Christian Horner – Lewis Hamilton: Das wird übersehen
Christian Horner und Max Verstappen
Alex Albon musste sich vorkommen, als würde er einen bösen Traum nochmals erleben: Der 24jährige Thai-Brite hatte in der entscheidenden Safety-Car-Phase des Österreich-GP von den cleveren Red Bull Racing-Strategen weiche Reifen mit auf den Weg erhalten und gute Chancen, mindestens einen Podestplatz, wenn nicht den Sieg zu erringen. Dann stolperte er über den Mercedes von Lewis Hamilton, ein Abziehbild einer Szene aus dem Brasilien-GP 2019. Hamilton kam mit einer Fünfsekundenstrafe glimpflich davon.
Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner: «Eigentlich hätten wir an diesem Tag den dritten Sieg in Folge auf dem Red Bull Ring herausfahren müssen. Ich sah Alex am Sonntag beim Abendessen, und der Schmerz war offensichtlich. Wir trafen uns erneut am Montag, und ich spürte, dass er den Frust bereits abgelegt hatte.»
«Alex war zu diesem Zeitpunkt mit einem Reifen unterwegs, der 1,2 Sekunden schnellere Rundenzeiten erlaubte als Mercedes vorlegen konnte. Albon war klar: Die Mercedes-Fahrer brauchen eine Weile, um die härteren Reifen nach der Safety-Car-Phase wieder in den optimalen Wirkungsbereich zu bringen, also musste er bald an Hamilton vorbei. Alex wählte die Aussenbahn, war zu Mitte der Kurve schon vorne, dann kam die Berührung, und Albon war im Kies.»
«Stellt euch vor, die Szene wäre anders herum gewesen: Ich bin überzeugt, wäre Hamilton rausgeflogen und leer ausgegangen, hätte es einen riesigen Medienwirbel gegeben. So wie das Max Verstappen über sich ergehen lassen musste. Aber ich schätze bei einem sechsfachen Weltmeister wird das übersehen.»
Der 46jährige Engländer weiter: «Nach einem Rennen ohne Punkte fühlen sich am Montag alle schlecht. Aber dieses Mal war die Stimmung anders, vielleicht auch deswegen, weil wir konkurrenzfähig gewesen waren und weil auf der gleichen Strecke gleich nochmals gefahren wird. Jedenfalls gibt es bei allem Ärger über diese Nullrunde viel Positives festzustellen.»
«Wir haben ein gutes Auto. Wir waren in der Lage, mit beiden Fahrzeugen ein Wörtchen um den Sieg mitzureden. Wir haben den schnellsten Boxenstopp hingelegt und strategisch scharfsinnig gearbeitet.»
«Toto Wolff sprach von einem hingeworfenen Fehdehandschuh. Aber ich würde eher von einer gesunden Rivalität reden, zwischen den Teams und auch zwischen den Fahrern. Letztlich ist dieser Wettbewerbsgedanke Kern von Autorennen, und so lange das in einer respektvollen Art und Weise passiert, ist alles in Ordnung. Anders gesagt – der Fehdehandschuh wird ständig geworfen.»
«Mercedes hat erneut ein sehr schnelles Auto gebaut, aber sie haben in der letzten Safety-Car-Phase einen strategischen Fehler gemacht. Dieses Mal sind sie damit durchgekommen, aber ich schätze, wenn wir einen hohen Entwicklungsrhythmus halten, dann können wir sie weiter unter Druck setzen.»
«Ein Wort zu unseren Protesten. Gegen das Lenksystem DAS wollten wir schon in Australien vorgehen. Und um Klarheit zu erhalten, war es unumgänglich, dass wir bei den Regelhütern des Autosport-Weltverbands FIA Protest einlegen. Ich habe das Toto schon vor dem Rennwochenende gesagt und ihm auch erklärt – wir wollen keine Gemeinheiten, wir protestieren früh, damit das geklärt ist, nicht nach der Quali oder nach dem Rennen, wenn niemand mehr reagieren kann.»
«Wir glauben noch immer, diese Spurverstellung hilft dabei, die Reifen aufzuwärmen. Aber nun haben wir von der FIA Klarheit, das System ist legal, und wenn wir uns einen Vorteil davon versprechen, sollten wir das auch am Wagen haben.»
«Was die Rückversetzung von Lewis Hamilton betrifft, so lag keine Absicht darin, das so kurz vor dem Start umzusetzen. Am Samstag war Hamilton von den Rennkommissaren vom Haken gelassen worden, was das Verlangsamen unter Gelb angeht, als Bottas neben der Bahn geht, aber dann tauchten neue Videobilder auf, welche die FIA-Regelhüter noch nie gesehen hatten. Wir haben die FIA darauf hingewiesen. Wir fanden: Wenn Max Verstappen in Mexiko 2019 drei Ränge zurück erhält, weil er an der Stelle des Zwischenfalls nicht verlangsamt hat, damals übrigens auch wegen Bottas, dann sollte Hamilton jetzt die gleiche Strafe erhalten, das ist nur fair.»
«Aber das liegt jetzt alles hinter uns und ein zweites Rennwochenende vor uns. Es fühlt sich noch immer merkwürdig an, all die Menschen mit den Masken zu sehen und die ganzen Vorschriften zu befolgen. Aber im Trainings- und Rennbetrieb ist alles wie immer. Wir vermissen die Fans auf den Tribünen. Aber es ist fabelhaft zu sehen, dass die Formel 1 zeigt, wie eine Grossveranstaltung in grösstmöglicher Sicherheit durchgeführt werden kann. Das ist eine Blaupause für die kommenden Wochenenden.»