Mike Leitner: «Traute Dani Pedrosa den WM-Titel zu»
Mike Leitner arbeitete elf Jahre mit Dani Pedrosa zusammen
Mike Leitner und Dani Pedrosa feierten 2004 und 2005 zwei Titelgewinne in der 250-ccm-Klasse, danach wurden drei zweite Gesamtränge in der MotoGP-WM sichergestellt. Gemeinsam hat das Duo insgesamt 41 GP-Siege erzielt. Im Oktober 2014 entschloss sich Leitner, das Repsol-Honda-Team zu verlassen. Er wollte eine Verschnaufpause («Ich war jedes Jahr zwischen 190 und 220 Tagen unterwegs) und suchte eine neue Herausforderung.
Und jetzt tritt Dani Pedrosa mit 32 Jahren zurück. Diesen Plan wird er morgen auf dem Sachsenring offiziell bestätigen. «Als Dani im Juli 2014 anfing, bei uns im Team Mechaniker auszutauschen, habe ich zu ihm gesagt: Wenn du etwas ändern willst, musst du eigentlich mich austauschen», schildert Leitner. «Aber er ist nicht darauf eingegangen.»
Beim Brünn-GP im August 2014 waren erste Gerüchte zu hören, Pedrosa wolle einen Rossi-Effekt erzielen (Vale hatte Burgess nach 2013 gegen Galbusera getauscht) und Leitner ersetzen.
Doch die Honda Racing Corporation legte Mike Leitner im Herbst 2014 in Absprache und mit Zustimmung von Pedrosa einen neuen Zwei-Jahres-Vertrag für 2015 und 2016 vor.
Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com spricht Mike Leitner über die Höhen und Tiefen der elfjährigen Zusammenarbeit mit Ausnahmekönner Dani Pedrosa.
Mike, welchen Menschen und Rennfahrer hast du im Winter 2003/2004 vorgefunden, als du vor elf Jahren ins Team von Pedrosa gekommen bist?
Hm, als Rennfahrer war er schon damals eine Ausnahmeerscheinung. Wenn du den ersten 250-ccm-WM-Lauf deiner Karriere gewinnen kannst, nachdem du vorher ein halbes Jahr lang die meiste Zeit im Rollstuhl verbracht hast, ist das beachtlich.
Dani hatte sich im Oktober 2003 beim 125er-GP in Phillip Island das Sprunggelenk gebrochen, ziemlich kompliziert.
Fahrerisch gab es nichts auszusetzen, er war halt noch blutjung, 17 Jahre. Er konnte kaum Englisch.
Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen?
Danis Manager Alberto Puig betrieb damals auch das Movistar-Honda-Team für Dani, er suchte Techniker für die 250er-WM. Das hat er auch Adi Stadler gesagt, er hat mich ins Spiel gebracht.
In der 250er-WM hat Dani zwei Jahre dominiert. Aber in der MotoGP-Weltmeisterschaft hat er den Titel in 13 Jahren nie gewonnen.
Ja, das ist halt der kleine Schönheitsfehler.
Wie schlimm wäre es für dich gewesen, wenn Dani Pedrosa nach deinem Weggang Ende 2014 noch MotoGP-Weltmeister geworden wäre? Hättest du dann ein weinendes oder ein lachendes Auge gehabt?
Nein, ganz ehrlich, ich hätte mir nichts sehnlicher gewünscht, als dass Dani Weltmeister wird, da hatte er meine volle Unterstützung. Wenn er es wirklich noch arrangieren hätte können, MotoGP-Weltmeister zu werden, wäre ich wirklich happy. Ich kannte ja den größten Teil... Wir haben ja so lange zusammengearbeitet. Elf Jahre.
Dani Pedrosa hatte in den ersten MotoGP-Jahren klare Schwächen im Regen.
Ja, am Anfang war er im Regen schwach. Erst 2012 hat er in Malaysia sein erstes Regenrennen gewonnen.
Pedrosa wollte damals nicht verraten, wie er sich das schnelle Fahren im Regen angeeignet hat. Er fuhr im Sand mit Slickreifen, nicht wahr?
Es fahren ja alle MotoGP-Piloten Dirt-Track. Das hat er auch gemacht. Dani ist mit Dirt-Track-Reifen im Sand gefahren, mit Intermediates, das stimmt. Aber ich glaube nicht, dass das der Schlüssel zum Erfolg war. Das machen alle.
Dieses Training war nur ein kleiner Beitrag dazu, dass er im Regen besser wurde.
Er hatte ursprünglich schon vom Kopf her eine unglaubliche negative Einstellung im Regen. Wenn es geregnet hat, war für ihn der Tag vorbei, dann war es gelaufen.
Und irgendwann hat er gemerkt, dass er mit so einer Einstellung nicht Weltmeister werden kann?
Ja, es hat dann das ganze HRC-Team daran gearbeitet, dass er sich in diesem Punkt ändert. Wir haben ihn stark gepusht.
Dani ist ein Fahrer, der irrsinnig stark an einem Setting arbeitet. Aber im Regen hat er sich gar nicht so eifrig um eine brauchbare Abstimmung gekümmert, weil er gewusst hat, die nasse Fahrbahn taugt ihm nicht.
