MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Grand Prix 1961–1965: Eine andere Art von Donner

Von Mathias Brunner
Die Formel 1 gastiert 2021 in Zandvoort. In den Dünen erklangen ganz unterschiedliche Motoren: Moderne 1,6-Liter-V6-Turbos oder 1,5-Liter-Sauger wie vor 60 Jahren. «Grand Prix 1961–1965» feiert eine Epoche.

Wenn eine Landschaft doch nur sprechen könnte! Was hat die Rennstrecke von Zandvoort seit rund siebzig Jahren nicht alles an Motorengeheul zur Kulisse gehabt – Saugmotoren von Ferrari und Maserati, 1,5-Liter-Kreischer von BRM und Climas, den wunderbaren Donner des fabelhaften Cosworth-V8, erstes Turbo-Gezische in den späten 1970ern und heute das dezente Grollen der modernen 1,6-Liter-V6-Motoren mit Turbo-Aufladung und Mehrfach-Energierückgewinnung.

Während die Formel 1 Anfang September erstmals seit 1985 wieder in den Dünen von Zandvoort gastiert, ist ein Blick in den Rückspiegel Pflicht. Denn der niederländische Rennkurs war auch Bühne für die aufregende Ära der 1,5-Liter-Saugmotoren der Königsklasse, als sich die Fahrer aufregend saugefährliche Windschattenduelle lieferten, Stichworte Reims und Monza. Das Buch «Grand Prix 1961–1965, Die Jahre der 1,5-Liter-Formel 1» lässt diese fünf Jahre Revue passieren, mit einem prachtvollen, bildlastigen Schwergewichtler – als Motoren noch Motoren hiessen und nicht Antriebseinheiten.

Wie so oft in der Historie der Formel 1 seit 1950 versuchten die Regelhüter, die Autos langsamer zu machen. Zum 1. Januar 1961 wurde daher der Hubraum auf 1,5 Liter beschnitten. Damit sackten die auf die Bahn gebrachten Pferdestärken auf zunächst überschaubare 150 zusammen, die gemessen an ihren Vorgängern lächerlich kleinen Motörchen in den Konfigurationen V6, V8 und V12 leisteten akustisch aber Grosses. Ein kleiner Vergleich in Sachen Power: BRM brachte 1953 rund 600 PS auf die Bahn, über die Standfestigkeit legen wir hier den gnädigen Mantel des Vergessens.

Die Technik der Rennwagen von 1961 bis 1965 wird bis heute zu wenig gewürdigt, dem macht «Grand Prix 1961–1965, Die Jahre der 1,5-Liter-Formel 1» ein Ende. Die Fahrer mussten sich schon Einiges einfallen lassen, um die – gemessen an anderen Renngeräten – eher schwachbrüstigen Autos auf Speed zu bringen.

Die Engländer unterschätzten das Durchsetzungsvermögen der Sportbehörde, sie glaubten lange nicht, dass die 1,5-Liter-Formel überhaupt kommen würde. Da waren die Techniker des gerissenen Enzo Ferrari längst an der Arbeit. Ergebnis: Ferrari fuhr 1961 mit dem Typ 156 (Haifisch-Nase) alles in Grund und Boden. Stirling Moss verhinderte in Form von Sternstunden in Monaco und auf dem Nürburgring einen Durchmarsch von Ferrari bis nach Monza, wo für die Italiener Triumph und Tragödie eng beisammen lagen – Wolfgang Graf Berghe von Trips kam ums Leben, Phil Hill wurde Weltmeister.

Mit der Zeit holten die Briten auf: BRM mit Graham Hill und Jim Clark mit Lotus holten ihre ersten Titel, der geniale Lotus-Konstrukteur Colin Chapman brachte den ersten Monocoque-Renner auf die Bahn, den legendären Lotus 25, mit dem für seinen kongenialen Partner Clark von nun an das Motto galt – liegen beim Siegen.

Einige der besten Formel-1-Fahrer aller Zeiten haben sich in der 1,5-Liter-Ära ausgezeichnet: Stirling Moss und John Surtees, Jim Clark und Dan Gurney, Jackie Stewart und Graham Hill. Die Zuschauer scherten sich keinen Deut darum, dass die Motoren nie über 225 PS hinauskamen, angesichts des kleinen Hubraums ohnehin eine überaus respektable Leistung, sie erfreuten sich vielmehr an fabelhaftem Motorsport, der da auf den grandiosesten Rennstrecken der Welt geboten wurde.

All dies wird mitreissend präsentiert in «Grand Prix 1961–1965, Die Jahre der 1,5-Liter-Formel 1»: Die Texte beschreiben fachkundig und knackig das Geschehen, der wahre Knüller sind aber die Fotos, viele von ihnen bislang unveröffentlicht.

Wir tauchen ein in eine Ära, als die Rennwagen und die Helden im Cockpit zum Greifen nahe schienen, als der Rennsport noch eine gewisse Unschuld verströmte und gleichzeitig – aus heutiger Sicht – haarsträubend gefährlich war. Da musste nicht über das Einhalten von Pistengrenzen diskutiert werden, denn oft genug war die Pistengrenze eine Hausmauer oder ein Baum, und jeder Fahrer wusste, was es bedeutete, sich da Fehler zu erlauben.

Die Fotos, die meisten aus dem Archiv des unvergleichlichen Bernard Cahier, vermitteln, wie faszinierend Formel 1 in den 1960er Jahren war, auch deshalb, weil die Fotografen damals so gut wie unbeschränkten Zugang erhielten. Die Fans konnten den Piloten über die Schulter gucken, und die offenen Rennhelme erlaubten einen Blick in die Gesichter der Hauptdarsteller.

Das stilsicher gestaltete Buch bietet Sonderkapitel über die Champions, die eingesetzten Motoren und die Monocoque-Techniker, natürlich darf auch ein ausführlicher Statistik-Teil nicht fehlen, Zeitzeugen kommen zu Wort. Mit einem Wort: Festschmaus.

Nur 47 WM-Läufe wurden im Rahmen der 1,5-Liter-Formel 1 ausgetragen, die meisten davon wurden echte Leckerbissen und sind es wert, noch einmal besucht zu werden – «Grand Prix 1961–1965, Die Jahre der 1,5-Liter-Formel 1» ist dazu der ideale Gastgeber.

Das Wichtigste in Kürze

Jörg-Thomas Födisch, Rainer Rossbach und Nils Ruwisch: Grand Prix 1961–1965, Die Jahre der 1,5-Liter-Formel 1
Mit einem Vorwort von Richard Atwood
Von McKlein Publishing
ISBN: 978-3-947156-27-6
360 Seiten, 545 Fotos
Format 29 x 29 cm, Hardcover im Schuber
Texte in deutscher und englischer Sprache
Für 99,90 Euro im Fachhandel oder direkt bei rallyandracing.com

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