GP-Sieger Daniel Ricciardo: «Das war verrückt»
Das Überholmanöver des Jahres: Daniel Ricciardo (rechts) hat Felipe Massa (Startnummer 19), Lance Stroll (18) und Nico Hülkenberg (27) überholt
Baku, die Stadt der Winde, das passt zu Daniel Ricciardo. Denn der Australier kommt mit viel Rückenwind zum vierten WM-Lauf 2018. In China hat der Strahlemann eine schlaue Boxenstragegie von Red Bull Racing in seinen sechsten Grand-Prix-Sieg umgesetzt. Und nun kehrt er auf jene Strecke zurück, wo er 2017 eine Sternstunde erlebte – auf den Strassenkurs von Baku. Auch dort zeigte sich, dass Daniel der vielleicht beste Angreifer der Formel 1 ist. In einem Aufwasch genehmigte er sich am Ende der Start/Ziel-Geraden die beiden Williams von Felipe Massa und Lance Stroll sowie den Renault von Nico Hülkenberg. Der Fahrerlagerwitz passte: «In der Formel 1 ist das Überholen ganz schwierig. Leider hat das keiner Daniel Ricciardo gesagt.»
Die Fahrer lieben Baku. Kein Strassenkurs ist ungewöhnlicher in dieser Kombination aus Hochgeschwindigkeitspassagen und der Fahrt durch die Altstadt. Daniel meint: «Baku ist mit nichts zu vergleichen. Ich meine, auf welchem Stadtkurs sonst kannst du so gut überholen? Da sind Monaco und Singapur ganz anders.»
Ironischerweise ist nicht Gasgeben der Schlüssel zum Erfolg in Aserbaidschan, sondern der feinfühlige Umgang mit dem stillen Pedal. Ricciardo weiter: «Entscheidend ist das Bremsen. Wir haben zahlreiche Bremszonen, in welchen alles passen muss – der Zeitpunkt, den Anker zu werfen, das Modulieren der Bremse, also die Kraft auf dem Pedal, Fehler haben da keinen Platz, wie einige Piloten herausgefunden haben. Selbst wenn nur ganz kurz ein Rad blockiert, bist du schon in grösser Gefahr, eine Pistenbegrenzung zu küssen. Du musst im Training schrittweise Vertrauen aufbauen.»
«Am kniffligsten ist das am Ende der langen Start/Ziel-Geraden, dann zur zweiten Kurve hin und auch zur Kurve 3 hin, das ist die zweite Passage, wo wir den Heckflügel flachstellen dürfen. In Monaco dreht sich alles um die Präzision des Kurvenfahrens, in Baku dreht sich alles ums Bremsen.»
«Der Reiz an Strassenkursen liegt für mich darin, dass sich fast jeder Fehler rächt. Auf normalen Kursen triffst du eine Kurve nicht ideal, du kommst von der Bahn ab, oft rollst du durch eine Auslaufzone. Du hast Zeit verloren, aber nichts weiter. Nicht so in Monaco oder Baku. Du musst verstehen, was hier abgeht und du musst der Strecke viel Respekt entgegenbringen. Du musst begreifen, wo die Grenze liegt. Wenn du das nicht kapierst, dann wirst du gebissen.»
«2017 hatten wir ein gutes Rennen, aber natürlich waren wir auch vom Glück begünstigt, weil die Autos wie die Fliegen starben. Ich fuhr damals vom zehnten Startplatz los, und ehrlich gesagt hätte ich vor dem Rennen nicht erwartet, dass ich am Ende die Nase vorn haben würde. Ich weiss noch, wie verwirrt ich war, als ich die karierte Flagge sah. Ich fragte mich: „Wie um alles in der Welt haben wir das gemacht?“ Gleichzeitig war ich hin und weg, berauscht von einem verrückten Grand Prix, der unfassbar viel Spass gemacht hat. So ein Rennen vergisst du nie wieder.»