Lewis Hamilton: Was wirklich im Mercedes passierte
Lewis Hamilton kehrt an die Box zurück
Im Herbst 2017 des grandiosen WM-Duells Hamilton gegen Vettel hat der Engländer Einblicke in seine Gedankenwelt gespendet. «In diesem Jahr ist so unfassbar viel passiert. Mir wurden viele Knüppel zwischen die Beine geworfen. Aber ich wusste tief im Herzen, selbst als ich ganz hinten lag, dass ich nicht aufgeben werde. Vielleicht bin ich darauf am stolzesten. Es gab Rennen, da fuhr ich im Nirgendwo, ich wusste, dass ich nie im Leben gewinnen würde, aber ich wollte das Rennen mit Anstand und in Würde zu Ende fahren. Ich redete im Auto mit mir selber – „still I rise, still I rise“, du kannst das noch schaffen, los, weitermachen! Nicht aufgeben!»
Das hat Lewis Hamilton in diesem dramatischen Qualifying vielleicht auch gedacht, doch dann räumt er gleich mit einer Spekulation auf: «Die Leute zogen die falschen Schlüsse. Die Fans sahen mich am Ausgang von Kurve 1 über die Randsteine rattern, und es lag auf der Hand zu denken – das hat den Defekt ausgelöst. In Wahrheit war es umgekehrt. Du brauchst dort immer die volle Breite der Randsteine, das habe ich auch jetzt getan, aber dann versagte die Servolenkung, der Wagen zog nach rechts, ich zerrte am Lenker, um nicht die Kontrolle zu verlieren, dann kam die Hoppelei, die alle gesehen haben. Ich dachte sogar zunächst, ich hätte einen Platten oder einen Aufhängungsschaden.»
Ob Lewis Hamilton mit seinem Auto geredet hat? Als er nach dem Ausscheiden in der Hockenheim-Quali neben den Wagen niederkniete, als würde er beten? Der Engländer spricht am Samstagabend über diese intimen Momente. «Das ist nicht leicht zu beschreiben. Wenn du Rennautos fährst, dann sitzt du nicht bequem wie wir nun. Du befindest dich in einem Geschoss, und ebenso schnell schiessen dir tausend Gedanken durch den Kopf. Ich hatte eben ein Auto hundert Meter weit geschoben, ich musste auch wieder zu Atem kommen. Ich musste mir auch darüber klarwerden, was eben passiert werden, und ich musste das akzeptieren.»
«Ich habe in meiner Karriere viel erlebt, unfassbare schöne Momente und weniger Schönes. Mein erster Gedanke war, als der Wagen ausrollte – ich muss es irgendwie zurück an die Box schaffen. Daher begann ich zu schieben. Ich wollte nicht aufgeben. Aber dann wurde klar: So geht das nicht. Danach verbrachte ich Zeit mit meinem Team, das lindert den Schmerz. Wir gewinnen zusammen, wir verlieren zusammen. Ich habe keine Kontrolle über einen solchen Defekt, also streife ich die negativen Gedanken ab und versuche mich aufs Positive zu konzentrieren und auf meine Aufgabe am Sonntag.»
Was ist realistisch möglich, von Startplatz 14 aus? «Schwer zu sagen. In Silverstone ist es einfacher zu überholen als hier in Hockenheim. Also gehe ich nicht davon aus, dass ich es so weit nach vorne schaffe wie in England. Aber ich bin Optimist.»
Lewis Hamilton hatte sich im freien Training schon über die Lenkung beklagt. Der Brite meint: «Das hat meiner Meinung nach nichts mit dem späteren Defekt zu tun. Manchmal geht es hier auch um die Abstimmung, dass du dich mit der Lenkung nicht ganz wohlfühlst. Es kommt vor, dass ein Rennwagen zur Seite zieht.»
Die Defekte bei Mercedes häufen sich. Ist das ein Anzeichen dafür, dass sich der Druck durch Ferrari bemerkbar macht? «Das finde ich nicht», antwortet Hamilton. «Ich habe jeden Tag mit unseren Leuten zu tun, da erkenne ich Hingabe und Kampfeswille, aber ich könnte nicht behaupten, dass ich Menschen sehe, die unter Druck stehen oder nervös wären. Wenn überhaupt, dann werden wir unter Druck besser. Aber alles an solch einem Renner ist am Limit, und ab und zu geht eben etwas schief. Das soll keine Ausrede sein, aber das ist Teil des Rennsports.»
Wie geht Lewis dieses Rennen an? «Ich muss nach vorne, aber ich kann mir auch keinen Ausfall leisten. Ich würde sagen – ich werde kontrolliert aggressiv fahren.»