Ross Brawn: «Daniel Ricciardo wie ein Mittelstürmer»
Ross Brawn hat in diesem Sport schon fast alles gesehen. Der heute 63-Jährige war technischer Direktor bei Benetton und Ferrari, später Teamchef von Ferrari, BrawnGP und Mercedes, er begleitete Michael Schumacher bei all seinen WM-Titeln, und er goss bei Mercedes das Fundament zu den Weltmeisterschaftssiegen von Lewis Hamilton und Nico Rosberg. Heute ist Ross Geschäftsleiter der Abteilung Sport in der Formel-1-Gruppe um Grossaktionär Liberty Media, er stellt zusammen mit den Fachkräften des Autoverbands FIA die Weichen für eine spannendere Formel 1.
Zwischendurch aber erlaubt sich Ross Brawn, einfach nur zu staunen. Etwa dann, wenn er einem Daniel Ricciardo zuschaut. Nach dem Grossen Preis von China ist Brawn tief beeindruckt davon, wie es Red Bull Racing-Pilot Daniel Ricciardo immer wieder schafft, die etwas durchgeknallten Rennen für sich zu entscheiden. Tatsächlich gibt es keinen Piloten, der sechs Rennen gewonnen hat – und keine einzige Siegesfahrt begann aus den ersten drei Startplätzen. Das unterstreicht, welch überragender Angreifer Ricciardo ist.
Ross Brawn lobt: «Einmal mehr hat Daniel seine unheimliche Fähigkeit unter Beweis gestellt, aus jeder Gelegenheit ein Spitzenergebnis zu machen. Sein perfektes Timing und sein Rüstzeug beim Überholen sind wirklich eindrucksvoll. Er kommt mir vor wie ein Mittelstürmer mit unfassbarer Ballkontrolle. Wenn Verteidiger auf ihn treffen, haben sie keine Ahnung, was auf sie zukommt.»
«Vielleicht wurde seine Fähigkeit in Shanghai noch deutlicher in die Auslage gestellt, weil sein Stallgefährte Max Verstappen einen sehr wahrscheinlichen Sieg verpatzt hat. Bei ihm hat eben das Timing nicht gestimmt, als er Hamilton und Vettel angriff.»
«Gleichzeitig sollten wir uns immer wieder vor Augen halten, dass Max erst 20 Jahre alt ist. Ich bin sicher, er schaut sich die Kunst des Überholens von Ricciardo sehr aufmerksam an.»
Wenn wir im Fussballjargon verweilen: Steilpass zum Tor von Ricciardo war die blitzschnelle Reaktion der Red Bull Racing-Strategen. Als das Safety-Car raus kam, holte RBR beide Fahrer unverzüglich zum Reifenwechsel herein.
Ross Brawn galt früher als der ausgebuffteste Strategiefuchs. Daher weiss er die Aktion von Red Bull Racing besonders zu schätzen. «Red Bull Racing setzte voll auf Risiko, dazu waren Ferrari und Mercedes offenbar nicht bereit. In diesem ersten Teil der Saison kommt es mir vor, als sei das Rennmanagement bei Mercedes ein wenig zu vorgefasst. Red Bull Racing arbeitet viel flexibler. Und das wird von den beiden Schnelldenkern Ricciardo und Verstappen gut umgesetzt.»