Sebastian Vettel (Ferrari): So hilft ihm Daniil Kvyat
Als Ferrari die Verpflichtung von Daniil Kvyat als Entwicklungsfahrer bekanntgab, bemerkten die Tifosi schnell eine gewisse Ironie: Ausgerechnet jener Russe also, über den Ferrari-Star Sebastian Vettel einige Male gestolpert ist, soll dem Heppenheimer helfen? Wie soll das gehen?
Wir erinnern uns: Der Russe Daniil Kvyat hatte in China den zweiten Formel-1-Podestplatz seiner Karriere errungen. Aber die Freude über den tollen Erfolg wurde getrübt, denn noch vor der Siegerzeremonie wurde Kvyat vom vierfachen Formel-1-Champion Sebastian Vettel zusammengestaucht.
Vettel: «Was hast du beim Start gemacht? Wenn ich nicht nach links gegangen wäre, wären wir alle drei rausgeflogen. Du bist wie ein Torpedo herangeflogen!»
Kvyat: «Well, das ist Racing.»
Vettel: «Ja, Racing. Wenn ich meine Linie gehalten hätte, wären wir alle gecrasht.»
Kvyat: «Dann halte eben nicht deine Linie.»
Vettel: «Aber da war links auch ein Auto.» (Kimi Räikkönen, die Red.)
Kvyat: «Wir sind nicht gecrasht. Alle drei Autos sind im Ziel, nun komme schon. Ich habe auch nur zwei Augen.»
Vettel: «Ich kann nicht erwarten, dass du wie verrückt attackierst. Du hast dieses Mal Glück gehabt. Kimi hatte kein Glück.»
Kvyat: «Wir stehen jetzt aber beide auf dem Podium, also.»
Vettel: «Du hättest leicht alle Autos aus dem Rennen reissen können. Du solltest nicht einfach so in andere Leute reinfahren.»
Kvyat: «Wir hatten aber keine Kollision.»
Vettel: «Ja, du nicht.»
Es kam noch schlimmer: Zwei Wochen später kollidierte Kvyat kurz nach dem Start gleich zwei Mal mit Vettel. Ergebnis: Der Ferrari war aus dem Rennen.
Vor dem Start hatte Ferrari-Star Sebastian Vettel noch gescherzt: «Zum Glück steht Daniil Kvyat hinter mir, da besteht keine Gefahr.» Von wegen! Nach dem Start zum vierten WM-Lauf berührte der Red Bull Racing-Renner von Kvyat den Ferrari, der Ferrari trudelte, dann kreiselte er von der Bahn, nachdem er ein zweites Mal angeschubst worden ist.
Die Schuldfrage ist gemäss des früheren GP-Piloten Martin Brundle klar: «In China stach Kvyat in eine Lücke, das hätte Vettel auch getan. Alles in Ordnung also. Dieses Mal aber wird Kvyat keine Ausrede haben.»
TV-Bilder zeigten: Vettel setzte sich in der Bremszone zu Kurve 2 an die Innenseite von Daniel Ricciardo, dann kam von hinten Kvyat und schob den Ferrari in den Wagen von Ricciardo hinein.
Vettel tobte am Funk: «Einer fuhr mir ins Heck, dann nachher nochmals einer, was machen wir eigentlich hier. Also ehrlich!»
Anschliessend handelte der vierfache Weltmeister nach dem Motto: Alles muss man selber machen. Zuerst räumte er den Ferrari-Schutt auf, dann fuhr er den Scooter eines Streckenpostens selber zurück Richtung Box.
Nach einer Safety-Car-Phase wurde das Rennen in Runde 3 wieder freigegeben.
Die Regelhüter sprachen für Daniil eine 10-Sekunden-Stop-and-go-Strafe aus, wegen einer vermeidbaren Kollision. Der Wagen des Russen war beschädigt.
Kurz darauf sagte Vettel: «Ihr habt wohl im Fernsehen mehr gesehen als ich. Ich kam zur zweiten Kurve, dann tat es hinten einen grossen Schlag. Ich war froh, dass ich mich nicht sofort weggedreht habe. Ich war nicht sicher, ob der Wagen beschädigt war. Dann wollte ich Hamilton in Kurve 3 attackieren, und es tat einen zweiten Schlag. Dieses Mal konnte ich es nicht verhindern, in die Barriere zu knallen.»
«Was soll ich zu Kvyat sagen? Es zählt doch nur, dass da draussen noch das Rennen läuft und ich stehe nun hier. Ich hätte nichts anders tun können.»
Vettel sagte aber dann doch was: Er ging zum Red Bull Racing-Kommandostand, um Teamchef Christian Horner zu sagen, was er von den Fahrkünsten von Kvyat hält.
Kvyat selber war einsichtig: «Jeder kann die Videobilder sehen, die Sachlage ist klar. Der erste Tuscher geht auf meine Kappe, gar keine Frage. Aber bei der zweiten Kollision in der langen Linkskurve ist mir noch immer nicht ganz klar, was da passiert ist. Pérez hatte einen Platten, und vielleicht wurde Sebastian Vettel irritiert und fuhr die Kurve nicht mit Vollgas. Jedenfalls hatte ich nicht damit gerechnet, dass der Ferrari langsamer wird.»
Daniil Kvyat erklärte, dass er Sebastian Vettel via Handy erreicht und sich beim Deutschen entschuldigt habe. «Ich weiss, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich kann Team-intern auch mit Kritik umgehen. Und was die ganzen Leute angeht, die sich nun den Mund zerreissen – ich lasse sie reden. Ich habe etwas falsch gemacht, als Konsequenz hat unser Team keine Punkte gemacht. Ich werde aus dieser Lektion etwas lernen. Aber ich will das jetzt auch hinter mir lassen. Fehler zu machen, ist menschlich.»
Ein Rennen später sass der Russe nicht mehr im Red Bull Racing-Renner: Max Verstappen stieg zum Spanien-GP hin ein und gewann sensationell. Kvyat wurde in einen Toro Rosso gesetzt und im Herbst 2017 von Red Bull ausgemustert – zu schwankend seine Leistungen.
Aber wie soll dieser Kvyat nun also genau Vettel helfen?
Entwicklungsfahrer bedeutet: Wenn Vettel und Kimi Räikkönen am GP-Austragungsort arbeiten, dann arbeitet der 23jährige Kvyat parallel dazu im Werk von Maranello. Er sitzt dabei in jenem Simulator, den die Mitarbeiter «Spinne» nennen. Die wie aus einem Science-Fiction-Film wirkende Spinne wiegt gut 2000 Kilo und beherbergt fünf Meter über Boden den Fahrer in einer Kapsel, Hydraulikarme ahmen die Bewegungen des Autos nach. Der Pilot sitzt vor einer 180-Grad-Leinwand.
Der 72fache GP-Teilnehmer Kvyat soll Abstimmungsvarianten der beiden Stammfahrer prüfen oder Vorschläge einbringen, was beim Set-up verbessert werden kann.