Fix: MotoGP-Finale nicht in Valencia

MV Agusta 2019 mit Suter und Forward in der Moto2-WM

Von Günther Wiesinger
In aller Stille bereiten Forward und MV Agusta für 2019 den gemeinsamen Einstieg in die Moto2-WM vor. Bei Suter Industries werden die Chassis für die Triumph-Einheitsmotoren gebaut.

Seit dem Valencia-GP 2017 ist klar, dass MV Agusta einen Einstieg in die Moto2-Weltmeisterschaft 2019 plant.

Forward-Teambesitzer Giovanni Cuzari wollte MV Agusta schon für 2018 als Partner gewinnen, aber Rennchef Andrea Quadranti stellte im Herbst klar: Ein Einstieg im letzten Jahr mit Honda-Einheitsmotoren macht keinen Sinn, weil dann für 2019 für die neuen Triumph-675-Dreizylinder wieder Entwicklungsgeld ausgegeben werden müsste. Ausserdem musste zuerst ein namhafter Chassis-Partner gefunden werden.

Beim Valencia-GP sahen sich dann Firmenchef Giovanni Castiglioni, Renndirektor Andrea Quadranti (SSP und SBK) und Research & Development Director Brian Gillen um, sie sprachen mit potenziellen Teams von Ajo bis Pons, ließen aber dann nie mehr etwas von sich hören.

Forward-Chef Cuzari wollte für 2018 bei Kalex ein Chassis bauen lassen, das dann unter der Bezeichnung MV Agusta eingesetzt werden sollte. Die Kalex-Chefs Alex Baumgärtel und Klaus Hirsekorn winkten ab und kündigten an, man werde Forward Racing für 2018 nicht mehr beliefern.

Deshalb testete Forward im November Suter-Maschinen, die 2017 von den Teams Kiefer und Dynavolt Intact GP eingesetzt worden waren.

Doch Ende November kündigte Suter Industries den Rückzug aus der Moto2-WM an, denn Kiefer war bereits mit KTM einig, es wäre nur Intact als finanzstarker Kunde geblieben.

«Wir brauchen mindestens sechs Fahrer, um den Aufwand zu rechtfertigen», betonte der damalige Suter-Industries-CEO Maurizio Bäumle.

Vier Tage nach dem angekündigten Rückzug bestätigte Eskil Suter den Verbleib in der Moto2-WM – nur mit Forward und den nicht gerade verheißungsvollen Piloten Manzi und Granado.

Jetzt steht fest: Forward plant mit MV Agusta den Einstieg in die Moto2-WM 2019. Und die Rolling-Chassis sollen bei Suter gebaut werden. Alex Giussani, Technical Director von Suter Industries, hat das Computer-Design für die Chassis für die Triumph-Motoren längst fertig, aber es musste auf einen Auftraggeber gewartet werden, deshalb wurde das Projekt vorübergehend ad acta gelegt.

Der sonst so gesprächige Eskil Suter äußert sich zu diesem Thema nicht, auch Giussani hat eine Anfrage von SPEEDWEEK.com fünf Tage lang unbeantwortet gelassen.

Aber Forward sucht längst technische Partner wie Suspension-Hersteller im Paddock, deshalb sickerten erste Informationen durch.

Bei Suter Industries kam es nicht zuletzt wegen des Forward-Deals zu Unstimmigkeiten: CEO Maurizio Bäumle ist seit mehr als zwei Monaten weg, auch Marketing-Chef Philippe Soutter hat die Firma verlassen.

Das ungewöhnliche Schweigen bei Suter hat verständliche Ursachen. Bei solchen Projekten werden Verschwiegenheitsklauseln («letter of confidendiality») unterschrieben.

Deshalb wird bei Suter auch die Zusammenarbeit beim Bau der MotoGP-Chassis für Ducati nicht an die große Glocke gehängt, obwohl man immer wieder Ducati-Mitarbeiter mit Suter-Paketen durchs Fahrerlager stiefeln sieht.

