ist in der Formel 1 oft wie Nitro und Glycerin. Auf der anderen Seite drehen an den Lenkrädern keine Unbedarften: Der Neuseeländer Brendon Hartley (28) und der Franzose Pierre Gasly (22) haben in Nachwuchsserien oft Strassenkurse besucht, und eine Piste wie Macau ist mindestens so haarig wie Baku.
Dazu haben der zweifache Sportwagenweltmeister Hartley und GP2-Champion Gasly ihre Hausaufgaben gemacht: Videostudium, lange Sitzungen mit ihren Ingenieuren, Üben im Rennsimulator. Rang 4 von Gasly in Bahrain hat bewiesen, welch gutes Auto die Scuderia 2018 einsetzt. Damit muss es möglich sein, das bislang beste Baku-Ergebnis an Land zu ziehen. Denn 2016 ging Toro Rosso leer aus, Carlos Sainz wurde im Chaosrennen von 2017 Achter.
Brendon Hartley erlaubt Einblicke, wie die Jungstiere ihre Aufgabe anpacken. «Zunächst einmal finde ich einen neuen Kurs immer aufregend. Es ist einfach spannend, auf einer Strecke zu fahren, die du noch nie mit eigenen Augen gesehen hast. Baku ist ganz bestimmt kein 0815-Kurs. Einige Kurven lassen dir null Raum für Fehler, und ich spreche wohl für alle Fahrer, wenn ich sage – wir lieben das.»
«Nach meinem Einsatz im Rennsimulator finde ich: Einige Passagen erinnern stark an Macau. Und das ist einer meiner Lieblingskurse. Baku wird mir gefallen, das weiss ich schon jetzt. Ich habe mir viele Videos aus den letzten zwei Jahren angeschaut, nicht nur aus der Formel 1, auch aus den Nachwuchsklassen.»
«Die Arbeit im Simulator hat zwei Grundziele: Die Techniker versuchen, eine passende Grundabstimmung zu erarbeiten. Und der Pilot soll sich mit der Piste vertraut machen. Wenn es sich um eine neue Strecke handelt, dann wird die Arbeit im Simulator besonders wichtig. Normalerweise brauche ich nicht lange, um mich an eine neue Piste zu gewöhnen, nach einem guten Dutzend Runden sollte ich auf Speed sein.»
«Und doch gibt es zahlreiche Faktoren, bei welchen das virtuelle Fahren an die Grenzen stösst: Wie genau sich Bodenunebenheiten anfühlen, Aussentemperatur, Windstärke, das alles ist kaum zu simulieren. Klar hilft da Erfahrung aus den letzten Jahren, und die habe ich nicht. Dann finden wir oft kleine Änderungen an den Strecken, welche das Bild verfälschen. Randsteine etwa, die leicht geändert wurden. Die Piste baut unterschiedlich Haftung auf, auch dies abhängig von Luft- und Reifentemperatur sowie davon, wie viel Gummi auf der Bahn ist. Ferner spielt eine Rolle, wie viel Reifenabrieb neben der Ideallinie liegt und wie die Fahrer damit umgehen. Das ist einer der Hauptgründe für mein ausgiebiges Videostudium – ich will sehen, wie die Fahrer ihre Linien variieren.»
Pierre Gasly ergänzt: «Im vergangenen Jahr war ich als Ersatzfahrer von Red Bull Racing in Baku, und der Grand Prix hat mich hingerissen. Die enge Kurve in die Altstadt hinein finde ich faszinierend. Ich glaube, du kannst dort sehr viel Zeit gewinnen. Der Grat jedoch ist schmal: Wenn du es dort übertreibst, kannst du auch alles verlieren. Wie jeder Strassenkurs wird Baku mental sehr anstrengend. Auf anderen Strecken gerätst du ein wenig auf Kunstrasen, wenn die Kurve nicht ideal war, oder auf einen Randstein. Hier klebst du in einer Mauer. In meinem GP2-Rennen vor zwei Jahren bin ich auf Rang 18 losgefahren und noch Zweiter geworden! Ich weiss also – in Baku ist so gut wie alles möglich.»