Spionage: Was lief mit Ferrari, Toyota und Renault?
Toyota und Ferrari: Verflixt ähnlich
In loser Reihenfolge gehen wir in Form von «SPEEDWEEKipedia» auf Fragen unserer Leser ein. Dieses Mal will Michael-Peter Ritter aus Rostock wissen: «Ihr habt von Mercedes-Benz berichtet, die gegen einen Mitarbeiter vorgehen – wegen Verdachts auf Datenklau. Dabei habt Ihr auch «Skygate» in Erinnerung gerufen, den beispiellosen Skandal, als Ferrari-Chefmechaniker Nigel Stepney dem McLaren-Chefdesigner Mike Coughlan Daten des damaligen GP-Renners von Ferrari zuspielte. Ich habe noch in Erinnerung, dass es zwei weitere Fälle gab, die man erwähnen könnte, wenn es um unerlaubten Daten-Transfer geht. Einer drehte sich um Renault, der andere um Toyota und Ferrari. Aber ich erinnere mich nicht mehr an Einzelheiten. Könnt Ihr mit da auf die Sprünge helfen?»
Gerne. Im Oktober 2003 kam es im Formel-1-Werk von Toyota in Köln zu einer Razzia. Dabei wurde eine auf Ferrari zugeschnittene Aerodynamik-Software namens «Elab» auf den Rechnern gefunden. Toyota selber arbeitete mit einem Programm, das «Template» hiess.
Wie sich später herausstellte, hatte der von Ferrari abgeworbene Angelo Santini die Software aus Italien mitgebracht. Auffällig war jedenfalls, dass der 2003er Toyota vom Typ TF103 dem früheren Ferrari F2002 verdächtig ähnlich sah. Und auch gemessen am 2003er Ferrari war eine gewisse Verwandtschaft des 2004er Toyota unübersehbar.
Die Affäre hatte zur Folge, dass die beiden früheren Ferrari-Angestellten Santini und Mauro Iacconi im April 2007 vor einem Gericht in Modena der Industriespionage für schuldig erklärt wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie Toyota längst entlassen. Santini erhielt neun Monate Haft, Iacconi sogar 16 Monate. Beide Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Die Anklage gegen einen dritten Techniker wurde wegen Mangels an Beweisen fallengelassen.
Ferrari fuhr zwischen 2000 und 2004 mit Michael Schumacher zu fünf WM-Titeln in Folge. Der Erfolg des 2003er Toyota hielt sich in Grenzen: WM-Rang 8 bei den Marken mit 16 Punkten. Ferrari holte fast zehn Mal so viel (damals gab es ein anderes Punktesystem als heute).
Vielen Fans fiel damals auf, dass die FIA nicht gegen Toyota ermittelte. Dem Autoverband wurde unterstellt, nichts gegen Toyota und Ferrari unternehmen zu wollen. Weil man Toyota als Hersteller nicht vergraulen wolle und weil FIA ja sowieso «Ferrari International Assistance» heisse. FIA-Präsident Mosley wiederum wurde nachgesagt, er sei wegen seiner Antipathie zu Ron Dennis so hart gegen McLaren vorgegangen. Mosley hat das in seiner Autobiographie entschieden dementiert.
Anders lag der Fall bei Renault und McLaren. Ein McLaren-Techniker hatte Daten mit zu Renault genommen. Die FIA bekam Wind davon, pochte bei Renault an die Tür, und die Franzosen gaben sofort alles zu. Damit war die Ausgangslage eine ganz andere als bei «Spygate» zwischen McLaren und Ferrari – da hatten führende McLaren-Verantwortliche lange Zeit geleugnet, von den Ferrari-Daten gewusst zu haben. FIA-Chef Mosley fand diesen Verschleierungsversuch mindestens so schlimm wie der Datentransfer.
Die FIA führte gegen Renault dennoch eine Untersuchung durch und kam zum Schluss, dass McLaren von den Renault-Daten nie Gebrauch gemacht hatte. Und dass diese Informationen für das McLaren-Fahrzeug unbrauchbar gewesen wären. Renault hatte zwar die Regeln insofern gebrochen, weil man den Datenverkehr nicht verhindert hatte. Weil jedoch Renault sofort koopertierte und die Daten nicht zu gebrauchen waren, sah die FIA von einer Strafe ab.
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