Suter hat 2004 bereits die Chassis für die MotoGP-Kasawaki gebaut, nach 2012 die kompletten Mahindra-Moto3-Maschinen, die Suter-Moto3-Honda, die Suter-BMW für die MotoGP-Claiming-Rule-Klasse (für Forward und Ioadaracing) sowie 1999 die 500-ccm-Chassis für MuZ-Weber mit den swissauto-Motoren.

Forward hat 2017 in Misano bereits ein Moto2-Motorrad im MV Agusta-Design vorgestellt.

Der illustre Forward-Teamchef Giovanni Cuzari hat beim Sepang-GP 2015 angekündigt, er werde 2016 Teamprinzipal bei MV Agusta für die Supersport und Superbike-WM, MV werde spätestens 2018 in die MotoGP-WM einsteigen und 2019 die Einheitsmotoren für die Moto2-WM liefern.

Viel heiße Luft, wie man inzwischen weiß.

Denn MV Agusta hatte damals rund 70 Millionen Schulden angehäuft und im Jahr 2015 nur 9000 Motorräder verkauft. Inzwischen gibt es einen neuen Investor, Castiglioni konnte dank der englisch-russischen Investorengruppe Black Ocean eine Insolvenz abwenden. Aber das Unternehmen schwimmt nicht gerade in Geld. Mercedes AMG hat seine Anteile wieder verkauft.

Mit dem glorreichen MV Agusta-Zeitalter unter dem Grafen Corrado Agusta mit Stars wie Agostini, Read & Co. hat die neue MV-Agusta-Ära ohnedies nur den Namen gemeinsam.

Mit 275 GP-Siegen und 75 Weltmeistertiteln war MV Agusta im GP-Sport die erfolgreichste Motorradmarke der ersten 30 Jahre.

Dass sich MV Agusta ausgerechnet Forward als Partner ausgesucht hat, liegt wohl in erster Linie an der Bekanntschaft zwischen Castiglioni und Cuzari. Es würden sich konkurrenzfähigere und ehrenhaftere Teams anbieten.

Luca Marini und Lorenzo Baldassarri beendeten bei Forward die Saison 2017 auf Kalex auf dem Gesamträngen 15 und 16. In diesem Jahr sind Manzi und Granado auf Suter nach fünf Rennen noch punktelos. Dafür ist Jerez-Sieger Baldassarri jetzt auf der Kalex beim Pons-Team WM-Zweiter, er hat schon einen zweiten und einen ersten Platz errungen und 64 Punkte eingesammelt. Im Vorjahr brachte er es in der ganzen Saison auf der Forward-Kalex auf 51 Punkte.

Dass Cuzari eine bewegte Vergangenheit hat, nach dem Sachsenring-GP 2015 vier Wochen wegen Steuerbetrug und anderen Delikten im Tessin in Untersuchungshaft saß und dann sein MotoGP-Team zusperren musste, ist auch kein Geheimnis.

Jetzt stellt sich die Frage: Kann Suter ein schlagkräftiges Motorrad bauen, obwohl dieses Fabrikat seit 2014 keinen Moto2-WM-Lauf gewonnen hat? Und können Forward und MV Agusta Topfahrer verpflichten?

«Alle Spitzenfahrer wollen heute Kalex oder KTM», gibt ein Moto2-Teambesitzer zu bedenken. «Als Márquez die Fahrer-WM 2012 gewann, ist das halbe Feld auf Suter umgestiegen. Und seit Kalex alles gewinnt, sitzen mehr als 20 Fahrer auf Kalex.»

Dass Suter trotz des Gewinns von drei Moto2-Konstrukteurs-WM-Titel (2010 bis 2012) einen Fremdauftrag übernimmt, ist in der Moto2-WM schon einmal vorgekommen. 2014 existierte ein Moto2-Fabrikat namens Caterham-Suter – das Bike hatte technisch mit dem malaysischen Hersteller Caterham nichts zu tun. Und MotoBi hat zum Beispiel für drei Jahre beim JiR-Team die Namensrechte gekauft, als die Mannschaft von Luca Montiron mit japanischen TSR-Fahrwerken antrat.

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