3. Training China: Bottas vor Vettel, Albon-Crash
Letztes Kräftemessen vor dem Abschlusstraining auf dem Shanghai International Circuit: Das Problem für alle Rennställe – der Wind hatte aufgefrischt, die Teams mussten sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Das Problem für Ferrari: Der Wagen ist zwar auf den Geraden pfeilschnell, aber in den kurvigen Passagen zu wenig flott. Einfache Faustregel – Ferrari ist auf den Geraden schneller, Mercedes und Red Bull Racing-Honda sind in den Kurven besser. Also versuchten die Italiener im dritten freien Training ihr Glück mit mehr Abtrieb.
Die Rennställe arbeiten alle am Limit: Weltmeister Mercedes musste eine Frontflügel-Endplatte ändern. Es handelte sich um ein Detail, bei dem zuvor schon Williams und Red Bull Racing nachbessern mussten – von der Seite betrachtet, darf das oberste Flügel-Element nicht zu sehen, muss also von der Endplatte komplett verdeckt sein. Das war bei den genannten drei Teams nicht der Fall. Die Verbesserung war gering, aber bei einem Duell wie zwischen den Top-Teams machen die Details den Unterschied aus.
Der Shanghai International Circuit ist ein Reifenfresser. Pirelli gab vor dem dritten freien Training höhere Reifendrücke für die Hinterreifen heraus. Die Mailänder erhoffen sich durch die Erhöhung des Drucks eine Entlastung der Reifenschulter. Die Teams mussten sich der Erhöhung von 18,5 PSI auf 19,5 anpassen. Noch eine Variable mehr.
Erste Duftmarke: 1:34,104 min von Charles Leclerc nach einer Viertelstunde, dann kam Sebstian Vettel – 1:33,222, neue Bestzeit. Beide Ferrari rollten auf weichen Reifen. Valtteri Bottas ging auf mittelharten Pirelli raus und erreichte 1:33,974 min, Sekunden später war Weltmeister Lewis Hamilton einen Hauch schneller, 1:33,956 min.
GP-Sieger Johnny Herbert: «Der Unterschied zwischen dem weichen und dem mittelharten Pirelli beträgt je nach Rennstrecke und Rennwagen zwischen sechs Zehnteln und einer Sekunde. Der Abstand zwischen Ferrari und Mercedes erklärt sich für mich also aus den unterschiedlichen Mischungen. Die liegen noch immer auf Augenhöhe.»
Am Haas-Renner von Romain Grosjean war am Freitag ein Flügel rechts vorne angebrochen, unter Volllast am Ende der Start/Ziel-Geraden, auf üblen Buckeln. Diese Buckel werden von Jahr zu Jahr schlimmer, weil diese Rennstrecke auf einer Sumpflandschaft gebaut ist und sich der Untergrund verändert. Haas-Teamchef Günther Steiner: «Wir haben den Flügel so verstärkt, dass wir für den Rest des Wochenendes im grünen Bereich sein sollten. Der Schaden von Bahrain passierte mit einer anderen Flügelspezifikation. Aber sobald wir aus China zurück im Werk sind, werden wir eine nachhaltigere Frontflügellösung finden.»
In der Williams-Box zu sehen: Team-Mitgründer Sir Patrick Head, offiziell in China in den Ferien, weil seine junge Tochter Pandas sehen wollte; inoffiziell, um dem serbelnden Rennstall auf die Sprünge zu helfen. Schon vor einem Jahr hatte Head bei Williams vorbeigeschaut, damals ebenfalls in den Ferien in China. Heute muss er Feuerwehrmann spielen, weil Williams erneut das schlechteste Auto gebaut hat. Noch im dritten freien Training probierte das dritterfolgreichste GP-Team (nach Ferrari und McLaren) unterschiedliche Unterbodenversionen aus, daher musste der junge George Russell nach einem kurzen Lauf pausieren. Der Mercedes-Zögling bleibt realistisch: «Bei mir stellt sich nur die Frage, ob ich 19. werde oder 20.»
Stand nach einer halben Stunde: Vettel vor Bottas, Hamilton, Leclerc, Verstappen und Albon. Fiebrige Arbeit der Elektriker bei Ferrari. Ein Problem an den Wagen von Leclerc und Vettel? «Nein», liess ein Ferrari-Sprecher ausrichten, «nur Routine-Untersuchungen.» GP-Sieger Johnny Herbert: «Die Teams sind besonders vorsichtig geworden.
Valtteri Bottas rückte näher an Leader Vettel heran, aber noch immer bestand der Abstand 572 Tausendstelsekunden. Wo war eigentlich das Red Bull Racing-Duo? Verstappen Fünfter, 1,2 Sekunden hinter Vettel, Gasly nur Zwölfter. Johnny Herbert: «Es setzt sich hier fort, was wir schon in Australien und Bahrain gesehen haben – Verstappen scheint sich im Auto wohler zu fühlen als der Franzose.»
Schrecksekunde für McLaren-Teenager Lando Norris: Der junge Engländer rasselte in der letzten Kurve vor Start und Ziel von der Bahn. Norris am Funk verwundert: «Hat sich die Windrichtung erneut geändert?»
Zehn Minuten vor Schluss ging Sebstian Vettel erneut auf weichen Pirelli auf die Bahn: Bestzeit im ersten Sektor, schneller im mittleren Pistenteil, aber ein Schnitzer drin, ebenso ein Fehler in der letzten Kurve, wie Norris komplett neben der Bahn. Also auch keine Zeitverbesserung. Die gelang dafür Charles Leclerc – 26 Tausendstel hinter Vettel.
Dann kam WM-Leader Valtteri Bottas: neue Bestzeit, mit 1:32,830 min. Da konnte Lewis Hamilton nicht mithalten – einige kleine Fehler addierten sich zu mehreren Zehnteln Rückstand schon in den ersten beiden Pistenteilen. Im letzten Abschnitt waren die weichen Pirelli schon erledigt. Dazu flog am Eingang zur langen Gegengeraden vom Heck des Hamilton-Mercedes ein Windabweiser davon.
Sieben Minuten vor Schluss verbesserte sich niemand, denn der Thai-Brite Alex Albon zerlegte nach einem Fahrfehler in der letzten Kurve seinen Toro Rosso-Honda – rote Flagge. «Sorry, Jungs», knurrte er über Funk. Das Auto ist schwer beschädigt. Schwer anzunehmen, dass wir Albon im Abschlusstraining erleben werden. Das Training wurde nicht wiederaufgenommen.
Aufgrund der Heftigkeit des Einschlags musste sich Albon ins Pistenkrankenhaus begeben. Er war aber selber ausgestiegen und steigt okay zu sein.
Johnny Herbert: «Diese letzte Kurve ist tückisch, wir haben dort einige Fehler erlebt. Giovinazzi hatte mit dem Sauber dort einen Crash, war aber nach einem Dreher links eingeschlagen, nicht rechts wie nun Albon.»
Toro Rosso-Teamchef Franz Tost: «Wir prüfen jetzt das Monocoque, ob es intakt ist, dann sehen wir weiter. Trotz des heftigen Einschlags ist Albon okay. Die Zeit zur Quali ist knapp.»