BMW im Motorradsport: Erfolg wird dauerhaft vermieden
Motorsport wird bei BMW Motorrad nicht groß geschrieben
BMW Motorrad war in der Superbike-Weltmeisterschaft äußerst erfolgreich. Geradezu unschlagbar waren die Bayern in einer Disziplin: Wie lässt sich mit den größten Budgets und mit dem sinnlosesten Konzept jahrelang der Titelgewinn erfolgreich vermeiden?
Wir erinnern uns: BMW wollte eigentlich in die MotoGP-WM einsteigen. Aber der damalige Rennchef Berthold Hauser pries die Superbike-WM als preiswerte und sinnvolle Alternative. Sie verschlang «nur» 13 Millionen im Jahr. Er stellte für die MotoGP-WM ein Jahresbudget von 38 Millionen Euro in Aussicht und wusste: So ein Budget wird bei BMW niemals abgesegnet.
Da bei BMW Motorrad keine Rennabteilung existierte, wurde ein sündteurer Fünf-Jahres-Deal mit den alpha-Racing-Eigentümern Sepp Hoffmann und Sepp Meier vereinbart. Die Kompetenzen waren nie klar geregelt, es wurde vom ersten Tag an diskutiert, debattiert und gestritten. Manager wie Davide Tardozzi kamen und gingen. Das Duo aus Stephanskirchen akzeptierte trotz der vielen Millionen keinen Einfluss aus München, wo allerdings noch weniger Rennsport-Know-how vorhanden war, als bei der ehemaligen IDM-Truppe.
Naja, immerhin hatte BMW in den 1980er-Jahren bei der Rallye Dakar mit den 1100-ccm-Zweizylinder-Boxern und den teuersten Piloten der Welt die armselige Konkurrenz mit den 600-ccm-Einzylinder-Bikes jahrelang gnadenlos gebügelt. Eine Heldentat.
Auch der jahrelang unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit abgewickelte BMW-Boxer-Cup konnte den Weiß-Blauen nicht wirklich zu einem sportlichen Image verhelfen, genau so wenig wie der Pikes-Peak-Triumph gegen einen Rotax-Einzylinder-Privatfahrer.
Fünf Jahre lang mischte also das BMW-Werksteam in der Superbike-WM mit. Fünf Jahre sind aber für BMW im Motorradsport eine lange Zeit, also wurde das Superbike-WM-Engagement irgendwann zu BMW Italia ausgelagert, von nun an ging’s bergab.
Hendrik von Kuenheim, Geschäftsführer von BMW Motorrad, liebäugelte dann ganz offen mit der MotoGP-WM, weil ihm bewusst wurde, dass die Superbike-WM immer ein Nebenschauplatz bleiben wird.
Schon vorher hatten BMW-Manager wie Herbert Diess und Peter Müller immer wieder mit der Königsklasse kokettiert, aber es gab nur planlose Konzepte wie die Dreizylinder-990-ccm-Maschine bei Oral Engineering in Italien.
Von Kuenheim erschien 2011 sogar beim Katar-GP und lotete die Möglichkeiten eines MotoGP-Einstiegs im Gespräch mit Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta aus, dem freilich schon Herbert Diess am 21. Dezember 2005 den Einstieg für 2007 in die Hand versprochen hatte, als der Hubraum von 990 auf 800 ccm reduziert wurde.
Aber es passierte – nichts.
Ezpeleta fühlte sich hintergangen. Als BMW trotz mehrfacher Beteuerungen dann ausgerechnet in die Superbike-WM einstieg, der Konkurrenz-Serie von Flammini, die erst seit 2012 unter den Fittichen der Dorna ist, kochte der Spanier vor Zorn.
Claiming Rule-BMW: Auch daraus wurde nichts
Auch die leise Hoffnung, aus dem zarten Pflänzchen BMW-Claiming-Rule-Projekt könnte sich schrittweise ein weiß-blauer MotoGP-Einstieg entwickeln, erwies sich als fadenscheinig.
Der italienische IodaRacing-Teambesitzer Giampiero Sacchi setzte 2012 und 2013 in der MotoGP-WM mit den Fahrern Danilo Petrucci und Lukas Pesek Suter-BMW-Maschinen ein. Es handelte sich um ein Eigenbau-Chassis von Suter mit Superbike-Rennmotoren von BMW. Sacchi war nach Gesprächen mit Berthold Hauser überzeugt, BMW werde mit ihm als Speerspitze schrittweise als Werk in die MotoGP-WM einsteigen. Er hoffte, die neueste Entwicklungsstufe der BMW-Superbike-Rennmotoren zu erhalten.
2014 sollten die BMW-Vierzylinder-Motoren dann 245 statt 232 PS leisten.
Es hieß damals, als nächsten Schritt werde BMW dem Reihenvierzylinder der S1000RR dank pneumatischen Ventilen den nächsten Leistungsschub auf 260 PS verpassen. Die entsprechende Pneumatik-Technologie war bei BMW aus der Formel-1-Ära ausreichend vorhanden.
