Charles Leclerc (Ferrari): Gleiche Chance wie Vettel?
Massimo Rivola (Mitte) mit Charles Leclerc und dem früheren Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene
Ferrari setzt erstmals seit dreizehn Jahren und Felipe Massa wieder auf die Jugend: Neben dem vierfachen Formel-1-Champion Sebastian Vettel steigt der 21jährige Charles Leclerc in den zweiten roten Renner. Ex-Ferrari-Star Mario Andretti hat erklärt: «Ferrari wird sich entscheiden müssen, für eine Nr. 1 und eine Nr. 2. Zwei gleichwertige Fahrer in einem Top-Team, das hat selten funktioniert.» Aber Massimo Rivola, der frühere Team-Manager von Ferrari und Chef der Ferrari-Fahrerakademie, ist anderer Ansicht: «Ich würde mir wünschen, dass Charles bei Ferrari die gleiche Chance erhält wie Vettel.»
Rivola hat Charles Leclerc bei dessen Aufstieg begleitet. «Ich weiss noch, wie damals unser Nachwuchspilot Jules Bianchi nicht aufgehört hat, von diesem Kartknirps Leclerc zu reden. Bianchi hat an freien Wochenenden als Coach und Mechaniker am Fahrzeug von Leclerc gearbeitet», so Rivola gegenüber der Gazzetta dello Sport. «Als ich Charles dann kennengelernt habe, merkte ich bald – dieser Junge ist nicht nur sauschnell, er ist auch überaus ehrgeizig.»
Mit Leclerc hat Ferrari nun vollzogen, was für Bianchi angedacht war: Die gezielte Förderung eines jungen Piloten bis zum Platz als Stammfahrer. Bianchi sollte nach dem Lehrjahr 2014 bei Manor in der Saison 2015 in einem Sauber sitzen und dann 2016, spätestens 2017 im Ferrari neben Vettel. Das Schicksal wollte es anders. Bianchi zog sich bei einem Unfall in Suzuka 2014 schwere Kopfverletzungen zu und wachte aus dem Koma nicht mehr auf, er verstarb im Sommer 2015 in Nizza.
Rivola weiter über Leclerc: «Er erinnert mich an den jungen Vettel, als der 2007 zu Toro Rosso kam oder an den jungen Alonso 2001 bei Minardi. Aber Leclerc hat einen Kampfwillen, den ich nur noch mit Fernando vergleichen kann. Und Leclerc ist in der Quali fähig, etwas Besonderes aus dem Helm zu zaubern.»
«Wir haben den ausgeprägten Wettbewerbsgedanken auch beim Training mit der Akademie gesehen. Wir waren mit Schneeschuhen in den Bergen, Leclerc zusammen mit anderen Junioren wie Alesi und Fuoco. Aber nur Charles wollte immer als Erster im Ziel ankommen. So etwas habe ich nur bei zwei anderen Piloten erlebt, bei Michael Schumacher und Fernando Alonso. Selbst beim Fussball oder Kartenspiel mussten sie gewinnen.»
Was traut Rivola dem jungen Monegassen zu? «Ich glaube und ich hoffe, dass Charles bei Ferrari die gleichen Möglichkeiten erhält wie Vettel. Dann möge der Bessere die Nase vorn haben. Der eine ist vierfacher Weltmeister und geht in seine fünfte Saison bei Ferrari. Der Andere ist Seriensieger in den Nachwuchsserien, hat aber erst ein Jahr Formel-1-Erfahrung. Es gibt gewiss Leute, die 2019 als Lehrjahr für Leclerc sehen. Aber seid euch sicher – er wird sofort versuchen, Rennen zu gewinnen. Er ist nun mal so.»
Massimo Rivola arbeitete fast zwanzig Jahre lang als Sportchef von Minardi, Toro Rosso und Ferrari. Dann übernahm er die Fahrer-Akademie von Ferrari. Die Piaggio Group installierte Rivola ab 7. Januar 2019 als Chief Executive Officer (CEO) in der Rennabteilung Aprilia Racing.
Der 47jährige Rivola sah seine Aufgabe bei der Akademie als erfüllt an: Der junge Charles Leclerc ist 2019 Werksfahrer an der Seite von Sebastian Vettel, Antonio Giovinazzi nimmt seine erste volle GP-Saison mit Sauber in Angriff, als erster Italiener seit Tonio Liuzzi und Jarno Trulli beim WM-Finale von Brasilien 2011, die damals in Diensten von HRT und Lotus standen. Es war auch von Spannungen zwischen Rivola und Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene die Rede.
Rivola hatte den Posten des Nachwuchsprogramm-Chefs Anfang 2016 übernommen, zuvor war der Faenzer seit 2009 Sportchef von Ferrari gewesen, davor gute zehn Jahre lang Team-Manager von Minardi und Toro Rosso.
Der Ferrari-Akademie gehören derzeit acht Fahrer an, mit folgenden Ergebnissen in der Saison 2018: Der Italiener Antonio Fuoco (22), Gesamtsiebter der Formel 2 und Sieger beim Finale von Abu Dhabi; der Chinese Guanyu Zhou (19), Achter der Formel-3-EM; der Franzose Giuliano Alesi (19), Sohn des früheren Ferrari-Piloten Jean Alesi und Gesamtsiebter der GP3; der Neuseeländer Marcus Armstrong (18), Fünfter der Formel-3-EM; der Brasilianer Enzo Fittipaldi (17), italienischer Formel-4-Meister; der Brite Callum Ilott, Dritter der Formel-3-EM; der Russe Robert Shwartzman (19), Dritter der Formel-3-EM sowie der Brasilianer Gianluca Petecof (16), Vierter der italienischen Formel 4.