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Monisha Kaltenborn: Sauber-Verkauf, Paranoia, Fahrer

Von Mathias Brunner
Monisha Kaltenborn

Monisha Kaltenborn

Wie soll die vermurkste Saison 2014 gerettet werden? Muss Sauber wie Caterham verkauft werden? Wer fährt 2015 für die Schweizer? Monisha Kaltenborn nimmt Stellung.
Es läuft nicht gut in diesem Jahr. Wie soll diese Saison gerettet werden?

Einfach wird es nicht. Denn die Gründe dafür basieren im vergangenen Jahr. Wir haben begrenzte Ressourcen, und einen grossen Teil davon haben wir in ein konkurrenzfähigeres Auto für die zweite Saisonhäfte 2013 investiert. Das bedeutete, dass wir die Vorbereitung auf 2014 kompromittieren mussten. Das tat besonders weh vor dem Hintergrund, weil wir die grösste Technikumstellung der letzten zwanzig Jahren zu bewältigen hatten.

Der zweite Punkt: Diese Saison wird von den Antriebseinheiten dominiert, und da hinken zwei Hersteller dem Führenden weit hinterher. Das soll nicht als Ausrede herhalten, aber in diesem Punkt sind uns die Hände gebunden, wir müssen damit leben, was wir haben. Ferrari gibt sich alle Mühe, Boden gut zu machen, aber der Abstand zur Spitze ist gross.

Wir versuchen wie vor einem Jahr, den Wagen aerodynamisch effizienter zu gestalten, denn die mangelnden Ergebnisse liegen nicht nur an den beiden Gründen, die ich genannt habe, der Wagen ist auch aerodynamisch nicht gut genug. Und wir dürfen uns Fehler wie beim Österreich-GP mit dem missverstandenen Funkspruch nicht mehr erlauben.

Welche Konsequenzen hatte der Vorfall?

(Adrian Sutil hielt wegen eines Funkspruchs an, der für Esteban Gutiérrez bestimmt gewesen war.)

Es waren ja zwei Vorfälle. Der eine war der Fehler beim Boxenstopp von Esteban an sich, als das Rad nicht richtig festgezurrt wurde. So etwas kann mal passieren, wir müssen da nichts Neues erfinden. Wir mussten einfach nochmals durch unsere Prozedere gehen.

Das andere Problem war das Missverständnis am Funk – als der Befehl an Gutiérrez anzuhalten von Sutil gehört wurde und Adrian auf der Strecke ebenfalls anhielt. Hier haben wir ebenfalls die Abläufe durchleuchtet und auch in Sachen Hardware umgestellt, um sicher zu gehen, dass so etwas nicht noch einmal vorkommen kann.

Sie haben von den Antriebseinheiten gesprochen. Ist ein Wechsel des Motorenpartners für 2015 ein Thema?

Nein.

Ihr arbeitet mit fünf Piloten, habt für 2015 aber nur zwei freie Cockpits ...

Wir haben verschiedene Möglichkeiten, was die Fahrer angeht. Und wenn die Zeit dafür reif ist, werden wir eine entsprechende Entscheidung fällen und die verkünden.

Alle Fünf haben eine Chance?

Wir haben gesagt, dass wir unsere jungen Fahrer ausbilden wollen, das trifft besonders auf Sergey Sirotkin zu. Doch er soll sich zunächst auf seinen Job in der Formel Renault 3.5 konzentrieren. In Moskau hat er gute Arbeit geleistet und gewonnen.

Wenn es weiter so gut läuft – werden wir ihn dann noch in dieser Saison in einem Freitageinsatz sehen?

Das ist eine der Möglichkeiten, die wir haben.

Die Partnerschaft mit den Russen ist vor fast einem Jahr verkündet worden. Bis heute sehen wir nichts davon auf dem Rennwagen. Wieso?

Weil es einfach Zeit braucht, diese Partnerschaft umzusetzen. Vieles davon liegt nicht in unseren Händen. Und man muss die andere Seite respektieren in der Art und Weise, wie sie die Dinge anpacken will. Wir drängeln da nicht, und das tut man auch nicht mit einem Partner. Wenn sie ihre Gründe haben, sich da Zeit zu lassen, dann respektieren wir das. Wichtig ist, dass wir wissen, was wir gemeinsam wollen. Und das passiert auch.

Caterham ist verkauft worden ...

... davon weiss ich nur, was in den Medien geschrieben wird.