In München sollten BMW-Motorrad-Chef Stephan Schaller und Dr. Christian Landerl, Leiter Baureihen und Entwicklung, dann die politische Weichenstellung für den offiziellen MotoGP-Einstieg vornehmen und den Startschuss für die Konstruktion und die Entwicklung eines 1000-ccm-Prototypen-Motors mit 260 PS oder 270 PS geben. Die Entwicklung des Rolling-Chassis hätte die Schweizer Firma Suter Racing Technology übernehmen können.
In der Saison 2015 hätte BMW dann werkseitig in der Königsklasse antreten können, gleichzeitig mit den anderen Neueinsteigern Suzuki und Aprilia.
Aber Schaller, der auch das Husqvarna-Debakel beendete, würgte 2012 alle Sportaktivitäten des Werks ab, man setzt seither auf Breitensport, was immer das heißen soll.
Ist das Motorsport, von dem die breite Masse nichts mitbekommt?
Der Motorradsport auf höchster Ebene wird bei BMW Motorrad seit Jahrzehnten nach Möglichkeit gemieden.
Hendrik von Kuenheim wird nachgesagt, er habe den MotoGP-Einstieg von einer klaren Prämisse abhängig gemacht: Die MotoGP dürfe nicht mehr kosten als die Superbike-WM. Ein lächerlicher Zugang.
Das wäre ungefähr so, als würde ein Fußballclub nur dann in die Erste Liga aufsteigen, wenn er dort das Zweit-Liga-Budget beibehalten könnte.
MotoGP-Projekt von BMW: Es sollte am besten nichts kosten
Von Kuenheim wurde jedenfalls vor fünf Jahren bei Red Bull vorstellig und begehrte 10 Millionen Euro für einen MotoGP-Hauptsponsor-Deal. Es fehlte ein handfestes Konzept, es gab keinen Konstrukteur, keinen Fahrer, keine Rennabteilung, nur den sehnlichen Wunsch nach einer milden Gabe in der Höhe von 10 Millionen aus Fuschl.
Der Haken an der Sache: Für diesen Betrag hätte Red Bull bei jedem existierenden Top-Werksteam einsteigen können.
Früher habe ich mich oft über die merkwürdigen Sportaktivitäten von BMW gewundert. Heute nehme ich gelassen zur Kenntnis: Bei BMW Motorrad steht die Gewinnoptimierung im Vordergrund, der Sport ist absolut Nebensache.
Die Geschäftsführer kommen und gehen im 5-Jahres-Rhythmus. Wenn sie sich in dieser Zeitspanne keinen gravierenden Fehler leisten, werden sie zu den besser dotierten Autojobs befördert wie Diess und alle anderen. Schaller wechselt am 1. April 2018 zum Voith-Konzern, wo er bereits jetzt im Gesellschafterausschuss sitzt.
Wer will sich unter solchen Umständen einen MotoGP-Einstieg antun, für den bei BMW jede Basis und vor allem jede Leidenschaft und Begeisterung fehlt? Es reicht ja nicht einmal für die Moto3 oder für Moto2-Einheitsmotoren.
Mischt BMW in der Superbike-WM noch mit?
Angeblich ja. Zwar seilte sich das Milwaukee-Team nach nur einem Jahr zu Aprilia ab, doch das Althea-Team von Genesio Bevilacqua blieb erhalten. Für 2018 hat der Italiener noch keinen BMW-Vertrag, er liebäugelt mit einem Wechsel zu Ducati oder Yamaha. BMW hat seit 2013 keinen Podestplatz mehr errungen, in der Weltmeisterschaft 2017 sind die Bayern hinter Kawasaki, Ducati, Yamaha und Aprilia nur noch fünfte Kraft. Knapp vor MV Agusta, die nur einen Fahrer in die Rennen schicken. Scheitert der Deal mit Althea, sind sie 2018 gar nicht mehr dabei.
BMW hatte in der Superbike-Rennszene mit der S1000RR jahrelang die unbestritten schlagkräftigste Maschine, das zeigen die vielen Erfolge in nationalen Meisterschaften. Die WM gewannen aber seit 2009 Yamaha, Ducati, Aprilia oder Kawasaki. Nicht einmal in der Endurance-WM bringt BMW einen Fuß auf den Boden.
KTM vertraut seit Jahrzehnten auf den Slogan «Ready to Race» und hat BMW bei den Stückzahlen längst überflügelt. Firmenchef Stefan Pierer ist ein Unternehmer, der dieser Bezeichnung gerecht wird. Er unternimmt etwas.
Bei BMW regieren die Verhinderer und Bewahrer. Wir sollten uns von Weiß-Blau bis in alle Ewigkeit sportlich nichts mehr erwarten.
BMW sollte sich den Slogan «Ready to Stay Home» auf die Fahnen schreiben. Er passt perfekt zum unsportlichen Geschäftsmodell.
Aber es wirkt mutlos. Sogar Zwerge wie MV Agusta und Aprilia sind sportlich erfolgreicher, obwohl sie bei den Marktanteilen weltweit von BMW blamiert werden.