Formel-1-Fahrer: Ihr Brief ein Schuss in den Fuss?
Sebastian Vettel, Jenson Button und Alex Wurz haben am 23. März als Direktoren der Formel-1-Fahrervereinigung den Mächtigen der Formel 1 geschrieben. Kernaussage: So geht es nicht weiter.
Die Fahrer fordern die Entscheidungsträger der Formel 1 (also FIA-Chef Jean Todt und Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone) auf, «die Regierung des Sports neu aufzustellen. Einige der jüngeren Entscheidungen sind störend, die grossen Fragen werden umgangen, der Erfolg der Formel 1 wird unterlaufen.»
Der Brief der Formel-1-Fahrer an die beiden mächtigsten Männer im Motorsport gab so viel zu reden, bis das erneute Quali-Fiasko als Reizthema zurückkehrte. FIA-Präsident Jean Todt sowie Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone sind wenig angetan von Piloten, die nicht nur am Lenkrad drehen wollen.
Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone höhnte: «Die Fahrer können sagen, was sie wollen. Aber genau damit hat es sich dann – denn sie können überhaupt nichts machen. Sie haben eine Meinung. Jeder hat eine Meinung. Sie sagen doch nur, was ihnen ihre Rennställe vorgeben. Sie denken, die Leute würden eher auf Piloten hören. Ihr von den Medien hört ihnen ja auch zu.»
Auf die Frage eines Kollegen, ob die Piloten also nur Schwätzer seien, meint der Engländer: «Einige davon.» Auf das Nachhaken, wen er damit meine, sagt Bernie: «Jene, die es nun halt sind.»
Daher ist es nur folgerichtig, wenn Bernie Ecclestone auf die Frage, ob die Fahrer in der Formel-1-Kommission einen Platz haben sollte, antwortet: «Nein.»
Schon gar nicht GPDA-Chef Alexander Wurz, über den Ecclestone fallen liess: «Das gibt es diesen, wie heisst er nochmals, diesen Österreicher halt.» Natürlich kennt Ecclestone den Namen ganz genau.
Ecclestone sagt weiter: «Welche Interessen haben die Fahrer denn, ausser dass sie mit diesem Sport tüchtig Geld verdienen? Die Piloten sollen einfach ins Auto steigen und fahren. Sie müssen Dinge intern mit dem Team ausdiskutieren, das Team hat dann eine Stimme.»
Sebastian Vettel hat das Quali-Desaster mit einer Eisdiele verglichen, erinnern Sie sich? Der Ferrari-Star sagte: «Ich war so enttäuscht wie jeder, den ich kenne, dass wir in Bahrain in Sachen Qualifying nicht zurück zum alten System sind. Ich war wirklich überrascht. Aber lasst es mich so sagen: Du verkaufst Eis, und deine Sorte im Angebot ist Vanille. Alle, die in deinen Laden kommen, wollen aber Schokoladen-Eis. Am nächsten Tag machst du den Laden wieder auf, und was bietest du an? Genau, erneut Vanille! Normalerweise würde man sich aber danach richten, was die Kunden wollen. Da macht doch jemand einen schlechten Job, wenn hier genau das Gegenteil getan wird. Darauf dürfen wir nun wirklich nicht stolz sein.»
Bernie Ecclestone spottet über diese Vergleich: «Seb sollte mal mit seinem Chef sprechen und das Gleiche sagen. Sie führen doch seit einigen Jahren diese Eisdiele.»
FIA-Chef Jean Todt war etwas diplomatischer: «Unsere Tür steht ihnen immer offen. Sie haben jedes Recht, zu uns zu kommen. Sie brauchen keine Briefe zu schreiben.»
Ex-GP-Pilot Stefan Johansson findet: Der Brief war ein Fehler.
Der Schwede sagt in seinem Formel-1-Blog: «Es war wirklich eine schlechte Idee. Zunächst einmal – wieso ein offener Brief? Ich hätte diese Angelegenheit hinter verschlossenen Türen behandelt. Der Brief hat nur festgehalten, was alle schon wissen, und ich musste ein wenig schmunzeln, wie Bernie Ecclestone damit umgegangen ist. Er hat sich einverstanden erklärt, aber in seiner Antwort auch gleich noch die Rechtschreibung korrigiert.»
«Ich glaube – die meisten Fans pfeifen darauf, was die Fahrer sagen, ausser es handelt sich um die Stars der Szene. Der Chef der GPDA ist noch nicht einmal ein aktiver Fahrer. Wenn ich mir die ganzen Kommentare so anhören, dann haben sie sich mit dem Brief in den Fuss geschossen.»
Brief der GPDA: Das steht drin
Die Piloten bemängeln in ihrem Schreiben fragwürdige Entscheidungen wie die Vergabe doppelter WM-Punkte beim WM-Finale 2014 in Abu Dhabi, wie die Änderung des Quali-Formats, ohne Not und sehr kurz vor dem WM-Auftakt 2016 in Australien, Einschränkungen im Funkverkehr, fundamentale Schnitzer beim Schritt in die neue Turbo-Ära, Vorschläge wie Gewichts-Handicaps für Sieger oder umgedrehte Startaufstellungen.
Die Fahrer kreiden an, dass der Sport global mehr und mehr auf Bezahl-TV-Sendern zu sehen ist, einer der Hauptgründe für fallende Zuschauerzahlen. Die Piloten stellen einen Mangel an Vision der Strategiegruppe fest, was die Ausrichtung des Sports angeht. Sie monieren die ungerechte Verteilung der Preisgelder, zu Gunsten der Top-Teams.
Die Fahrer schreiben: «Es ist fundamental, dass die Entscheidungsträger in unserem Sport intelligente und wohl erwogene Änderungen einbringen. Einige der jüngeren Neuerungen hingegen haben sich als zerstörerisch erwiesen, blind für die grossen Probleme im Sport, insgesamt steht nichts weniger als der Erfolg der Formel 1 auf dem Spiel. Wir Fahrer sind zum Schluss gekommen, dass der Entscheidungsfindungsprozess in der Formel 1 überholt und schlecht strukturiert ist. Er steht dem Fortschritt im Weg. Um genau zu sein blockiert er gesunde Entwicklungen.»
«Künftige Entscheidungen sollten sich an einem klaren Hauptplan orientieren, welcher die Grundprinzipien und Grundwerte der Formel 1 widerspiegelt. Bislang erkennen wir kein kluges Geschäftsmodell für die Zukunft des Grand-Prix-Sports.»
«Wir wollen einen Sport, der harten Wettbewerb zwischen den besten Piloten fördert, einen Wettbewerb, der mit atemraubenden Renngeräten auf den coolsten Rennstrecken der Welt stattfindet. Die Formel 1 sollte mit den besten Teams, den besten Fahrern und auf den besten Strecken der Welt zu sehen sein, mit Partnerfirmen und Lieferanten, welche dieser Elite würdig sind.»
Der Österreicher Alexander Wurz sagt als Chef der GPDA: «Dieses Schreiben ist keine Panikreaktion. Wir haben unter uns Piloten seit längerem über diese ganzen Entwicklungen diskutiert und wollten unserem Unmut Luft machen. Wir haben erneut in Australien darüber geredet, unsere Stellungnahme ist das Ergebnis davon. Der überwiegende Teil der Fahrer aus der GPDA war dafür, dass wir einen solchen Schritt machen. Der Brief ist keine respektlose Attacke, sondern vielmehr Ausdruck unserer Bedenken. Wir lieben unseren Sport bedingungslos und machen uns grosse Sorgen um ihn. Wir teilen diese Sorge mit den Fans.»