Wenn besonders die Schweizer Sauber-Fans nun fürchten, das Gleiche könnte ihrem Nationalteam passieren, was sagen Sie dann, um diese Ängste zu verringern?

Wir haben immer gesagt: Sauber per se ist nicht zu kaufen. Wir hatten in der Vergangenheit potente Partner, wie Red Bull, wie die Credit Suisse, wie Petronas. Wenn es das Team stärkt, dann ist es durchaus denkbar, dass Anteile am Rennstall den Besitzer wechseln. Das war in der Vergangenheit so, und daran hat sich nichts geändert.

Red Bull und Credit Suisse waren beide Teilhaber, BMW war Mehrheitseigner. Aber das alles muss immer dem Team dienen.
Wenn heute jemand kommt und sagt, «Wir wollen das Team kaufen», dann muss gewährleistet sein, dass das Überleben des Rennstalls langfristig gesichert ist. Wenn das feststeht, dann muss man solchen Gesprächen gegenüber offen sein. Peter Sauber hat das Team nicht zurückgekauft, weil ihm langweilig war. Er wollte Arbeitsstellen bewahren und das Technik-Knowhow in der Schweiz behalten. Denn ich stimme Peter zu, wenn er sagt – wenn Sauber zusperrt, wird keiner mehr verrückt genug sein, in der Schweiz ein Formel-1-Team anzusiedeln.

Bei Caterham gibt es Schweizer Investoren. Sind die nicht auf euch zugekommen?

Ich weiss nicht, um wen es sich dabei handelt.

Vor kurzem hat Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner gesagt: «In Sachen Kostenkontrolle ist alles so festgefahren – vielleicht sollten die Teams zu diesem Thema nichts sagen, weil sowieso alle nur immer im eigenen Interesse handeln.» Was meinen Sie dazu? Sollten die Teams bei solchen Punkten aussen vor gelassen werden?

Das ist ein interessanter Gedanke. Denn wenn wir uns andere Sportarten anschauen, dann ist das bei den meisten heute schon so. Es gibt Förderationen der einzelnen Ländern, und die sitzen zusammen und bestimmen die Regeln. Einzelsportler oder Teams müssen sich diesen Regeln beugen. Nehmen wir den Fussball: Ich glaube nicht, dass einzelne Klubs beschlossen haben, die Tortechnik einzuführen, das war der Verband.

Die Kostendeckelung scheint von Tisch zu sein. Habt ihr bei diesem Thema aufgegeben?

Wir als Team bleiben beim Standpunkt: Es gibt einhellige Übereinkommen, dass eine Kostenkontrolle eingeführt wird, ausformuliert bis zu Details wie Minutenzahlen im Windkanal. Inzwischen ist die ganze Diskussion absurd geworden. Im Mittelpunkt sollte ganz Anderes stehen.

Die Fans beispielsweise werden seit mehr als zehn Jahren vernachlässigt. Ich kann mich daran erinnern, dass damals eine Gruppe von Herstellern eine Arbeitsgruppe gründen wollte, wie man die Show für die Fans verbessern könnte. Was ist seit damals passiert? Gar nichts.

Klar bin ich auch der Meinung, dass Formel 1 ein Schaufenster für Spitzentechnik sein sollte, aber der Fan scheint mir zu wenig Zugang zu dieser Technik zu haben. Und hier sind dann Quervergleiche zu anderen Sportarten schwierig, weil die Formel 1 auf ihre Weise einzigartig ist.

Fast jeder hat einen Fussball zuhause und kann ihn hinterm Haus herumkicken. Das halbe Land glaubt jeweils, es besser zu wissen als der Nationaltrainer. Die Leute haben einen viel einfacheren Zugang zu diesem Sport als zur Formel 1, selbst wenn viele Menschen Auto fahren. Wir müssten es schaffen, auf dieser Schiene Emotionen auszulösen – die Fans indentifizieren sich über die Piloten mit dem Sport, nicht über Technikdetails. Wir verpassen da den Zug komplett.

Und die ganze Diskussion führt ins Nichts: Ständig werden neue Aspekte auf den Tisch gebracht, aber wir machen keine Fortschritte. Wir erreichen nichts in Sachen Kostenkontrolle, die das Überleben der kleinen Teams gewährleisten kann. Vielleicht muss in der Formel 1 etwas Hässliches passieren, dass den Leute endlich aufgeht, worum es wirklich gehen sollte.

