Die nackte Wahrheit über Silverstone
Das sagt alles
Der Britische Grand Prix ist älter als jeder andere WM-Lauf, 1950 wurde hier erstmals gefahren, die damaligen Vehikel sind von den heutigen Kohlefaserboliden so weit entfernt wie eine Mondrakete von einem schlecht gefalteten Papierflieger.
Silverstone ist aber auch ein ständiger Widerspruch: Viele lieben die Strecke, einige hassen sie, Traditionalisten rümpfen die Nase über die ganzen Umbauten. Wir verraten die Wahrheit und nichts als die nackte Wahrheit über Silverstone, mit einigen verblüffenden Fakten.
– Erstaunlicherweise hat es an einem Rennwochenende des britischen Grand Prix noch überhaupt nie geregnet. Nicht umsonst wird Silverstone die Sonnenstube Grossbritanniens genannt.
– Der erfahrenste Pilot im aktuellen Feld, Jenson Button, debütierte – gefühlt – im Jahr 1971. Er bewegte damals einen dritten Tyrrell.
– Die Zukunft der Strecke von Silverstone ist nie in Frage gestellt worden. Das liegt vor allem daran, dass Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone ein glühender Fan der Silverstone-Besitzer BRDC (British Racing Drivers Club) ist und schon 1960 zum Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit ernannt wurde.
– Die Zufahrt zur Strecke ist ein Vorbild modernster Verkehrsführung. Um weiter Trendsetter zu bleiben, probiert die Polizei jedes Jahr ein anderes Verkehrsleitsystem aus, das noch vorzüglicher als das vorhergehende funktioniert. Was viele nicht wissen: Mit der Abfahrt hat die Polizei nichts zu tun (siehe weiter unten), weil die Polizeigewerkschaft Arbeit am späteren Sonntagnachmittag auf ein Minimum beschränkt.
– Die unmittelbare Umgebung der Strecke beherbergt mehr Drei-Sterne-Restaurants als London. Kulinariker aus der ganzen Welt reisen extra wegen der berühmten Küche an. Vor allem aus Indien und China reisen viele Touristen an, was das Entstehen der zahlreichen indischen und chinesischen Restaurants erklärt.
– Die Wiesen rund um die Rennstrecke profitieren von einer einmaligen Bodenbeschaffenheit. Wenn es denn mal doch regnet, sickert Wasser sofort ab, die Wiesen sind schon nach wenigen Minuten wieder trocken. Geologen untersuchen dieses Phänomen seit Jahren, eine Erklärung haben sie noch immer nicht. Sie glauben, es liegt am Wetter.
– Die Rennanlage ist so gemütlich, dass die Fans nach Rennen nie nach Hause fahren wollen. Weshalb der Streckenbetreiber regelmässig den früheren Teamchef Eddie Jordan und seine Rockband für eine After-Race-Party verpflichtet – ein sicheres Mittel, um die Massen zu ermuntern, sich endlich auf den Heimweg zu machen.
– Die meisten Kurvennamen der Silverstone-Strecke gehen auf legendäre britische Rennfahrer zurück, beispielsweise Samuel Becketts, Thomas Abbey, Brian Brooklands oder Daniel Stowe.
– Die Abreise wird vom Tourismusverein der Grafschaft Northamptonshire so organisiert, dass die Rennbesucher möglichst lange die atemraubende Region rund um die Strecke mit ihren zahlreichen Sehenswürdigkeiten geniessen können – wie die Catanger-Lamas von Towcester, die Gärten von Castle Ashby oder die Panzer in Helmdon. Als Standplätze werden sämtliche Landstrassen verwendet und der grösste Teil der Autobahnen hinzu. Dieser Service ist kostenlos.
– Die Weltoffenheit des Briten im Allgemeinen und des Zentralbriten im Besonderen ist legendär, wie eine landesweite Abstimmung unlängst unterstrichen hat.
– Der BRDC (British Racing Drivers Club) gewann mehrere Business Awards für seine Art des Strecken-Managements. Studenten aus der ganzen Welt strömen zur Universität Oxford, um Vorlesungen der BRDC-Manager zu verfolgen, die auf Monate hinaus ausgebucht sind.
– Die Königsfamilie zieht jedes Jahr Streichhölzer, wer nach Silverstone fährt oder beim Tennis-Finale in Wimbledon die Royals repräsentiert. Der mit dem kürzesten Streichholz reist nach Silverstone.
– Der preisgekrönte Flughafen von London-Heathrow liegt in unmittelbarer Nähe der Rennstrecke, die Ausschilderung ist vorbildlich.
– Der Rennbetrieb in Silverstone wird jeweils um 17.00 Uhr für eine Teepause unterbrochen. Das ist auch der Grund, wieso der Grand Prix lokal schon um 13.00 Uhr (= 14.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit) gestartet wird – selbst bei Verzögerungen bleibt dann nach Fallen der karierten Flagge genügend Zeit, um ein Tässchen aufzubrühen und die Gurkenbrötchen bereit zu legen.
– Dieses Rennen zieht jedes Jahr eine Unmenge von VIP an, einige von ihnen sind sogar ausserhalb von Zentral-London bekannt.
– Bauarbeiten an den vorbildlichen Autobahnen und Landstrassen im Grossraum Silverstone werden ausschliesslich in der Nacht durchgeführt, um den glücklichen Autofahrern am Tag wieder freie Fahrt zu garantieren.
– Das Rennpublikum ist für seine Fachkenntnisse bekannt: 1986 and 1987 wurde Nigel Mansell ausgebuht, als er den beliebten Brasilianer Nelson Piquet besiegte, indem er ihn völlig respektlos hinter sich liess. Die meisten Fans fanden das einen groben Verstoss britischer Gastfreundschaft. Auch Bruchpilot Lewis Hamilton wird sich hier auf ein hartes Wochenende gefasst machen müssen, nach seinem unsportlichen Manöver gegen Nico Rosberg in Österreich. Jeder weiss, wie sympathisch grundsätzlich alle Deutschen dem britischen Volk sind und wie gross Fairplay in Grossbritannien geschrieben wird.