Kimi Räikkönen: Wie er auf Kritik an Ferrari reagiert
Kimi Räikkönen
Der zweifache Formel-1-Weltmeister Mika Häkkinen ist genervt. Nach dem China-GP stellte der Champion von 1998 und 1999 fest: «Kimi Räikkönen hatte erneut ein starkes Wochenende. Mir scheint, der Ferrari und die 2018er Pirelli passen gut zu seinem Fahrstil. Wie Valtteri mag Kimi ein Auto, dessen Vorderachse gut zu spüren ist, ein Auto, das knackig einlenkt und bitteschön nicht untersteuert. Wenn Kimi einen Rennwagen hat, der zu seinem Stil passt, dann entspannt er sich und fährt sauschnell. Im Moment heizt er Vettel tüchtig ein, und wenn Ferrari bei der Rennstrategie ein wenig anders vorgegangen wäre, so hätte Räikkönen in diesem Jahr bereits ein Rennen gewonnen.»
Tatsächlich wird mir keiner widersprechen können, wenn ich hier behaupte, dass die Strategien von Ferrari in den letzten Jahren Kimi Räikkönen gewiss nicht begünstigt haben. Klar hat Sebastian Vettel in den entscheidenden Phasen von Rennen wie in Monaco 2017 genug Gas gegeben, um die Führung zu verdienen. Aber sollte die Ferrari-Führung das Verhalten Kimi gegenüber nicht langsam überdenken? Sky-GP-Experte Martin Brundle sieht den 38jährigen Finnen jedenfalls schon jetzt «zum Wasserträger degradiert».
Fakt ist: Kurz nach dem Start drängte WM-Leader Sebastian Vettel seinen Stallgefährten Räikkönen gnadenlos nach rechts. Seinen Platz mit ausgefahrenen Ellbogen zu verteidigen, das kennen wir seit Jahren, Ayrton Senna und Michael Schumacher haben das nicht anders gemacht. Was Vettel dabei vergass: An die Innenseite von Kurve 1 gequetscht zu werden, das kostete den Finnen Räikkönen zwei Plätze, er fiel hinter Bottas und Verstappen zurück. Vettel war damit sein Schutzschild los.
Für einmal schien das nicht so wichtig zu sein: In der Anfangsphase des China-GP führte Sebastian Vettel souverän. Im späteren Verlauf des Rennens wurde erneut klar, auf welchen Fahrer Ferrari setzt. Kimi wurde viel zu lang auf der Bahn gelassen. Martin Brundle: «Hier wurde offensichtlich versucht, Vettel näher an den hinter Kimi liegenden Bottas heranzubringen.»
Auch Räikkönen hat eine Schmerzgrenze: Nach dem Rennen monierte der Weltmeister von 2007 die Aktion kurz nach dem Start, ohne das Wort Vettel in den Mund zu nehmen. «Wenn ich nicht vom Gas gegangen wäre, dann hätte es gekracht.» Und er fügte hinzu: «Ich wurde zu lange auf der Bahn gelassen.»
Sogar in Italien regte sich Kritik. Kimi Räikkönen wird von den Fans für seine sperrige Art geliebt. Von den Journalisten erhält er viel Anerkennung für loyale Arbeit und sein unpolitisches Wesen. «Aber Kimi ist nicht naiv», weiss Andrea Cremonesi von der Gazzetta dello Sport. «Ihm ist klar, dass Ferrari in Sachen Weltmeister ganz auf Vettel setzt. Ich frage mich nur: Wenn mit solchen Aktionen Kimi die Entschlossenheit und der Schneid abgekauft wird, wie lange herrscht im Team dann noch Harmonie?»
Auch die italienische Formel-1-Journalistenlegende Pino Allievi warnt Ferrari eindringlich vor Missbrauch des Finnen. Der langjährige GP-Berichterstatter der Gazzetta dello Sport sagt: «Vettel hat Kimi die Tür vor der Nase zugeschmissen. Ergebnis: Räikkönen musste eine Kollision verhindern und verlor Plätze. Ein unsympathisches und schädliches Manöver. Mit zwei Ferrari da vorne wäre das Rennen ganz anders verlaufen. Dann sieht sich Kimi, enttäuscht und resigniert, als Bremsklotz für Bottas eingesetzt. Das war hässlich und genau eine jener Aktionen, die Ferrari bei anderen Rennställen oft kritisiert hat.»
«Seit Jahren muss sich Kimi Vorwürfe anhören, er sei apathisch und sein Talent dringe nur noch stossweise durch. Aber 2018 fährt er mit anderem Geist. Er erinnert mich an den früheren Champion. Das muss Ferrari doch nutzen! Stattdessen wurde Räikkönen in Australien von der Strategie bestraft und als Steigbügelhalter Vettels benutzt – das Versuchskaninchen für Experimente und Taktikspielchen. Das ist ein überwältigender Fehler, der sich auf die Moral jedes Piloten schlagen muss. Welchen Willen zu 18 guten Rennen sollte Räikkönen haben, wenn er weiss, dass er ohnehin aussortiert wird?»
Aber was sagt Kimi Räikkönen selber zu all dem?
Der 20fache GP-Sieger mimt den Gelassenen, selbst wenn seine Miene nach einem Rennen etwas anderes sagt. Klar ist Räikkönen schlau genug, nicht die Hand zu beissen, die ihn füttert. «Nach einem Rennen ist es immer einfach zu sagen, man hätte etwas anders machen müssen. Leider haben wir noch keine Möglichkeit, am Schluss eines Grand Prix zurückzuspulen, und ab Mitte noch einmal zu fahren. Selbst wenn du Rennen gewinnst, gibt es Raum für Verbesserungen. Ich bin nur am bestmöglichen Ergebnis interessiert.»
«Unsere Leute haben im Rennen alle Daten und entscheiden darauf basierend. Ja, wir waren in China nach den Boxenstopps nicht in der besten Position, aber Rang 3 geht in Ordnung. Die Rennstrategie ist nun mal davon abhängig, wer sich auf welchem Platz qualifiziert hat oder wer im Rennen vorne liegt und wer hinten. Das ist glasklar, aufrichtig und einfach. So lange ich Formel 1 fahre, war das auch in jedem Team gleich. Leider versuchen einige Leute, die Dinge zu komplizieren oder Geschichten zu konstruieren.»