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GP-Legende Arturo Merzario: «Ich würde alle anzünden»

Von Michael Hintermayer
​Der Italiener Arturo Merzario zeigt sich bei der Ennstal-Classic gewohnt undiplomatisch, wenn es um die moderne Formel 1 geht. Er sagt über die aktuellen Autos: «Ich würde sie alle anzünden.»

Arturo Merzario, der kleine Mann mit dem ganz grossen Herzen, hatte bei 57 Starts selten ein wirklich konkurrenzfähiges Grand-Prix-Auto unterm Hintern. Mit Ferrari reichte es 1973 in Brasilien und Argentinien zu zwei vierten Plätzen, im bewährten Modell 312 B2. Ab Monaco jedoch wurde der B3 eingesetzt, mit dem sich Arturo so schwer tat wie Team-Leader Jacky Ickx.

Arturo Merzario tingelte bis 1979 weiter durch die Formel 1, rettete 1976 auf dem Nürburgring mit einigen Rennfahrerkollegen und Streckenposten Niki Lauda aus dem Feuer und wurde so weltberühmt. Der kleine Mann mit dem Cowboy-Hut eroberte seine grössten Siege im Sportwagen: Er triumphierte auf einigen der schwierigsten Kurse der Welt, wie in Spa-Francorchamps (die alte Version) oder bei der Targa Florio (zwei Mal).

Merzario fährt noch bei Veranstaltungen mit historischen Rennwagen und bleibt mit seinem Hut und dem sympathischen Knautschgesicht unübersehbar. So wie bei der Ennstal-Classic 2018, wo wir ihn zum Interview getroffen haben.

Arturo, die Formel 1 war in den frühen Siebzigern extrem gefährlich. Es ist für einen jungen Motorsportfan heute schwer vorstellbar, wie gefährlich erst die Targa Florio war. Sie haben 1972 auf Sizilien gewonnen. Wie schlimm stand es damals wirklich um die Sicherheit?

Dazu muss man eines sagen: Grundsätzlich begann das Rennfahren auf der normalen Strasse, was sehr gefährlich war. Die Dinge neben den Strassen, wie Bäume und Ähnliches, waren das Gefährlichste. Aber die Rennfahrer haben sich relativ gut darauf einstellen können.

Dann sind Strecken wie der Nürburgring, Clermont-Ferrand und Monza gekommen. An sich auch gefährlich, aber die Fahrer konnten mit dem Risiko leben. Doch womit sie nicht leben konnten, war das Risiko der Technik. Das Schlimmste war die Technik, denn wenn dir eine Radaufhängung gebrochen ist, so starb ja Jochen Rindt. Das grösste Problem waren wirklich mechanische Defekte, weil dadurch die meisten Racer tödlich verunglückt sind.

Ich denke nicht, dass die heutigen Techniker und Ingenieure unglaubliche Genies sind. Die haben ein Millionen-Budget und fast unbeschränkte Mittel und Ressourcen zur Verfügung. Damals haben die Techniker und Ingenieure aus einfach Materialien und Rohren Rennautos gebaut. Daraus resultierte die Gefahr, weil das immer wieder kaputt gegangen ist. Das ist ganz wichtig im Vergleich zu heute. Heute gehst du in ein Labor und testest die Teile tausend Mal. Wir hatten das nicht. Wir haben statt dem Windkanal Wollfäden an das Auto gehängt und testeten dies auf einem Flugplatz.

Verfolgen Sie noch die Rennen der Formel 1?

Nur ein bisschen. Ich schlafe dabei ziemlich oft ein. Ich bin eher ein MotoGP-Fan. In der Formel 1 gibt es vorne eine Spitzengruppe, die interessant ist, der Rest fährt hinterher. Der grosse Unterschied ist, dass früher bis zu 35 Fahrer am Start standen, die alle im Stande waren, den anderen zu schlagen. Jeder ist mit dem Messer zwischen den Zähnen gefahren. Heute ist es so: Wenn du nicht aufpasst, wirst du überholt, fährst schlechte Resultate ein und hast bald keinen Vertrag mehr. Alles hinter der kleinen Spitze fährt nur hinten nach – das ist ein Problem.

Hat Sie die Gefahr gereizt? Stirling Moss hat einst gesagt, dass ihm ohne die Gefahr das Rennfahren keinen Spass gemacht hätte. Würden Sie sich lieber in ein sicheres, modernes Formel-1-Auto setzen?

Nein. Einen alten Formel-1-Wagen fahre ich schon noch, wie zuletzt in Goodwood. Aber in ein neues Auto würde ich mich nicht setzen. Der Adrenalinschub und der Wille, eine Rennstrecke und dieses Biest zu beherrschen, das ist der wesentliche Unterschied zur heutigen Formel 1. Wenn man heute einen Fehler macht, rutscht man über die Auslaufzone hinaus und reiht sich vorne ohne Probleme wieder ein und fährt weiter.

Wenn Sie von heute auf morgen FIA-Präsident wären, was würden Sie ändern?

Die modernen Formel-1-Autos gehören alle angezündet! Man muss zum Ursprung zurückkehren und wieder ganz normale Autos konstruieren. Das wird aber leider nicht passieren, weil heute der Computer die Oberhand gewonnen hat. Es ist nur mehr eine Frage der Zeit, bis wir ohne Fahrer unterwegs sind. Es ist wie früher bei den Flugzeugen, das musstest du mit Steuerknüppel noch fliegen, jetzt gibst du den Kurs in den Computer ein und bist nur mehr mit Autopilot unterwegs.

Was war eigentlich das Besondere am Abarth-Rennwagen, den Sie bei der Ennstal-Classic bewegt haben?

Abarth hatte grundsätzlich zwei Philosophien oder zwei Richtungen. Entweder kurze Bergrennstrecken, wofür ganz spezielle Autos gebaut wurden. Wir sind zum Beispiel ohne Lichtmaschine gefahren, um jedes Kilo zu sparen. Das ganze Gewicht war auf der Hinterachse, damit man möglichst viel Traktion hatte. Bei den Rundstrecken hat das natürlich nicht funktioniert, dafür braucht man dann wieder eine andere Philosophie. Viele Modelle für die Rundstrecke hatten dann zum Beispiel einen Mittelmotor verbaut. Die Modelle mit dem Motor hinten wurden von uns liebevoll Aussenbordmotor genannt.

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