Etwas Hässliches wie Teams, die kollabieren, und Fans, die sich abwenden?

Genau so etwas. Wundern sollte es uns nicht. Wir schaffen es zu wenig, neue Partner anzulocken. Die TV-Zahlen sind in vielen Ländern am Sinken, und man würde es sich zu einfach machen, wenn man sagt – ist ja klar, wenn in vielen Nationen umgestellt wird aufs Bezahlfernsehen. Denn keiner kann dem Rechtehalter vorwerfen, die TV-Rechte teuer zu verkaufen, denn wir alle wollen ja von diesem Geld. Und wenn ein Bezahlsender mehr auf den Tisch blättern kann als ein öffentlich-rechtlicher Sender, dann ist seine Entscheidung klar. Selbst wenn es wohl der Holzweg ist, weil wir uns dann von der grossen Masse der Fans verabschieden.

Ist es denn machbar, dass kleinere Team die grossen ärgern, selbst wenn sie eben über weniger Mittel verfügen?

Das muss das Ziel sein. Nehmen wir die Lage vor zehn Jahren: Wir hatten grosse Werksteams mit üppigen Budgets. Dennoch konnten wir in der Saison 2001, als Privatteam, WM-Vierter werden! Und damals hat niemand, absolut niemand über Kostendeckelung gesprochen. Damals wurde auch nicht über künstliche Massnahmen diskutiert, den Sport attraktiver zu gestalten, damals konnten wir neue Partner finden. Dahin müssen wir wieder gelangen. Ferrari hat damals alles gewonnen, aber keiner hat sich über TV-Zahlen aufgeregt oder über den Sport an sich. Das Produkt stimmte, so wie wir heute mit der Formel 1 ein gutes Produkt haben.

Natürlich müssen wir mit der Zeit gehen. Natürlich können wir nicht denken, wir leben in einer Blase, und wirtschaftliche Probleme existieren für uns nicht. Aber das bedeutet doch nicht, dass man die DNA des Sports in Frage stellen muss! Kein Mensch sprach damals von mangelndem Sound, kein Mensch dachte an doppelte WM-Punkte oder an Unterböden, die Funken schlagen sollen. Das brauchen wir alles nicht. Wir müssen aus der Vergangenheit lernen, was wir damals richtig gemacht haben, und wir müssen an diesen Punkt zurückkommen.

Die Kosten sind nur ein geringer Aspekt dabei. Wir müssen zunächst mal die Regeln angucken und sie so gestalten, dass die Fans den Sport verstehen. Heute sind wir am Punkt, wo wir selber teilweise die Regeln nicht begreifen! Ich kann jeden Fan verstehen, wenn er sich für diese Regeln nicht erwärmen kann.

Ein gutes Beispiel ist der America’s Cup. Zum Ende hin wurde nur noch um die Kosten gestritten, die Beteiligten zogen vor Gericht und dort wurde entschieden, nach welchem Reglement künftig gesegelt wird. Also machten Anwälte am Ende das Reglement, das kann doch kein Fan nachvollziehen! So weit sind wir noch nicht, aber wir bewegen und in diese Richtung. Teams sollten die Regeln nicht bestimmen, der Verband sollte das tun, wie in anderen Sportarten.
Ich weiss auch, dass ein Team wie wir nie das Budget haben wird wie etwa Ferrari. Das war schon immer so. Aber wir müssen Mittel und Wege finden, dass das Geld so verteilt wird, dass die weniger wohlhabenden Rennställe überleben können.

Was mich am meisten ärgert: Warum müssen sich die Teams immer so misstrauen? Viele gute Vorschläge werden abgewürgt, weil die Rennställe zu wenig Vetrauen zueinander haben. Das erste Gegenargument beim Kostendeckel ist immer, man könne das nicht kontrollieren. Natürlich kann man das! Das wird nur deshalb behauptet, weil die Teams an Paranoia leiden und sich grundsätzlich nicht über den Weg trauen. Das ist krank.

Wir sehen immer nur das Negative. Autohersteller haben Verbände, in diesen Gremien wird miteinander gesprochen. Wir Rennställe haben das nicht. Das ist ein fundamentales Problem. Wir wittern nur immer, dass andere die Regeln brechen würden, es mangelt an gutem Willen den anderen gegenüber. Wir vergessen das grosse Bild – wir vergessen, was gut für den Sport wäre.

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