Toto Wolff (Mercedes) hält Bottas zurück: Ernüchternd
Lewis Hamilton und Toto Wolff nach der Quali von Sotschi
Kurz vor Schluss des Grossen Preises von Russland drückte Toto Wolff den Sprechfunkknopf und meldete sich im Ohr von Valtteri Bottas: «Valtteri, hier ist Toto. Ich weiss, das ist ein schwieriger Tag für dich, es ist auch ein schwieriger Tag für uns. Wir reden nachher in Ruhe und erklären alles.»
Wir wissen nicht, was der Finne bei diesen Worten gedacht hat. Wir wissen aber, dass wir selten eine so verklemmte Siegerzeremonie erlebt haben. Fast hätte man den Eindruck bekommen können, die Rennfahrer würden um einen verletzten Kollegen bangen. Alle wirkten irgendwie, als wären sie lieber ganz woanders.
Nach dem Rennen versucht Toto Wolff, die Entscheidung von Mercedes zu erklären. «Wir sind im Herzen alle Racer. Was wir am liebsten sehen würden, das sind herrliche Rad-an-Rad-Duelle, und am Schluss möge der beste Mann gewinnen.»
«Aber gleichzeitig sind wir vernunftgesteuerte Menschen, und wir können am Morgen vor dem Rennen noch so viele Szenarien diskutieren, am Ende kommt doch alles anders.»
«Eigentlich sollten wir nach einem Doppelsieg überglücklich sein, aber ich erkenne keine Euphorie, weil wir wissen, dass die Dinge heute gegen Valtteri gelaufen sind.»
«Wir haben solche Diskussionen auch in der DTM, und klar ist das für gewisse Piloten dann ernüchternd. Aber es gibt eben die brutale Realität, und die heisst – wenn du die Chance bekommst, eine WM-Führung um sieben zusätzliche Punkte auszubauen, dann lässt du dir diese Gelegenheit nicht entgehen. In einer WM, die zum grössten Teil ausgeglichen verlaufen und für uns phasenweise sehr schwierig gewesen ist, spielt das eine Rolle. Also haben wir uns dazu entschlossen.»
Gibt es den Plan, Bottas für den entgangenen Sieg zu entschädigen? Im Sinne von: ihm einen anderen Triumph ermöglichen. Toto Wolff: «Das habe ich damit gemeint, alles kontrollieren zu wollen. Wir haben hier in Russland am Sonntagmorgen eine Million Szenarien diskutiert. Und doch ist es im Rennen anders gekommen. Wir werden nun die Geschehnisse von heute in Ruhe analysieren und daraus die richtigen Schlüsse ziehen.»
«Valtteri ist ein Mannschaftsspieler. Wir haben ihn am Funk einmal gebeten, die Positionen zu wechseln, und er hat es sofort getan. Das ist ganz wichtig für uns. Wir müssen wissen, dass wir uns auf die Jungs so verlassen können wie sie uns vertrauen. Das macht die Entscheidung noch schwieriger. Aber letztlich gilt nur: Ein Sieg ist ein Sieg und ein Vorsprung von 50 Punkten fühlt sich gut an.»
Wie konnte im Rennen eigentlich Vettel vor Hamilton kommen? Toto Wolff: «Wir haben Hamilton eine Runde zu spät hereingeholt, daher hat Lewis den Platz an Seb verloren.»
Wolff will noch immer nichts davon hören, dass Lewis Hamilton eine Hand am WM-Pokal hätte. Dennoch: Der Engländer könnte nun zwei Mal ausfallen, und er wäre noch immer WM-Leader. Toto Wolff bleibt Zweckpessimist: «Wenn wir zwei Mal ausfallen, dann haben die Gegner drei weitere Rennen, um uns zu überholen.»