Wie der BMW-Chef Marco Melandris WM-Titel sabotierte
2011 absolvierte Marco Melandri nach 13 Jahren im Grand-Prix-Sport seine erste Saison in der Superbike-WM und wurde mit Yamaha auf Anhieb Vizeweltmeister – nur von Carlos Checa und Ducati besiegt.
Obwohl die R1 zu den besten Motorrädern im Feld gehörte, der Texaner Ben Spies hatte 2009 den einzigen SBK-WM-Titel für den Hersteller aus Japan erobert, sperrte Yamaha wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage das Werksteam nach der Saison 2011 zu.
Im zweiten Teil seines Rückblicks spricht Marco Melandri, der seine Karriere Ende Oktober 2019 beendet hat, über seine zwei Jahre mit BMW, in welchen er auf der S1000RR neun der bis heute zwölf Siege des Herstellers aus München einfuhr.
Marco, für 2012 hast du bei BMW unterschrieben, die S1000RR hatte damals bereits drei Jahre Entwicklung hinter sich. War sie ein gutes Motorrad?
Ja. Damals wollte niemand für BMW fahren, aber nach sechs Monaten sagten alle, die BMW wäre das beste Motorrad. Das machte mich stolz. Ich arbeitete damals mit guten Leuten, viele ehemalige Yamaha-Leute stießen zum Team.
Teamchef Bernhard Gobmeier hat die Situation damals sehr gut eingeschätzt. Er wusste, wie er die Leute richtig einsetzen kann. Er legte den Mitarbeitern Verantwortung in die Hände und ließ sie machen – eine sehr gute Führungspersönlichkeit.
Das Motorrad war bereits gut, als ich zu BMW kam. Aber es war wie ein falsch zusammengebautes Puzzle.
Michele Garda kam mit mir zu BMW, für mich ist das der beste Elektroniker meiner Karriere. BMW hatte auch gute Leute, ihnen fehlte es aber an Rennerfahrung. Ihnen fehlte jemand, der ihnen die Richtung aufzeigt. Die Elektronik an sich funktionierte sehr gut.
Im Herbst 2012 wurde bei BMW entschieden das Werksteam aufzulösen, alibihalber kümmerte sich BMW Italien noch ein Jahr darum. Nach 2013 war Schluss.
Während des Events auf dem Nürburgring kam Herr Schaller, er war damals der neue Chef von BMW Motorrad. Am Samstag fuhren wir in die erste Startreihe, anschließend sagte er uns, dass wir im Jahr darauf alle keinen Job mehr haben würden.
Das war drei Events vor Saisonende und wir führten die Meisterschaft an. Wie sollst du einen Titel gewinnen, wenn du in so eine Situation gebracht wirst?
Auf der anderen Seite war Andrea Buzzoni von BMW Italien, der sich sehr darum bemühte, dass ich für ihn fahre. Ich sagte ihm, dass ich nicht will, weil es für mich wichtig war, dass wir wie gehabt weitermachen. Ein Jahr lang hatten wir alles aufgebaut.
Auf dem Nürburgring waren die Rennen mein kleinstes Problem – damals schmiss ich den Titel weg. Aber glaub mir, das war eine sehr schwierige Lage.
Vor dem Nürburgring lagst du in der WM 18,5 Punkte vor Max Biaggi, in den letzten sechs Läufen bist du viermal gestürzt und konntest deshalb einmal nicht antreten. Hast du diese Meisterschaft im Kopf verloren?
Ja. Die Mechaniker baten mich darum ihnen dabei zu helfen, für das folgende Jahr einen Job zu finden. Buzzoni lag mit allen im Clinch und drohte mir damit, dass er mich vor Gericht bringen würde, wenn ich nicht für sein Team fahre – weil ich einen Vertrag hatte.
Wie soll man so Rennen fahren? Gobmeier war ein guter Chef, Andrea Dosoli war ein sehr guter Technischer Direktor. Alles war gut, es gab keinen Grund etwas zu ändern.
Hattest du 2012 die größte Chance in deiner Karriere, Superbike-Weltmeister zu werden?
Ja, sicher.
2014 war auch gut, hinter verschlossen Türen ging damals bei Aprilia aber alles drunter und drüber. Die ersten sechs Monate waren der Horror, ein Desaster.
Was war im BMW-Team von Andrea Buzzoni 2013 anders als im vorangegangenen Werksteam von alpha Racing? Die Marketing- und Presseabteilung von BMW war damals sehr bemüht uns weiszumachen, es gäbe keinen Unterschied.
Ich erzähle dir, was Sache war. Schaller sagte damals, Motorsport würde nur Kosten verursachen und hätte keinen Marketingnutzen – also weg damit. Damals hatten aber viele Leute einen Zwei-Jahres-Vertrag, sie konnten also nicht einfach zusperren.
Buzzoni sagte, dass er sich um die Chassis-Entwicklung kümmern und BMW dadurch Geld sparen würde. Er war der Auffassung, man könne auch mit dem Serienchassis fahren, aber das funktionierte nicht. BMW lieferte die Motoren, Elektronik und steuerte Geld bei, um den Rest kümmerte sich BMW Italien.
An dem Motorrad war alles anders, als im Jahr zuvor: Die Gabelbrücken, die Schwinge, alles was man ändern konnte, war anders.