Wir haben ihn dann einmal echt gescheit angekurbelt und ihm alle Informationen aus der Nase rausgezogen, bis wir anständige Infos gekriegt haben. Wir haben ihm dann ein gutes Regen-Set-up gemacht. Seitdem ist ein echt guter Regenfahrer aus ihm geworden.
Ihr habt 41 GP-Siege miteinander gefeiert, 26 allein in der MotoGP-Klasse. In welchem Jahr war Dani am dichtesten dran, die WM zu gewinnen? WM-Zweiter war er 2007, 2010 und 2012. Beim ersten Mal fehlten 125 Punkte auf Stoner, beim zweiten Mal 38 auf Lorenzo, 2012 schließlich 18 auf Lorenzo.
2012 wäre die größte Chance gewesen, klar, als er die sieben Grand Prix gewonnen hat. Das war halt dann super bitter in Misano, als das Problem mit der Bremse passiert ist.
Dani stand auf der Pole-Position, es gab einen Fehlstart, beim Re-Start muss irgendein Plastikteil in die Karbonbremse reingekommen sein. Dani musste den Startplatz verlassen und von hinten als Letzter wegfahren. Dann hat ihn Héctor Barberá abgeschossen, somit war das Rennen gelaufen.
In Motegi/Japan hat Dani Pedrosa auch einmal die Titelchance verspielt?
Ja, als es 2010 in Motegi Probleme mit dem Grasgriff gab... Dani ist deswegen gestürzt und hat sich einen extrem komplizierten Schulterbruch zugezogen. Er musste auf drei Rennen verzichten – auf Japan, Malaysia und Australien. In Estoril und Valencia war er noch angeschlagen, er wurde nur Achter und Siebter.
2011 hat es auch nicht geklappt, Honda-Neuling Casey Stoner schnappte sich den Titel auf Anhieb.
Damals hat Dani auch Titelchancen gehabt, er hat die WM angeführt, bis Marco Simoncelli und er in Le Mans kollidiert sind. So wurde er aus dem Titelrennen rausgerissen.
2012, ein Jahr später, als Casey auch noch im Team war, hat Dani immerhin sieben Rennen gewonnen. Es war nicht so, dass ihn Casey niedergehämmert hätte. Aber Casey hat einen Titel auf Honda gewonnen, Dani nie.
2007 hatte Pedrosa auch Hoffnungen, er rechnete sich wegen seiner Jockey-Figur mit der kleineren 800-ccm-Maschine viel aus.
Hoffnungen hat man sich bei ihm jedes Jahr gemacht. Er war immer in der Lage, Grands Prix zu gewinnen. Also konnte man sich auch Titelhoffnungen machen.
Wo lag 2007 das Problem?
Honda hat für die neue 800er-Klasse ein komplett neues Motorrad gebaut. Diese erste 800er-Version war wirklich sehr schwierig...
Yamaha ist eher konservativ gewesen, sie haben einfach den Hubraum geändert, sonst nicht sehr viel.
Casey Stoner gewann die WM 2007, weil die 800-ccm-Ducati viel Power hatte und weil er als einziger Spitzenfahrer über Bridgestone-Reifen verfügte.
Ja, die Bridgestone waren 2007 sicher ein Vorteil gegenüber den Michelin-Reifen. Aber man muss auch sagen: Es war Stoner, der den Ausschlag gegeben hat.
Zu diesem Zeitpunkt haben alle den Erfolg auf Ducati und die Reifen geschoben. Der Reifen hat ihm geholfen. Aber man hat später gesehen, was Casey für ein fahrerisches Kaliber war.
Du hast intensiv mit Dani Pedrosa zusammengearbeitet, der schon über viele Jahre hinweg an der Spitze der MotoGP-Klasse mitmischt. Doch seit 2006 reichte es nie für den großen Wurf in der Königsklasse. Sind seine zahlreichen Verletzungen der Hauptgrund dafür?
Dani erlitt in den Jahren, in denen er viele Rennen gewann und um den Titel kämpfte, oft im falschen Moment eine Verletzung. Das kann man hin und her drehen. Ich weiß nicht, ob er sich leichter verletzt als andere. Seine Statur ist sicher kein Vorteil für ihn. Vor allem auf den großen Motorrädern mit 1000 ccm ist das Verhältnis schon heftig durch seine Körpergröße. Man sieht, dass er sich manchmal schwer tut. Wenn die Bedingungen für ihn nicht stimmen, kommt es zu Schwankungen.
Hast du im letzten Winter Pedrosa für 2018 noch den MotoGP-Titel zugetraut?
Wenn er so gefahren wäre wie 2017 in Jerez und wie beim Valencia-GP, dann schon. Er müsste aber 18 oder 19 solche Rennen zeigen. Vom Talent bin ich überzeugt, dass es für ihn reicht.
Doch so eine Saison ist durch verschiedenste Bedingungen und eben auch oft von Verletzungen geprägt. Du musst sehr konstant sein, um diese Chance zu nutzen. Dani hat mit Marc Márquez seit 2013 zusätzlich noch einen wahnsinnig starken Teamkollegen. Das kann zwar auch positiv sein, denn dann weißt du wenigstens, dass deine Maschine siegfähig ist. Ich habe Dani auf jeden Fall den Titelgewinn zugetraut.